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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

15. 9. 2009 - 17:11

Fußball-Journal '09-86.

Einstieg in die neue Normalität. Oder: Heiliger Platini, bitt' für uns!

Off Topic: die U18 (Jg 92) und die U16 (jg 94) proben heute, morgen und Donnerstag.

Auffällig bei der U18 (Coach Stadler), die am Mittwoch gegen die Schweiz testet: Projekt 12-Teilnehmer David Alaba ist in die U21 aufgestiegen, Lukas Rath in die U19, Christoph Knasmüllner (Bayern), Daniel Offenbacher (Salzburg) und die beiden Torleute Günther Arnberger (Austria) und Georg Blatnik (Kärnten) sind dabei, Bernhard Janeczek (Mönchengladbach) fehlt. Mit dabei wieder Patrick Farkas (Mattersburg) und Tobias Kainz (Heerenveen).

Bei den ganz Jungen (Jg 94) nominierte U16-Teamchef Thomas Janeschitz ua Kevin Friesenbichler und Marcel Sabitzer (Admira), Ex-Sturm-Bub Daniel Geissler (Heerenveen) und Alessandro Schöpf (Bayern). Es fehlt der verletzte Bayern-Spieler Christian Derflinger.

Gestern am frühen Abend hab' ich ein längeres Gespräch mit einem jungen Mann aus dem medialen Umfeld eines der vier österreichischen Vereine, die es nach Europa geschafft haben, geführt. Leute wie er, Menschen mit analytischem aber zugleich herzhaftem Zugang, sind aktuell der Grund, warum sich - zumindest bei den großen Klubs - das Management immer weniger traut, totalen Mist zu bauen und zu erzählen; weil man sich zunehmend unter Beobachtung einer neuen Generation weiß, bei der man sich nicht mehr das Blendwerk der letzten Jahre leisten kann.

So war, wenig zufällig, auch die Hoffnung auf die anstehende Gruppenphase der Europa-League unser Thema. Nicht so sehr das Spekulieren um Resultate oder Erfolge (das interessiert vor allem mich nur sehr periphär), sondern das Wahrnehmen der Chance, die sich da bietet.

Das ist nicht die Chance auf ein ewigwährendes Paradies (das ja nur sofort wieder die Gefahr des Schlendrians in sich tragen würde), sondern der Einstieg in eine europäische Normalität.

Österreichs Vereine, Fans, Umfeld und Medien müssen sich darauf, aufs Normale, erst wieder einstellen. Dass man nämlich den Herbst fast durchgehend zweimal in der Woche spielt; auf den Rhythmus Wochenmitte/Wochenende; auf eine Konzentration der Kräfte.

Was in einer großen Fußball-Nation ganz selbstverständlich ist und was auch in der europäischen Mittelklasse im Denken fix verankert ist (in der Wochenmitte spielen die großen Clubs international, am Wochenende in der nationalen Meisterschaft) hat sich nach Österreich noch nicht wirklich herumgesprochen. Ich glaube es ist den allermeisten Beteiligten noch nicht klar, was das nach sich zieht. Im Guten und im Schlechten.

Die Sache mit den TV-Live-Übertragungen

Das erkennt man schon anhand der chaotischen TV-Übertragungssituation: die Rechte für die Champions League liegen bei Sky (dem Abo-TV, das sowieso ALLE Rechte besitzt, damit aber nicht so ganz gscheit umgehen kann und beim ORF. Dort finden die Gigantenduelle statt (etwa Inter gegen Barca am Mittwoch), Österreicher sieht man hier aber nur in der Person von Dag oder Manninger.

Die Rechte für die Europa-League, für die sich die vier heimischen Vereine qualifiziert haben, liegen bei Sky (wie alles und immer) und bei der Sat1/Pro7-Group, zu der auch Puls4 gehört. Puls4 sollte ein Spiel pro Runde (also eines von vier möglichen) bekommen, das wurde aber einmal zurückgestellt. Dem Vernehmen nach wird's da nix spielen, weil das Sat1-Ö-Fenster Vorrang hat. Am Donnerstag überträgt Sat1 Rapid - HSV und zwar sowohl im deutschen Mantel als auch im österreichischen Fenster (mit unterschiedlichen Kommentatoren). Mehr ist dann nur in Kurzzusammenfassungen. Sky bietet theoretisch alle vier Ö-Spiele, da aber immer zwei zeitgleich stattfinden, fällt auch der Abo-Fan - gefühlt - um die Hälfte des Geschehens um.

