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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

17. 9. 2009 - 20:01

Fußball-Journal '09-87.

Der erste Abend in Europa. Step by step. Lernfortschritte, Lernrückschritte.

Wie es soweit kommen konnte - steht letztlich alles hier im Fußball-Journal 09.

Ich hab's gestern Mitternacht, auf Aufforderung und öffentlich, ja gesagt: vor mir aus können alle vier österreichischen Euro-League-Teilnehmer alle ihre Spiele verlieren - solange sie sich gut verkaufen und Erfahrungen sammeln, die für den kontinuierlichen Aufbau nötig sind.

Denn kurzfristige, auf Treibsand gebaute Bemühungen wie die, die in die Pleiten von Sturm, GAK, Tirol oder Austria Salzburg herbeiführten und die, die durch die Mißverständnisse Magna und Red Bull schiefgegangen sind oder aktuell gerade schieflaufen, snd alles mögliche, spritzig, lustig und bunt - aber eben nicht nachhaltig und deshalb auch nicht sinnvoll.

Und lieber als herbeispekulierte Kartnig-Erfolge, also hohleas Zeug, sind mir der langfristige Aufbau. Und der Einstieg in eine Normalität, die anderswo schon stattgefunden hat, sich hierzulande aber eben erst mit diesem Vierer-Packl in der EL öffnet.

Step 1: Rapid Wien

Ich könnt ja jetzt sagen, ich hab's ja gesagt. Weil ich ja auch seit ewigen Zeiten davon spreche, dass Rapid mit Hofmann in der Zentrale, mit zwei echten offensiven Flügeln mehr kann als das lahme Pseudo-4-4-2 mit dem Loch rechts, das Rapid in den letzten Jahren von besserem Fußball abgehalten hat.

Das, was am Sonntag gegen Salzburg schon lange Zeit toll war (meine Abfeierung ist hier nachzulesen), klappt heute, auf schwierigerem Niveau, zumindest genauso gut.

Tolle 1. Hälfte, strategisch tough, systemisch endlich richtig und auch taktisch schlau. Rapid war vorsichtig, aber bissig.

Selbst wenn der HSV das noch umdreht - allein diese 1. Halbzeit erfüllt alles, was man/ich verlangen darf. Das ist sinnhafter Aufbau.

Und da außer den beiden Neuen (Demel und Pitroipa) maximal noch Ze Roberto sich überwindet bringt der HSV nix zusammen. Drazans Einzellistung bringt ein drittes Tor und Rapid einen wohl wirklich glorreich zu nennenden Sieg.

Haar in der Suppe: Boskovic, der sich eine sinnlose Gelbe abholt, weil er eine für einen Gegenspieler fordert. Das ist nicht nur widerlich, sondern gilt international auch als Kritik.

Superauffällig: Yasin Pehlivan. Der steht seit heute auf den deutschen Wunschzetteln. Über seinen bisherigen Verhältnissen: Kavlak, endlich (vor allem die Vorarbeit zum 2zu0). Sehr sicher: Payer, Soma und Heikkinen.
Erstaunlich selbstbewußt: Jelavic, der noch nicht ganz fitte Boskovic und vor allem Steffen Hofmann, der sich sonst, wenn Landsleute da sein, eher nicht so viel zutraut.
Und natürlich Speedy Drazan.

Der deutsche Kommentator sagt "Bitte nicht noch einen!", als es in der 91. noch eine Torszene gibt.

Step 2: Sturm Graz

Ich habe noch keine Sekunde davon gesehen - mir kommen keine Konferenzen ins Haus, das Spiel sieht sich der Festplattlinger an.

Aber: was ich nebenbei höre und lese, klingt ein bissl danach als hätte man einen Gegner auf Augenhöhe ein wenig unterschätzt. Da war der Ansatz diesmal nicht richtig. Auch wenn Dinamo Bucuresti womöglich der leichteste Gruppengegner ist. Es gab angeblich drei wegen sonstwas nicht gegebene Tore der Rumänen, nur ganz wenig von Sturm - insofern ist das 0:1 dann auch wieder gerechtfertigt; auch wenn es in der Schlußphase Ausgsleichchancen gab.

Ich these einmal: der Fehler lag nicht so sehr auf dem Platz, sondern war vorher, als Auflage in die Köpfe gepflanzt. Ein "Wir sind besser als die" ist in dieserr Gruppenphase fatal. Das hätte man, Franco Foda, eigentlich schon aus der Qualifikation mitnehmen müssen. Denn dort ist man weitergekommen, weil man sich eben nie großsourig zum Chef erklärt hatte. Bitte draus lernen.
Und ich werd das anhand der Aufzeichnung auch noch überrprüfen.

