Erstellt am: 23. 9. 2009 - 15:00 Uhr
Time is (not) on my side
Man sollte die eigene Unfähigkeit, jegliche naturwissenschaftliche Grundlagen zu begreifen, eigentlich lieber verschweigen. Zumindest, wenn man der Unterstufe schon ganz lang entwachsen ist. Auf der anderen Seite kann so ein Outing auch durchaus befreiend sein.
In diesem Sinne: Bis heute ist mir etwa Physik ein unglaubliches Rätsel. Ich kann mich noch so anstrengen, aber selbst die einfachsten Regeln und Gesetze begreife ich nicht wirklich, mit der Quantenmechanik oder der Relativitätstheorie brauchen wir gar nicht anzufangen.
Dabei habe ich es vor einigen Monaten, im delirierenden "Lost"-Wahn, ja wieder einmal ernsthaft versucht. Her mit "Eine kurze Geschichte der Zeit", dachte ich mir, bitte, lieber Stephen Hawking, hilf mir, die süchtigmachendste TV-Serie der Gegenwart ein bisschen besser zu verstehen.
Ich hab mir dann sogar die noch kürzere Geschichte der Zeit angeschafft, eine Pixi-Buch-Version von Hawkings ohnehin gnadenlos populärwissenschaftlichem Bestseller sozusagen. Und wieder hab ich keinen Schimmer kapiert und irgendwann, noch vor dem Kapitel "Schwarze Löcher", die Lektüre entnervt abgebrochen. Es hilft nichts, ich werde das Universum nie verstehen.
Dabei liebe ich Zeitreisen, schon immer war das so, völlig unabhängig von meinen Verständnislücken in Sachen Bildung. Im Gegenteil, proportional zu meinen katastrophalen Noten in Mathematik und Physik war ich als Kind süchtig nach Warp-Antrieben und Überlichtgeschwindigkeit, Beamen und Teleportieren, geilem pseudowissenschaftlichem Gefasel und absurden Wurmloch-Spinnereien.
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Derzeit meint es die Film- und Fernsehindustrie wieder einmal besonders gut mit mir und all jenen, die sich ihre Zeitreise-Begeisterung ins Erwachsenenleben gerettet haben.
Die fünfte "Lost"-Staffel etwa, das muss trotz berechtigter Spoiler-Paranoia angedeutet werden, interpretiert den guten Albert Einstein dermaßen großzügig, dass vor lauter Irrsinn Synapsen schmelzen und Hirne rauchen.
Auch der mit der göttlichen Insel-Saga verknüpfte J.J. Abrams kümmert sich in seinem "Star Trek"-Kinoupdate um keinerlei Barrieren von Zeit und Raum und lässt den alten und den jungen Spock munter aufeinandertreffen. Führt so eine Begegnung nicht zu einem Riss im Universum? Da war doch irgendetwas, vielleicht sollte ich nochmal bei Hawking nachschlagen.
Gänzlich abseits jeglicher (Pseudo-)Wissenschaft bewegt sich ein Film, der sich aktuell im Kino des brennenden Themas annimmt. Wo andere Zeitreise-Filme wenigstens so etwas wie einer eigenen inneren Logik folgen, verstrickt sich "The Time Traveler's Wife" in einer Abstrusität, die Doc Brown zum Schäumen gebracht hätte.
Dem deutschen Regisseur Robert Schwentke, der mit diesem Streifen seinen Hollywood-Einstand feiert, ist das egal. Denn er hat, ebenso wie Audrey Niffenegger, die Autorin der Bestseller-Vorlage, ganz anderes im Sinn. Es geht nicht um schnöde Physik, sondern um ganz große Gefühle.
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Eric Bana, früher öfter mal als Hulk, Serienkiller oder antiker Held herumtobend, derzeit in "Funny People" von seiner verblödelten Seite zu sehen, spielt den gutaussehenden Bibliothekar Henry DeTamble. Ein fragiler Mittvierziger, der an einer genetischen Besonderheit leidet.
Bereits als Kind beginnt Henry unkontrolliert durch die Zeit zu reisen. Von einem Moment zum anderen löst sich sein Körper auf, und der arme Mann wird durch die Jahrzehnte geschleudert.
Bei einer seiner spontanen Zeitreisen lernt Henry ein kleines Mädchen kennen. Viel später wird diese Clare (charmant: Rachel McAdams), die er in unterschiedlichen Phasen ihrer Jugend besucht, seine Geliebte werden, seine Vertraute, sein Ein und Alles.
Aber es ist nicht leicht, mit einem Typen wie Henry zusammen zu sein, wird der jungen Frau bewusst. Immer dann, wenn sich ein Hauch von Alltag einstellt, verschwindet der Zeitreisende in eine andere Dekade.
Auf der anderen Seite bietet die bizarre Situation auch Vorteile: Als der ältere Henry seinem Schatz ein Kind verweigert, greift Clare zeugungstechnisch mal schnell auf eine etwas jüngere Ausgabe ihres Gatten zurück, die zufällig gerade in der Nähe materialisiert.
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Wie gesagt, Plausibilität spielt keine Rolle in diesem Streifen. Und Hi-Tech-Gimmicks sucht man ebenso vergeblich wie heftige Action. It's about love, baby. In ästhetisierten Bildern erzählt Robert Schwentke von bittersüßen Leidenschaften und emotionalen Wirrnissen, aber auch von der existentiellen Vergänglichkeit.
Keine unspannenden Themen, auch die Chemie zwischen Bana und McAdams stimmt. Nur leider spitzt der Regisseur die Romantik selten auf schmerzhafte Weise zu und begnügt sich stattdessen über weite Strecken mit gefälligen, braven, viel zu gediegenen Momenten.
Zyniker werden "Die Frau des Zeitreisenden", im Sinne der in Hollywood üblichen, stereotypen Geschlechterzuordnungen, wohl sofort in die Kategorie Chick Movie einordnen, in die Schublade mit dem schwärmerisch-schnulzigen Mädchenkino.
Mir fällt zu dieser ganz netten Science-Fiction-Schmonzette eher so was wie "Benjamin Button" light oder "The Fountain" für Arme ein. Das Universum verstehe ich jedenfalls auch weiterhin nicht.
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