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Robert Zikmund

Wirtschaft und Politik

18. 9. 2009 - 15:12

Immer wo du da bist bin ich nie

Element Of Crime melden sich mit einem neuen Studioalbum zurück.

Mein Erstkontakt mit Element Of Crime war damals, vor vielen vielen Jahren. Wie keine andere deutschsprachige Band, auch nicht die wortgewaltigen Tocotronic, schafften sie es vermeintlich kleine Dinge des Lebens in Cinemascope zu tauchen und mit jener Art von Poesie zu übergießen, zu deren Verständnis man weder Germanistik-Studium noch Sekundärliteratur braucht.

Wenn Du mit Anfang 20 bierschwer aus einem Kellerlokal in die sommerliche Morgendämmerung kletterst und Sven Regener singt, „Kurz vor der ersten Straßenbahn, sind die Gedanken müde und schwer, Ein Stern fällt ins Wasser und der Mond hinterher“, dann bedarf das keiner weiteren Erklärung.
Sowas ist einer der raren Momente, wo Popmusik ein direkter Begleiter, Chronist und Soundtrack zum Leben wird, Emotionen, Eindrücke und Melodien sich 1:1 als neuronale Verbindung in unser Hirn brennen, vermutlich ins gleiche Zentrum wo auch Liebe, Sucht und Weltschmerz zu Hause sind.

Element of Crime

Universal Music

Umso schwerer ist es Bands, zu denen man derartige Links aufgebaut hat, weiterhin unbefangen zu beobachten, zu schwierig ist es da mitzuhalten. Dennoch haben Element Of Crime auch in den letzten Jahren ihr Bestes getan ihrem Evangelium neue Kapitel anzuschließen.So überzeugt die 99er Platte „Psycho“ von vorne bis hinten und hat mit „Jetzt musst du springen“, „Kavallerie“ oder „Michaela sagt“ selbst ewige Momente geschaffen.

Und auch wenn die Jahre vergehen und man immer seltener im Morgengrauen aus Keller-Spelunken klettert, hat es diese Momente auch noch auf den Nachfolge-Alben „Romantik“ und „Mittelpunkt der Welt“ gegeben.

Freilich, meine persönlich Rezeption von Sven Regener hat sich verändert. Erstmals durfte ich ihn anlässlich seines Romans „Herr Lehmann“ treffen, jenes Buch, dass Sven auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht hat.

Bis jetzt habe ich in meiner nun zehnjährigen Interviewer-Karriere noch keinen Künstler erlebt, dessen Gesamt-Erscheinung so diametral anders ist als das Bild, das der gleiche Mensch in seinen Liedern vermittelt.
Obgleich direkt, offen und sympathisch gibt Regener in Situationen aus dem echten Leben doch zumeist den abgeklärten, reflektierten Herren, der sich auch für die eine oder andere trocken-zynische Bemerkung nicht zu schade ist.

So meinte er ja anlässlich der Veröffentlichung von Romantik: „Romantik ist für mich, wenn wir uns als Band wieder mal Doppelzimmer teilen müssen“.
Allerdings weiß ich auch nicht ganz genau was ich mir eigentlich erwartet hatte.

Die neue Platte

Das gilt übrigens auch für die neue Platte.
Zuerst war ja schon mal das mediale Echo interessant, nach „Herr Lehmann“ und „Contact High“ ist Element Of Crime wohl auch abseits des Senders, der ihre Lieder seit Bestehen spielt, ein Thema.

Dann durften wir gestern auch noch lesen, dass Sven sogenannte „Punk-Opas“ verachtet, das hat natürlich schon eine gewisse Komik. Genauso wie das plötzliche Bemühen in die richtigen Schubladen gesteckt zu werden, da werden auf einmal ohne Not Vorbilder wie „Velvet Underground“ genannt und andere belächelt, die große Americana Welle junger Bands gelobt und ich frage mich woher diese Notwendigkeit kommt.
Musikalisch surft es sich so auf der neuen Platte jedenfalls sehr zeitgemäß, nie waren Banjo, Ukulele und Mandoline angesagter.

Albumcover "Immer wo du da bist bin ich nie"

Universal Music

Was bleibt ist die Überwindung, den neuen Element-Songs in Ohren, Hirn und Herzen den Raum zu geben, den sie vielleicht brauchen, um ein bisschen aufzugehen.
Es ist ein bisschen wie dieser Urlaubsort wo Du damals mit deiner ersten großen Liebe warst, wo alles perfekt war.

Wenn du dort Ewigkeiten später mit anderen Menschen wieder hinfährst, wird es sich anders anfühlen, obwohl vielleicht grade mal das Hotel eine neue Lobby hat.
Obgleich es vielleicht immer noch wunderschön ist, hat sich alles verändert, am meisten Du selbst und dein Leben.

Wenn man diesen Schritt also tut, sollte man sich dessen immer bewusst sein, die Enttäuschung registrieren und trotzdem bereit bleiben andere Schönheiten zu entdecken.
Das haben sich Element Of Crime mindestens verdient.
Das neue Album „Immer Da Wo Du Bist Bin Ich Nie“ erscheint heute Freitag, umfasst 12 Songs, wobei die Schlussnummer auf der Vinylausgabe aus Platzgründen nicht drauf ist und seit fast 20 Jahren erstmals wieder ein Song in englischer Sprache dabei ist.
Komm mit mir woanders hin, ich weiß noch einen Weg, den kann man nicht alleine gehen, und ich hab mir überlegt, dass alles, was ab jetzt geschieht, mich nicht mehr interessiert, wenn du darin nicht vorkommst, bitte bleib bei mir“ (Bitte bleib bei mir)