Das ist an sich schon eine völlig neue Situation - durch die aktuell noch mehr als wirre und keine sieben Tage im voraus handelnde Übertragungs-Policy aber wird alles noch zusätzlich erschwert.

Das wird nicht so sehr daheim, wo man ja die lokale Crowd aktiovieren kann, ein Problem sein, sondern eher bei den Auswärtsspielen. Ausweg: Großleinwand-Übertragungen in den Heimstadien.

Es kann also aus gleich zwei Gründen zu einem Europa-League-Euphorie-Turnaround kommen: zum einen, weil sich immer zumindest zwei Fan-Gruppen (in Salzburg scheint das alles eher wurscht zu sein, dort verkauft man ja nur peinlich schleppend) untergebuttert fühlen werden und selbst die wenigen Sky-Nutzer nie das Gefühl haben werden die Spiele der Österreicher umfassend gesehen zu haben.

Da der Österreicher (und vor allem der Fußballfan-Österreicher) schnell zu einem "is-jo-eh-ollas-a-schas!"-Denken und Sprücheln neigt, ist - mäßiges Abschneiden vorausgesetzt - ein absurder Backlash denkbar.

Die Sache mit der Schere

Neben diesen kurzfristigen (und nur möglichen, nicht zwingenden) Folgen gibt es auch eine andere, schlüssigere Konsequenz aus dem heurigen Viererpackl.
Alle vier Klubs werden, für österreichische Verhältnisse, gutes Geld bekommen - nicht nur aus Eintritts- und TV-Geldern, sondern auch aus Antritts- und Punkte-Geldern. In Salzburg wird das (wie so vieles) wurscht sein, in Graz und in Wien ist das allerdings von ungeheuerer Bedeutung.
Das wiederum wird die Kluft zwischen den Top 4 und dem rest der heimischen Liga, der durch die Finger schaut, vergrößern.

Wenn sich das endlich nach langen anstrengenden Jahren durch den Verkauf des MaierHoffer-"50 Mann-Sturm" (Zitat Pacult) schuldenfreie Rapid, die endlich die letzten Stronach-Restln aus der Denkkappe schüttelnde Austria und die den Ausläufern des Kartnig-Wahnsinns so knapp entronnene Sturm-Truppe zu dem, was sie seit ein paar Monaten vordringlich betreiben, einer nachhaltigen Aufbauarbeit nämlich, bekennen, dann besteht die Chance, dass sich die vier entscheidend absetzen.

Wer nämlich seine Euro-Gewinne nicht sinnleer verschleudert und damit übliche verdächtige Konsulenten und Vermittler querfinanziert, sondern alles in die Infrastruktur und die Ausbildung steckt und somit sein Selbstverständnis als europäisch mittelklassiger Ausbildungs-Verein stärkt, ist mittelfristig saniert.

So sind letztlich auch die gesunden Ausbildungs-Strukturen in zb Frankreich oder den Niederlanden entstanden - über ein paar Vereine, die sich dergestalt im europäischen Geschäft festgesetzt haben. Auf dieser Basis machen sich die vier, fünf Top-Clubs in der Türkei, Griechenland, Portugal oder Holland regelmäßig die Meisterschaften aus und qualifizieren sich meist recht sicher für die Gruppenphasen.

Die Sache mit den Futtertrögen

Strippenzieher hinter der Europa-League und der Neustrukturierung der Qualifikation zur Champions-League ist das neue UEFA-Management rund um Michel Platini. Dessen Maßnahmen wurden zu Beginn (auch von mir) mehr als kritisch beäugt - auch weil vielerorts eine Verwässung der Europacups befürchtet wurde. Es hat jedoch alles, was angepackt wurde, gut funktioniert. Und das Ziel - die Stärkung der Mittelklasse ohne dabei die Top-Nationen zu beschädigen - wurde erreicht.

