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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

12. 9. 2009 - 21:08

Journal '09: 12.9.

Just sellers, no buyers. Ein paar Gedankenbrösel zur "Austrian Music Convention".

Den Tag des Amadeus nutzte die Vertretung der heimischen Labels, AMAN, für eine kleine Convention. Man lud fünf Vertreter internationaler Show-Case-Festivals (z.B. der Kölner c/o Pop oder der französischen Printemps de Bourges) ein, um mit ihnen und der hiesigen Musikbranche die Möglichkeit zu besprechen, etwas Ähnliches auch in Österreich zu veranstalten. Da waren die Erfahrungen von Dänen, Schweizern und Estinnen, also Menschen aus vergleichbaren Märkten, durchaus wertvoll.

Man hat an diesem Tag bei den Panels und Referaten nichts erfahren, was nicht schon bekannt war. Bloß: Manchmal ist es halt wichtig, Wissen zu bündeln und zu konzentrieren, um ein Gefühl für Machbarkeiten und Problemstellungen zu finden.

So gesehen war das durchaus positive Grundgefühl, das sich am Abend, als sich die noch viel offiziellere IFPI, also die Vertretung der Majors (die bei AMAN nicht alle dabei sind, da tummelt sich der Mittelstand der kleineren, aber aktuell künstlerisch eh relevanteren Labels) endlich von der peinlichen Übrrinszenierung der letzten Jahre verabschiedet hatte und sich über Roughness rübergetraut hat, manifestierte, auch in den Stunden davor schon präsent.

Denn diese kleine Convention stieß - ohne Absprache, halt im Wissen um ein gemeinsames Grundgeühl einer branchenumfassenden Realität, die nicht mehr verweigert, sondern willkommen geheißen wird - ins selbe Horn.

Nochmal: Nirgendwo hat irgendwer ein Problem gelöst, das sich im komplexen Bereich "Musik-Kunst-Verkauf-neue Medien-Prekarismus" bewegt. Aber allein das eindeutige Ende der bislang gern betriebenen Realitätsverweigerung Einzelner ist von Bedeutung.

Just sellers, no buyers

Was braucht es, um eine sinnhafte Verwertungskette, die Musiker nicht in rein lokale Phänomene fragmentiert, sondern nationale, supranationale, im Optimalfall transkontinentale Künstler hervorzubringen, fragte der Moderator Hannes Tschürtz einen seiner Gäste. Dessen Antwort war einfach: "an audience".

Das gibt es aber in aktuell geringem Umfang.
Zum einen, weil sich derzeit "Just sellers, no buyers" herumtreiben. Und zum zweiten, weil sich das Publikum nicht mehr als solches betrachtet, sondern als Teilnehmer an einem gemeinsamen, virtuellen, riesenhaften Tausch-Markt.

Als "audience" fühlt man sich bei einem Live-Event, für den man Geld ausgibt, aber eben z.B. nicht in den neuen Medien, nicht im Netz, nicht dort, wo die Musik spielt (im doppelten Sinn).
Dort ist man Teil des Ganzen.
Nicht, weil die Interaktivität wirklich so toll wäre, nicht weil es hier Partizipation im basisdemokratischen Sinn geben würde (das kommt auch vor, spielt aber nicht die Hauptrolle), sondern weil dort ein Austausch, also eine Gratis-Mentalität herrscht. Alle Modelle, die da Uhren zurückdrehen wollen, werden scheitern müssen.

Musik als Produkt, Musik als Kulturäußerung

Conventions, Showcase-Festivals und Musikmessen sind mit beidem befasst. Auch, weil sie zunehmend (und sinnvollerweise) in den staatlichen (oder, wie z.B. in Deutschland, regionalen) Fördersystemen drinstecken, geht es mehr und mehr darum, "local talent" (die kleine Convention wurde in Englisch abgehalten, weshalb ich dort verwendete Begriffe ungern zurückübertragen möchte) nicht nur zu sichten und zu fördern, sondern zu etablieren, und zwar als Ereignis.

Interessanterweise war das, was Helen Sildna, die Veranstalterin der Tallinn-Music-Week, über das nach ihrem ersten Jahr plötzlich gestiegene Selnstbewusstsein der Locals erzählte, am Abend dann auch gleich praktisch spürbar.

Ob und wie das mit der Talent-Förderung genau geht, darüber gingen die Meinungen auseinander. Hat Philipp Schnyder, der Schweizer m4music-Festival-Checker, recht, wenn er meint, einen 30jährigen Schweizer HipHopper (Stress) nicht mehr glaubwürdig im Ausland (wo er die lokalen Credits nicht um/hinter sich hat) unterzubringen? Und wenn er all das mit der Transferpolitik bei jungen Fußballern vergleicht?

