Erstellt am: 14. 9. 2009 - 10:22 Uhr
All your meme are belong to us!
moot live:
4chan.org-Gründer Christopher Poole alias moot hält heute, Montag 14.09.2009, um 21 Uhr einen Vortrag im Wiener Metalab. Der Abend ist Teil des Paraflows-Festivals.
Das Interview mit ihm gibt es heute in Connected zu hören.
Lustige Katzenfotos, die mit grammatikalisch bedenklichen Sätzen wie "I can haz cheezburger" versehen sind. Das ist das bizarre Erfolgsrezept des Internet-Phänomens lolcats, das seit 2005 durch die Blogs, Foren und Attachments der Online-Welt tourt. "Even my mother would find it funny", meint moot, auf dessen Website 4chan.org das Phänomen seinen Anfang genommen hat.
http://icanhascheezburger.com/
Meme Factory
4chan.org
4chan.org ist eine Mischung aus Imageboard und Forum, auf dem in erster Linie Bilder ausgetauscht und kommentiert werden. Die Kategorien reichen von Anime über Waffen, Comics bis hin zum großen Spektrum der Pornografie in jeder erdenklichen Ausprägung. Am beliebtesten ist das random-board, auf dem alles gepostet werden kann. Im Gegensatz zu anderen Websites wird auf 4chan nichts archiviert. Was irgendwann einmal lang genug drauf ist, verschwindet einfach.
Er war 15, als er die Website vor sechs Jahren ins Netz gestellt hat. Ein besonderes Ziel hatte er nicht. moot, der im bürgerlichen Namen Christopher Poole heißt, wollte einfach die in Japan sehr erfolgreichen Imageboards für den englischen Sprachraum adaptieren. Seitdem tummeln sich pro Monat sechs Millionen User auf 4chan.org, die täglich rund 550.000 Bilder hochladen. Die meisten davon geraten in Vergessenheit. Manche Beiträge aber (lolcats, Rickrolling, Chocolate Rain) werden solange replied, bis daraus ein Phänomen entsteht und unzählige Nachahmer findet. Und wenn ein meme erst einmal am Laufen ist, kann es niemand mehr stoppen. meme-Experte moot hat ein paar einfache Regeln, die ein Ding erfüllen muss, um digital um die Welt zu reisen: "It needs mass appeal, it can't be something cryptic, it has to be accessible to people, because if something only appeals to young nerds, then it not will become as popular and it has to come at the right time."
http://www.flickr.com/photos/remisser
Anonymous
Ein paar Memes in willkürlicher Reihenfolge:
Badger Song
Banana Phone
Loituma (Techno Version)
Sneezing Panda
Kid after dentist
Numa Numa Guy
Dramatic Lemur
Dramtic Chipmunk
Eine gute Aufarbeitung des Themas gibt es in der Southpark-Folge "Canada on Strike" (Staffel 12), die es hier (gratis und legal) anzuschauen gibt.
Außerdem haben die Memes und die dazugehörigen Protagonisten sogar schon eine eigene Konferenz mit dem sinnstiftenden Namen Roflcon.
Im Gegensatz zu vielen anderen Websites, die den Büroalltag erleichtern, gibt es auf 4chan.org weder Registrierung noch Passwörter. Die meisten User bleiben anonym. Und genau darin liegt laut moot die Stärke der Seite. Aus dem automatisch generierten Username "Anonymous" hat sich eine ganze Bewegung entwickelt, die neben der Weiterverbreitung von Memes auch zu einer suberversiv-politischen Macht geworden ist. Zu den Aktionen der Community gehören unter anderem: Das Hacken der privaten E-Mail-Adresse von Sarah Palin, ein rapider Fall der Apple-Aktien, nachdem auf 4chan das Gerücht verbreitet wurde, Steve Jobs hätte eine schwere Herzattacke gehabt und das Zuspamen von youtube mit Pornovideos, um gegen das Löschen von Musikvideos zu protestieren.
Cruise-Bashing
Den Sprung vom Heim-Computer auf die Straße hat die Anonymous-Bewegung allerdings mit dem Projekt Chanology geschafft. Im Jänner 2008 ist plötzlich ein Video mit Tom Cruise aufgetaucht, in dem er recht frei über die Macht von Scientology spricht, und wie er den Mächtigen dieser Welt ins Gewissen reden kann. Woher auch immer das Video kam, die Kirchengemeinde war alles andere als begeistert und unternahm alles mögliche, damit das Video wieder offline geht. "This pissed people off. So they organized on forums like 4chan and they showed up on a specific day worldwide and protested togehter", erzählt moot. Ein Lächeln kommt ihm über die Lippen, als er erzählt, dass bei den Protesten immer wieder 4chan-Memes geschrien wurden. Mittlerweile hat die Bewegung den offenen Krieg gegen Scientology erklärt und versucht mit allerlei Mitteln, der promifreundlichen Gesinnungsgemeinschaft zu schaden.
http://www.flickr.com/photos/anthonyk/
Ist die Anonymität erst ruiniert...
moot war lange Zeit selbst ein anonymes Mysterium. Erst 2008 hat das Wall Street Journal seinen wirklichen Namen veröffentlicht. Seitdem ist er selbst zu einem ordentlichen Celebrity geworden. Im heurigen Frühling hat ihn das Time Magazin auf die Kandidaten-Liste zur "most influential person 2009" gesetzt. Keine gute Idee. moot: "If you put the internet guy on the internet poll, it wasn't very surprising, what happened." Eigentlich eh klar, was passiert ist. Die 4chan-User programmierten automatische Wahlmaschinen, die ihren "Chef" sofort auf den ersten Platz hievten. Doch die unglaubliche Zahl von 16 Millionen Stimmen (der Zweiplatzierte hatte gerade einmal zwei Millionen) war noch nicht alles. Die Wahl wurde dahingehend manipuliert, dass die Anfangsbuchstaben der auf die Folgeplätze gewählten Personen den Satz "marble cake also the game" ergaben. "marblecake" war übrigens der IRC-Channel, auf dem der Anti-Scientology-Protest losgegangen ist.
Und wenn man einmal die einflussreichste Person der Welt ist, lässt es sich auch vor den eigenen Eltern nicht mehr verheimlichen, was man den ganzen Tag lang so treibt: "They knew I was up to something, but they didn't know, what it was. Now they know. I think they are amused by it, but they don't really understand it."
Aber immerhin finden sie lolcats lustig.