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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

18. 9. 2009 - 10:41

The Kings Of Comedy

Sterben, Leben, Lachen, Lieben: Mit "Funny People - Wie das Leben so spielt" zeigt sich Komödienguru Judd Apatow ernster und reifer. Peniswitze trotzdem inklusive.

Warum wird jemand Komiker? Warum will man andere mit allen Mitteln zum Lachen bringen? Was treibt Menschen dazu, sich deswegen auch schon mal zum absoluten Narren zu machen?

Judd Apatow findet in seinem neuen Film keine definitiven Antworten auf solche Fragen. Aber er lässt uns einiges erahnen. Wir hören zum Beispiel die Geschichte vom dicken jüdischen Buben, der sich freiwillig in die Rolle des Klassenkasperls begibt, um potentielle Gehässigkeiten der Mitschüler abzufedern.

Viele Komödianten, deutet Apatow an, fühlen sich in ihrer Kindheit und Jugend als Außenseiter und Sonderlinge. Und sie versuchen, mit gespielten Witzen um Attraktivität zu heischen und soziale Bonuspunkte zu erlangen.

Nun nährt sich bekanntlich die Extrovertiertheit der meisten Showbusiness-Aspiranten aus einem ähnlichen emotionalen Vakuum. Von der Leistungsgruppe Rock'n'Roll ganz zu schweigen. Aber bei prominenten und nicht so prominenten Spaßkanonen wird das nicht so gerne thematisiert. Weil es halt nicht lustig ist.

Funny People

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"Funny People - Wie das Leben so spielt" ist nun einer dieser raren Filme, die durchaus ernsthaft hinter die Fassaden des Humorgeschäfts schauen. Bis in die klaffenden Abgründe hinab. Auf seine Trademarkwitze unter der Gürtellinie mag Judd Apatow trotzdem nicht verzichten.

Diese Widersprüchlichkeit passt zu Herrn Apatow, dem in Sachen Lachen wohl niemand etwas vormachen kann. Seit Filmen wie "Anchorman", "Superbad", "Forgetting Sarah Marschall" oder "Pineapple Express" genießt der 42-jährige Produzent und Autor den Ruf eines Comedygurus.

Apatow-Filme sind derb, infantil und überdreht, aber auch gleichzeitig warmherzig und intelligent. Brachiale Blödeleien und berührende Intimitäten wechseln sich nahtlos ab, es hagelt schlüpfrige Pornojokes und bissige Alltagsbeobachtungen.

In seiner erst dritten Regiearbeit, nach "The 40-Year-Old Virgin" und "Knocked Up", geht Judd Apatow noch einen Schritt weiter. Die Melancholie, die Dunkelheit, die Tragik rücken ins Zentrum. Und das, gerade eben weil es um die Profession der Stand-Up-Comedians und Gagfabrikanten geht.

Funny People

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George Simmons ist ein ehemaliger Stand-Up-Comedian, der mit gnadenlosem Klamauk zu einem Hollywoodstar Marke Adam Sandler mutierte. Und passenderweise von Sandler himself gespielt wird.

Privat bestätigt Mr. Simmons die alte Binsenweisheit: Wenn die Funny People den Drehort oder die Bühne verlassen, friert ihr Grinsen ein. Dann regieren Stress, Frustration und brutaler Zynismus.

Als der verbitterte Clown vom Arzt erfährt, dass er in weniger als einem Jahr an einer unheilbaren Blutkrankheit sterben wird, stürzt er sich wieder ins Stand-Up-Gewerbe seiner Anfangszeiten. Rauf ins Rampenlicht, finstere Witze erzählen, dabei den nahenden Tod vergessen.

Bei einem dieser Auftritte lernt er einen jungen, patscherten Kollegen namens Ira (Seth Rogen) kennen. Und weil George Simmons keinerlei Freunde hat, macht er den Burschen zu seinem Opening Act, Assistenten, Schützling und irgendwie auch zum bezahlten Kumpanen.

Funny People

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Über 140 Minuten dauert dieses Mega-Epos zum Thema Sterben, Leben, Lachen, Lieben. In der rabenschwarzen ersten Hälfte steuert "Funny People" dabei auf ein echtes Meisterwerk zu.

Adam Sandler hat man in dieser intensiven Form erst einmal gesehen, in P.T. Andersons göttlichem "Punch-Drunk Love". Grimmig persifliert er sein eigenes Image, ihm gegenüber zeigt auch der charmante Seth Rogen ungewohnte Facetten. Jonah Hill und Jason Schwartzman als seine WG-Kollegen würden einen eigenen Film verdienen.

Leider bricht Judd Apatow exakt ab der Halbzeit mit der mitreißenden Tristesse. Er mischt die Karten neu, bringt Simmons Ex-Frau (nervig: Leslie Mann) und deren Familie ins Spiel, zweigt in Richtungen ab, die nicht so überzeugen.

Unterm Strich bleibt "Funny People - Wie das Leben so spielt" trotzdem ein Pflichtfilm. Für alle, die das Lachen als Waffe, Medizin und Therapie gegen die Härten des Lebens schätzen. Für alle komischen Melancholiker und grinsenden Neurotiker. Für Leute wie dich und mich und George Simmons.

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