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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

18. 9. 2009 - 19:33

Journal '09: 18.9.

Satire und Macht. Anmerkungen zu "Bei Faymann" und "Harald Schmidt".

Vorab: wo bei der neu, ein wenig nach dem Vorbild der Jon Stewart Daily Show, hingestellten Harald Schmidt-Sendung eher Machart und Themenwahl der zentrale und (trotz aller professionellen Vorhersehbarkeit) verblüffende Faktor waren, ist es im Fall von "Bei Faymann", dem Maschek&Co-Puppentheater im Rabenhof eher die Rezeption, die bezeichnend ist.

Bezeichnend, signifikant für die unterschiedlichen Levels von Bereitschaft sich mittels Satire nach alter Hofnarrentechnik die Wahrheit sagen zu lassen, bezeichnend und signifikant für den Stand der Dinge, was das Einsatzgebiet von Satire betrifft.

Beide Produktionen haben sich, was letzteres betrifft, für die Hardcore-Variante entschieden, stoßen in den Kern vor.

Aktionistisches Bildungs-TV

Schmidt macht das, was er immer schon machen wollte, aber bislang durch Faulheit, Beeinflußungen oder in den Weg geworfene Prügel wie den Pocherismus allzu oft vermieden hat: Politik und Feuilleton, nur zart überzogenes Eliten- und Bildungs-Fernsehen mit harten Bandagen, bösen Analysen und, ganz neu, mit aktionistisch-investigativen Elementen.
Und das alles in einem Affentempo; Einstiegslevel also: extrem hoch.

Bei Faymann wandelt sich vom bislang klassizistisch angehauchtem Mächtigen-Bashing, der 1zu1-Kasperliade von tatsächlich so ähnlich Abgelaufenem, zu einem mit brachialen Effekten verbrämten Essay über die Medien-Katastrophe, die das Land Österreich lähmt.
Und stößt genauso zum Kern vor.
Und auch hier ist das Einstiegslevel höher als man glaubt, auch wenn die Maschek-Schmähs alle nachvollziehbar waren.

Da kommt die Rezeption ins Spiel.
Die findet hauptsächlich in den von der Produktion mittels Runterreißen der Masken entstellten Printmedien statt, und fällt dementsprechend signifikant aus.

Aufklärerischer Aktionismus

Bei Faymann im Licht der Wiener Zeitung, in der Presse , im Standard, in der TT, der SN und im Haus Österreich.

Hier eine Vorfeld-Reportage im Profil

Gut, die Kronenzeitung, in deren Vorhof das Puppenstück spielt, reagiert gar nicht. Die konservative Presse (Kurier, mehrheitlich in Raiffeisen-Besitz, die Styria-Medien Presse und Kleine, die TT, deren Besitzer, Moser-Holding bald mit der Styria verbandelt sein wird uvam) blieb in ihren Rezensionen ganz bewußt an der Oberfläche kleben, spricht maximal verschämt von einer Insider-Mediensaire.
Der Boulevard macht das ganz freiwillig, und der Standard beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Society-Aspekt (wer der Karikierten jetzt da war und wer nicht). Einzig die kleine Wiener Zeitung fährt in die Wunde - aber dort herrscht Fin de Siecle-Stimmung, seit bekannt wurde, dass der Vertrag des stramm konservativen Chefredakteurs nicht verlängert wird.

Wie es gehen kann, zeigt ein Junger, nämlich Lukas Wiesboeck vor, der hier im Standard-Gastkommentar erstens den Mut aufbringt die Dinge beim Namen zu nennen, und zweitens auch eine sinnhafte Stellungnahme anläßlich der unfaßbar danebenen und redundanten ORF-Enquete (bei der bloß Matthias Karmasin, Fritz Hausjell und Fritz Wendl wirklich wahre und konstruktive Beiträge lieferten, während rundherum schandbarste Interessenflutung begangen wurde) und ihres auf unterirdischen Niveau stattfindenden medialen Begleitfeuers zusammenbringt.

Dass irgendjemand den Versuch der Satire eine analytische Betrachtung der Situation, was die Medien-Verquickung im Land (samt den politischen Seilschaften dahinter) aufgreift und weiterspinnt - wäre zwar aufgelegt gewesen, traut sich aber wieder einmal niemand.
Die meisten österreichischen Journalisten haben da die Ausrede, dass sie sich in Medien befinden, deren Chefs, Besitzer und Vorstände derlei untersagen würden, aber auch dort, wo es möglich wäre erhellende Auskünfte zu geben, sind sie nicht abzuholen.
Derlei wird unter andeutendem Gemunkel oder Ausreden (wie der, dass die Medienstrukturen die Leser/Hörer/Zuschauer gar nicht interessieren würden) versteckt. Weil man sich's mit niemandem verscherzen mag, etwa als Tageszeitung, der man mittels Kreditfälligstellung in die Parade fahren kann - wie es die Raiffeisen ja um gekehrt mit ihren Stützgeldern für Österreich beweist.

Mediale Ausreden-Kultur

Die andere Ausrede ist noch perfider: die Konsumenten würden sich ohnehin zu wenig auskennen.
Ja, tun sie, die meisten haben keine Ahnung, warum ihnen aus welchem Blatt aus welcher Ecke welche Ideologie entgegenweht, weil sie natürlich nicht einmal ihrer simpelsten Bürgerpflicht nachgehen und die (ganz einfach zu findenden und nachzulesenden) Basics checken, ehe sie sich etwas so sensiblem wie einem Haus-Medium anvertrauen.