Ist Christian Hald Buhl vom dänischen Spot-Festival ernst zu nehmen, wenn er das von allen anderen beneidete Lobbying-System seiner Heimat (da gehören die wichtigen Player einem Danish Rock Council an, der ordentlich Druck macht) wieder als "auch problematisch" relativiert? Oder hat er, der nebenbei davon erzählt, dass Verträge die dänische Acts mit internationalen Majors haben, durchaus zur Erfolgsquote des Councils beitragen, da ein Luxus-problem.

Denn, wo außeralb von Nischenmärkten wie Metal oder Grufti-Doom, wo die Szenen nicht national, sondern über einzelne Labels strukturiert sind, passiert sowas etwa Österreichern?

Just export, no import

Das ist ein gemeinsames Problem der Conventions/Festivals/Messen: Sie wollen ihre Acts anderswo unterbringen, damit, "Fremdes" reinzulassen, tun sie sich wesentlich schwerer. Wenn die Großen, wie Franzosen oder Deutschen, bei ihren Festivals einen estnischen, dänischen oder österreichischen Abend machen, dann macht sich das in den Referenzen und den Sponsoren gegenüber gut - trotzdem werden diese Acts am Katzentisch, also in schlechten Slots oder kleinen Clubs versteckt.
Im Gegenzug lassen sich die Großen (und auch die ganz großen, die Engländer oder Schweden) selber nicht unterbuttern.
Da herrscht ein Ungleichgewicht.
Das mangelnde Interesse der Kleinen an anderen Kleinen muss aus den Köpfen.

Auch, weil es, so denke ich, nicht in den Köpfen der User drinsteckt. Die haben kein Problem, sich mit Acts aus Malta oder den Färöern auseinanderzusetzen - da hat "das Netz" bereits ganze Arbeit geleistet; da muss die Industrie, da müssen die offiziellen Vertreter, die noch aus der alten Denkschule kommen, schneller umdenken.

Der Country-Brand...

ist für Island ein Segen, für Österreich, vor allem Wien, ein Fluch.
Wien ist und bleibt eine der Welthauptstädte für Klassik, Punktum.

Und: In einer (durchaus nicht zu Unrecht) hypersubventionierten Hochkultur und zahllosen Festivals, die sich den prallen Kalender gerade mal so aufteilen, ist es womöglich ein hoffnungsloses Unterfangen, ein innovatives Showcase-Festival auf die Beine zu stellen. Es würde - auch medial - untergehen.

Weshalb vielleicht Linz oder Graz ein besserer Standort wären - die lokale Präsenz wäre höher, das Festival würde deutlicher bemerkt werden. Andererseits: Bei den drei, vier in Frage kommenden Kommunen gibt es überall auch genauso viele Nachteile und Einwände.

Und: Natürlich ist der Country-Brand-Faktor auch ein Helferlein. Denn ins "beeindruckend imperiale Wien (Schnyder) kommt man gerne, "sowas wie den Naschmarkt herzeigen zu können" (c/o pop-Mann Ralph Christoph) ist unbezahlbar.

Andererseits fehlt Wien, fehlt Österreich (und das ist nicht die Schuld der hiesigen Musikszene, auch nicht die ihrer Vertreter) etwas ganz Entscheidendes, was Dänen, Esten oder Schweizer in viel größerem Maße aufweisen können: Die Neugier.

Ein sich in den eigenen Sud einnähendes Kunstverständnis, eine unterschwellige Xenophobie, die lächerlichen Ängste vor dem Eindringen des "Anderen" sind nämlich kein Exklusiv-Phänomen für kulturlose Banausen, nach abgestandenem Bier riechende Nationalisten oder die Mehrheitsgesellschaft der Oldies in diesem Land - das alles ist auch im Segment der Jüngeren, der potentiellen "Buyer" zu finden. Und schlägt sich ganz banal in Zahlen wieder; die - in Geld und Aufmerksamkeit umgerechnet - dann auch eine lokale Szene reicher und größer machen können.

Die Schweiz etwa hat deutlich weniger interessantes musikalisches Talent, aber mehr Publikum und bessere Möglichkeiten - da hängt Österreich im Vergleich schief.
Weil die Basis, die Neugier fehlt.

Sich davon allerdings abhalten zu lassen, sowas (also ein Showcase-Festival, eine Leistungsschau für Locals und die europäische Musikbranche) in die Welt zu setzen, hieße, sich dem Mief beugen.
Und das darf nicht passieren.