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Christian Lehner Berlin

Pop, Politik und das olle Leben

18. 9. 2009 - 19:21

Neues von den Flaming Lips

Album-Stream. Und ein bisschen was über Sünde, Leaks und tonlose Tonträger.

Wo ist die Religion, wenn man sie braucht? Wem soll der Bekenntnislose bekennen? Gibt es einen Ablasshandel für Atheisten?

Das Sündenregister liest sich mittlerweile wie ein Festival-Line Up: Fiery Furnaces, The Dodos, Monotonix, HEALTH, um nur einige zu nennen. Meine Musik bezogenen Radiogeschichten finden in letzter Zeit immer seltener den Weg auf diese schwarz-gelben Seiten hier. Nix in digtial – außer leere Versprechungen an die Webredaktion. Zumindest auf das schlechte Gewissen ist verlass: Die innere Stimme droht mittlerweile mit dem kehligen Grollen eines Lemmy Kilmister. Ich gelobe also Besserung. Doch was ist das? Schon wieder lockt die Sünde! Neues von den Flaming Lips? Welch Wonne! Das Alte muss also noch etwas älter werden. Immerhin: mit The Dodos und Fiery Furnaces hat die FL Sache dann doch auch etwas zu tun. Indirekt. Mindestens.

MTV

Das schlechte Gewissen

Es ist nämlich so: in letzter Zeit scheint sich das Verhältnis einiger Artists zum digitalen Musikklau etwas entspannter zu gestalten, oder man reagiert mit mehr oder weniger originellen Gegenstrategien, oder man macht sich die neuen Verhältnisse einfach selbst zunutze.

Da wären zum Beispiel The Dodos aus San Franciso. Im Interview hat Sänger Meric Long zu Protokoll gegeben, dass er sich über den frühen Leak des neuen Albums Time To Die (French Kiss Records/Coop) insgeheim sogar gefreut hat. Immerhin sei das durchaus auch als Wertschätzung zu verstehen: „Heute muss man sich eher Sorgen machen, wenn es die Platte tatsächlich BIS zum vorhergesehenen VÖ-Termin schafft". Das wäre dann ein Indikator dafür, dass sich niemand für das Album interessiert, so Long. Außerdem hätten die jüngsten Beispiele Animal Collective, TV On The Radio und Grizzly Bear eindrucksvoll demonstriert, dass die Fans trotz Leaks durchaus noch Alben kaufen. Pragma-Lama Mr Long? Jedenfalls stellten die Dodos ihr neues Werk unmittelbar nach Bekanntwerden des Leaks als Stream zur Verfügung und zwar im finalen Sound-Edit samt Videobotschaft.

Die Fiery Furnaces hingegen reagieren (wenig überraschend) mit einem künstlerischen Konzept. Wie so ziemlich alles von den Geschwister Friedberger aus New York steht auch diese Aktion zumindest ein bisschen in Verdacht, einen gewissen Grad von Oberschlaumeiertum demonstrieren zu wollen. Dass das nach einigen Alben der extremen Nabelschau auch zu richtig tollen Ergebnissen führen kann, ist auf dem neuen AM-Rock meets Reggae-Patterns Longplayer I´m Going Away (Thrill Jockey/Trost) nachzuhören. Doch das war´s auch schon wieder mit der Konvention, denn als nächstes folgt die (Anti-)Webstrategie.

Die Fiery Furnaces planen, ein "silent album" zu veröffentlichen. "Für alle Download-Kids", grinst Eleanor Friedberger diabolisch beim Interview in Greepoint/Brooklyn. Und ihr Bruder Matthew ergänzt: "es wird ein Album in Buchform sein. Alle Songs werden auschließlich als Noten am Blatt erscheinen." Während also Acts wie Deerhoof oder Dan Deacon aktuelle oder künftge Releases um sheet music ergänzen, wählen die Friedbergers den elitären aber konsequenten Weg der veröffentlichten Tonlosigkeit. Auch eine Strategie. Wir werden sehen, wo dann die Noten schlussendlich landen ...

The Colbert ReportMon - Thurs 11:30pm / 10:30c
The Flaming Lips - Convinced of the Hex
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Kommen wir aber endlich zu den Flaming Lips. Wayne Coyne und seine psychedlischen Plüschtierchen blicken den modernen Zeiten tapfer entgegen und setzen dem Prinzip der digitalen Verflüchtigung jenes der Omnipräsenz entgegen. Da lassen sie Fans am kommenden Halloween als Skelett durch die Straßen spazieren oder für ein Video nackig auf Fahrrädern herumkurven.

Auch die Auto-Promotion 2.0 kann sich sehen lassen. Kurz vor Erscheinen des neuen Flaming Lips Albums "Embryonic" war die Band über die Kuratierung der diesjährigen Ostküstenausgabe der All Tomorrows Parties prominent in allen einschlägigen Medienkanälen vertreten. Und gestern Donnerstag gastierte Coyne in einem ungewölichen Akt der Cross Promotion beim äußerst populären Comedy Central "Anchor" Steve Colbert und dessen Colbert Report.

Dort wurde nicht nur gespielt, gealbert und gesungen, sondern auch auf den Audio-Stream des neuen Flaming Lips Albums hingewiesen. Der wird bis einschließlich Montag (hoffentlich auch für IP-Adressenbesitzer aus Europa) exclusiv auf Colberts Website fließen.

Beat the beast: Schon flitzen die Links der Blogger durchs Netz, dass es nur so staubt. Viral? Genial! Da stellt man sich auch gerne als Marketingmethode zur Verfügung. Ganz ungeniert. Das Album erschein dann regulär am 13. Oktober auf Warner Music.

Und jetzt bitte Sündenerlass!

Hier geht´s zum Stream: Embryonic.