Die Ausrede bedeutet, dass man die menschen für blöd hält (was womöglich so ist), aber auch keine Anstalten machen will, diesen Umstand zu bessern.

Und das ist mein Vorwurf.
Und das ist gleichzeitig das unbedingte Lob, das Maschek, Rabenhof und die anderen für "Bei Faymann" bekommen müssen: dass sie dieses Versäumnis der heimischen Medien nachholen; dass sie sich drübertrauen, auch auf die Gefahr hin in einer verfälschenden Rezeption unterzugehen. Dass sie das laut und derb und brachial angehen - mir ists recht.

Weil sie damit nämlich einen zentralen Auftrag erfüllen, einen Auftrag, den die Medien unzureichend angehen und gerne der Satire überlassen: den der Erhellung und der analytischen Verknüpfung. Dafür erklärt sich ja der Journalismus, in diesem Land auch der selbsternannte Qualitätsjournalismus, für unzuständig.

... und weiter mit dem anderen, ebenso wichtigen, ebenso richtungsweisenden Beispiel.

The Daily Show with Harald Schmidt

so kommt das neue Ding, das simpel so heißt wie das Aushängeschild, daher, mit einem kurzen Promo-Vorlauf (danke dafür), um öde populistische Gossen-Clowns erleichtert und mit dem Tempo versehen, mit denen die besten angloamerikanischen Polit-Satire-Sendungen die Rolle übererfüllen die die satten Mainstream-Newsmaker auch deswegen nicht mehr einnehmen, weil sie längst entweder willfährige Copypastisten oder politische Player (wie die reakionäre Meute, die sich gerade in der Hetze gegen Obama gefällt) geworden sind, oder ihr Publikum für letztlich ebenso blöde halten wie oben beschrieben und deswegen nur noch Mini-ZiB-Happen auf die loslassen.

Schmidt und seine neue Autoren/Akteurs-Runde, die nicht nur aus der ausgestellten Katrin Bauerfeind, sondern aus einer ganzen Latte an Satire-, Schauspiel- und Feuilleton-Talent besteht, verzichten auf das ohnehin immer lächerlicher werdende Maßnehmen am Konstrukt Zuschauer, scheißen getrost auf die geheuchelte Sorge ob jemand was nicht verstehen könnte, und machen einfach, was wichtig ist.

Das umfaßt MGfeuerschnelle Philosophie-Dialoge (Kleist) böse Feuilleton-Kritik (Duchamp, Breth), haarspalterische Diskurs-Frotzeleien (Groys), Repliken auf Unerhörtes und undeutlich Gesagtes und reicht bis zum veritablen Scoop.

Das ist in Zeiten, in denen einem die allein an Gewinnen interessierte Privat-TV-Wirtschaft wie ein kreidegsättigter Wolf weismachen will, dass sie's ja eh auch könne. Selbst wenn das der Fall wäre (was er nicht ist): sie wollen's ja gar nicht.

So legt das Schmidt-Team offen, dass ein vom Pro7/Sat1-Konzern (dem auch Puls 4 gehört) auf all seinen Kanälen auf einen von ihnen inszenierten Schweinegrippen-Fake reingefallen ist und da gierig eine lächerliche, inhaltlich belang- und wertlose und eben noch dazu frei erfundene Sensationsstory in alle News-Sendungen gehoben hat - ohne Überprüfung selbstverständlich.
Besser ist die Schimäre von der News-Kompetenz der Privaten selten ausgehebelt worden.

Achtung, Dauersatire-Sendung

Natürlich erreicht diese blitzgescheite Dauersatire-Show, in der Schmidt auf süffisante existenzialistische Leerläufe, auf CoStar-Gelalle von Mindestbegabungen und anderen Tand verzichtete, die Massen nicht. Das ist unmöglich.

Die neue Harald Schmidt-Sendung im Spiegel der Zeit, des Spiegel, der FAZ, der SZ, der taz, der FR und des Tagesspiegel.

Es ist aber nicht seine Aufgabe, es ist auch nicht die Aufgabe von Satire, allen zu gefallen, für alle verständlich zu sein, es geht ums Vorangehen, ums erhellende Verknüpfen, ums Klarmachen für die, die es wissen könnten, sich aber (aus diversen Gründen) nicht gekümmert haben, die es weitertragen können und damit eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen vermögen.

Harald Schmidt, immer Donnerstag, 22.45, ARD - zum Nachhören auch mit noch viel mehr Unfug umfassendem Web-Auftritt

In Deutschland, dem Schmidt-Land, geht es noch um reale Machthaber, multinationale Player und richtige Politiker mit globalem Einfluß, die von einer entsprechenden , vergleichsweise breit gestreuten, Medien-Meute kontrolliert werden. Da kann es sich Schmidt leisten ein reines absichtlich abgehobenes Luxus-Ding, ein Premium-Produkt hinzustellen. Weil das Umfeld stimmt, weil Substanz vorhanden ist.

Bei Faymann von Maschek läuft noch bis (zumindest) Dezember im Rabenhof, DVD ist in Planung.

In Österreich, der Puppenstube ohne Einfluß und Player, kontrollieren die wenigen lokalen Mächtigen die Medien, über sie die (schwache) Parteipolitik und haben durch die von ihnen bewußt produzierte Enge also die Macht Kontrolle zu verhindern; auch indem sie Verdummungs-Mechanismen einsetzen. Da kann es sich niemand leisten mit feiner Klinge zu agieren - deshalb braucht es die Brachial-Satire a la Maschek, um wenigstens die gröbsten Zusammenhänge offenzulegen.

Wichtig ist beides.
Unterhaltsam übrigens auch.