Parallelen zwischen dieser europäischen Mittelklasse und der vor Wahlen gern beschworenen Mittelschicht sind - metaphorisch gesehen - durchaus zulässig.

Wer sich die Struktur der heurigen Champions League und der neuen Europa League genau anschaut, wird zugeben müssen, dass sich die Basis nominell verbreitert hat ohne die Substanz zu schwächen.
Natürlich ist die CL weiterhin die Liga mit der Absoiluten für England, Spanien, Italien, Frankreich und Deutschland, wo dann ein paar andere auch noch mitspielen dürfen.
Dafür sind in der EL dann Holland, Rumänien Portugal oder eben Österreich die Leader, und die Top5 stellen weniger als ein Drittel der Teilnehmer
Dass Nationen wie Österreich, Israel, Tschechien, Belgien oder Bulgarien da mit mehreren Vereinen vertreten sind, ist ein wichtiger Boost für die Entwicklung in diesen Ländern.

Und genau das war der Plan, genau darauf hatte es ein ausgefeilter Qualification-Path abgesehen gehabt. CL-Playoff-Ablosern wie Salzburg, die früher dann noch durch eine Quali-Runde hätten gehen müssen - und da wegen der Negativ-Kurve meist gescheitert sind - wurde die Euro-League geschenkt. Schon mittelgut gesetzte Vereine wie die Austria hatten nur zwei Runden zu spielen und selbst Euro-Parias wie Sturm oder Rapid benötigten letztlich nur einen Kraftakt gegen einen womöglich stärkeren Gegner.

Die Sache mit dem Rhythmus

Der neue Platini-Plan hat es vielen leichter gemacht, an die Futtertröge zu kommen. Und die Österreicher haben das ausgenützt.

Wenn sie mit der Schere zurechtkommen, wenn sie sich nicht blenden lassen, und wenn sie mit ihren Fans zumindest im Stadion richtig bonden können, dann kann das ein toller internationaler Herbst werden. Und zwar egal wie und ob man punktet oder weiterkommt.

Das, was sich für die heimischen Kicker von Gegnern wie Lazio, Galatasaray, Werder oder Celtic lernen läßt, ist unbezahlbar.

Eines wäre halt noch wichtig: dass das Level an den Wochenenden nicht völlig zusammenbricht. In Ansätzen war das leider schon spürbar. Bei Salzburg, Austria und Sturm waren das nur 80%, gab es da schon die Europa-Handbremse, mit der man in die Meisterschafts-Partien ging um sich nicht auszubluten.
Das kann fatal enden.
Nicht nur weil für den geneigten Fußball-Fan dann die Liga-Performances entwertet werden (und nur noch die Begegnungen der Big 4 untereinander etwas bedeuten), sondern auch weil so ein gekünstlter Rhythmus-Wechsel die eigene Leistung beeinflußt und somit auch die internationalen Auftritt schlechter macht.

An dieser Stelle bedürfte es gewifter Mental- und Kondi-Coaches mit internationaler Erfahrung, die derlei Unsinn sofort erkennen und unterbinden.

Viele Gefahren, wenig Angst

Andere Baustellen (Nationalteam, Liga-Struktur, Nachwuchs...) sind da einmal ausgenommen.

Warum ich aktuell an diesem Punkt im österreichischen Fußball vergleichsweise geringe Befürchtungen habe, dass da viel Schlimmes passieren kann (den gerade aufgeschriebenen Hinweisen zum Trotz), hat mit dem hier in den letzten Monaten oftmals beschriebenen neuem Mut zur Nachhaltigkeit zu tun.

Wenn die Frage "Was bringt's mittelfristig?" einmal die Frage "Wer kommt weiter?" überlagert, zumindest in Kreisen des denkenden Fans, dann haben wir - zumindest im heimischen Vereins-Spitzenfußball - einen entscheidenden Schritt geschafft.