So, die Zusammenfassung zeigt dass es nicht das schlechte Wetter und der tiefe Boden war, der Sturm im Weg stand, sondern der gut eingestellte Gegner, und in allererster Linie Sturm selber.
Das war gehemmt, unnötigerweise.
Bitter wieder zurück in den Respekts- und Augenhöhe-Modus, diesen Kurzausflug in die Großmannssucht ganz schnell archivieren!

Step 3: Rasenball Salzburg

Das, was Rapid vorgezeigt hat, die kontrollierte Defensive, mit dem Konteransatz, der dann rollt, über die Flügel und ein offensiv denkendes Mittelfeld, auch offensiv agierende Verteidiger, das versucht Salzburg da, im Spätspiel, für das ich mich entschieden habe, auch zu machen.

Nur: sie können es nicht.
Huub Stevens schafft das nicht.
Er denkt, atmet und lebt Defensive.
Also: vergiß es, Salzburg, mit diesem Ansatz geht sich das nicht einmal gegen eine wirklich verheerend unmotivierte und desorganisierte Lazio Rom aus.

Also: Stevens hat Verteidger Schiemer zusätzlich ins Mittelfeld gezogen, davor sind Pokrivac und Leitgeb von den Coaching-Vorgaben, die alles der Vorsicht unterordnen, gehemmt.

Das Loch zwischen Janko und dem nächsten Akteur im zentralen Mittelfeld ist gefühlt kilometerlang.

Grademal die beiden Flügel Tchoyi-Svento bringen was nach vorne, wo Janko dermaßen isoliert ist, dass einem die Tränen kommen. Und zwar nicht, weil er so doof ist, sondern weil ihm das Trainerteam ein so doofes Konzept hinstellt.

Im übrigen ist die seelenlose Atmo in halbleeren Olympico ein Vorgeschmack auf die Spiele in Salzburg. Einziger Unterschied: die rassistischen Ausfälle der Lazio-Ultras fallen weg.

2. Halbzeit: Lazio reißt sich zusammen, spielt viermal dieselbe Aktion und scheitert knapp, ehe dann das Tor gelingt.

Danach verarschen die Laziali den Gegner womöglich: sie stellen von einem 4-4-2 (mit Offensiv-Raute) auf ein mit Salzburg fast identisches 4-5-1 um. Nur halt eines mit Seele.
Bei Salzburg hat Stevens zwei mit Defensivaufgaben überfrachtete Mittelfeld-Lakaien durch zwei andere ersetzt. Resultat: keines.

Denn es hatte keine Auswirkungen darauf, dass Schiemer ein glücklicher Heber gelingt, der zum Zufalls-Ausgleich führt.
Lernfortschritt für Salzburg an diesem Abend, trotzdem: Null.

Schuld am Spielverlauf war Lazios trapattonischer Rückzug nach der 1zu0-Führung, das Überdiezeitspielenwollen, eine Unsitte des Grauens.

Und, nein, da kann auch der glückliche Siegestreffer von Marc Janko (dem es vergönnt sei) nichts dran ändern.
Weil es in dieser Liga, in dieser Phase, nicht um Resultate oder Punkte geht, sondern ums Lernen ums Besserwerden.
Und das war, über die 90 Minuten, mit einem Gegner, der auch nicht gut war, aber deutlich weiter ist (im Kopf, und auch spielerisch), nicht zu sehen.

Step 4: Austria Wien

Im Sky-War-Room wird wieder einmal sinnentleerend über Schiedsrichter-Entscheidungen debattiert; als ob die Überlegenheit von Bilbao nicht auch sonst schlagend geworden wäre. Das läßt sich für jeden anhand der Ticker-Fakten ablesen - auch wenn ich (siehe Sturm) da nichts gesehen habe.

Nungut, die Blindheit der Medien ist ja nicht das Problem der Austria. Wenn die die richtigen Schlüsse aus dem (wohl bereits verlorenem) Spiel zieht, dann paßt es wieder.

Und das dürfte, denk ich mir nach dem Anschaun der Zusammenfassung, auch so der Fall sein. Der Elfer war zu geben, weil die Foul-Absicht schon für den Pfiff reicht, und die Überlegenheit war klar. Damit kann man, auch angesichts der Ausfälle, leben. Ich habe Lebenszeichen von Liendl gesehen und eine Mannschaft, die nie aufgab. Dranbleiben.