Erstellt am: 10. 9. 2009 - 15:37 Uhr
Journal '09: 10.9.
Die Vorgeschichte zu all dem ist hier zusammengefasst.
Rafael Buchegger betreibt neben seiner HerrB-Site auch noch den Club 2-Blog, einen Watchblog zur Sendung.
Jedenfalls hat Rafael Buchegger alias Herr B. darauf mit Talking About My Generation: Das hässliche Entlein reagiert.
Talking About My Generation: Das hässliche Entlein
von HerrB 2009-09-09 – 20:51:23
In den letzten Tagen ist im österreichischen Mikrokosmos der Meinungsfreudigen ein bizarrer Diskurs über die derzeitige Generation der 20-29-jährigen entstanden.
Anlass waren die "acht Thesen" der - so viel ich weiß - 26-jährigen Autorin Meredith Haaf, die im SZ-Magazin erschienen. Darin proklamierte sie, kurzgefasst, ihre (und meine) Generation bestehe aus lauter unpolitischen, geschwätzigen und ängstlichen Praktikums-Trottel, die unfähig wären, einen vernünftigen Diskurs zu führen.
Nachdem dies von "FM4-Oldie" Martin Blumenau aufgegriffen wurde, sind jetzt nun natürlich alle Sub-30er ur beleidigt, wie etwa dieser oder jene hier, und empören sich über das voll ungerechte Jungerwachsenen-Bashing.
Nun neigt der (westliche) Mensch bekanntlich dazu, dispositionale Kausalitäten zu überschätzen und situative Faktoren auszublenden [1], und ich will diesen Fehler hier nicht auch noch machen. Natürlich gab es Konformität schon immer [2], bloß begünstigte dies vor 30 Jahren eben linke Weltanschauungen, während es heute der konservativen Denke zugute kommt.
Ja, wir sind - verglichen mit vorangegangen Generationen - eine Backlash-Sippe, das glaube ich auch. Allerdings ist das so erstaunlich auch wieder nicht. Wie der politische Zeitgeist weht, folgt immer gewissen Zyklen - und "konservativ liegt voll im Trend", wie es in einer Werbung so schön heißt. Auch wenn mich das nicht freut: Zum Vorwurf kann man es trotzdem niemanden machen, solange man die äußeren Umstände nicht betrachtet:
Backlash-Sippe
In einer Zeit, in der die Jobs noch sprichwörtlich auf der Straße lagen, hatte man schlicht mehr Ressourcen, um sich politisch weiterzuentwickeln, als heute, wo man sich von Praktikum zu Praktikum kämpfen muss, um endlich in den Genuss einer Sozialversicherung zu kommen. Das ist kein Klischee, ich könnte durchaus zur Genüge Beispiele aus dem persönlichen Umfeld nennen. Der Vorwurf des Praktikum-Trottels ist daher nichts anderes als eine perfide Umkehr von Ursache und Wirkung.
Überhaupt ist die Diskussion so allgemein gehalten, dass sich jeder weitere Kommentar erübrigt. Allerdings präzisierte Martin Blumenau am 9.9. die Kritik - und hier wirds erst interessant:
Dass die Reaktion auf die Haaf-Thesen (die immerhin im SZ-Magazin wochenlang für alle lesbar erschienen sind) in Österreich erst dann daherkommt, wenn ich das thematisiere, dann ist das durchaus ein Armutszeugnis. Und zwar für mangelnde Selbstreflexion; einer Journalisten-Generation.
[...]
Das zentrale Problem hat Frau Brodnig durchaus richtig zusammengefaßt: "Tatsächlich sind viele Ältere genauso dämlich wie wir, nur reden sie klüger daher."
Stimmt total.
Meine Konsequenz wäre a) sich weniger dämlich anstellen (zb weniger oberflächliche Rezeption) und b) klüger daherreden.
Ob eine beleidigte Replik allein das schafft, möchte ich bezweifeln.
Eine sinnhafte analytische Auseinandersetzung, die sich nicht darin genügt es jetzt einem bösen Typen ordentlich gesagt zu haben und sich dann wieder im Ablenkungs-Alltag verliert, sondern tiefer bohrt - das wäre klug.
Wüst und leer
Dieser Journalismus-Kritik kann ich nur beipflichten, wiewohl natürlich auch (bzw. gerade) hier situative Komponenten - sprich: ökonomische Zwänge -, besonders schlagend werden [3]. Die Folgen dieser Diskursunfähigkeit sind jedoch fatal.
So hat Österreich seit Jahrzehnten ein Problem mit rechtspopulistischen Parteien. Deren derzeitiger Spitzenrepräsentant, ein farbloser kettenrauchender Zahntechniker, ist ein politisches Leichtgewicht. Trotzdem verlaufen Interviews mit ihm meistens so ab:
Journalist: Sie sind aber wirklich ganz schön rechtsextrem!
Strache: Nein, bin ich nicht.
Journalist: Mist, mit dieser Antwort habe ich jetzt nicht gerechnet...
Statt ihn (wenigstens gelegentlich) thematisch in andere Gefilde zu locken, ihn festzunageln und in Widersprüche zu verwickeln, darf er sich dank der ewig-gleichen nebulos gehaltenen Hauptschul-Fragen stets in seinem Lieblingsthema suhlen und sich unwidersprochen als armes Opfer der Mächtigen stilisieren. Und der einzige Interviewer, der das besser kann, droht der österreichischen Innennpolitik-Berichterstattung langsam aber sicher in die Überqualifikation abzudriften. Ansonsten: Wüst und leer.
Die Unfähigkeit zu argumentieren, ist in der Alpenrepublik zwar ein ubiquitär anzutreffendes Phänomen, aber erst im Journalismus wird sie zu einem virulenten Problem. In einem Land, in dem dem Feuilleton nicht mehr Platz als einer SMS eingeräumt wird, soll das rhetorische Vakuum auch nicht weiter verwundern. Alleine die Tatsache, dass die Homepage eines Radiosenders Martin Blumenaus - der ja durchaus fundiert zu argumentieren vermag - Primär-Medium ist, spricht bereits Bände. Doch wer nichts anderes kennt als den hier sonst so gelebten "Standard", bei dem reicht es eben nicht für mehr, als im Brustton der Überzeugung das Selbstverständliche zu unterstreichen.
SMS-Feuilleton
Meiner (Journalisten)Generation würde ich nur insofern einen Vorwurf machen, als dass sie viel zu sehr im innerösterreichischen Diskurs verhaftet zu sein scheint. Also denken wohl viele, es handle sich tatsächlich um ernsthafte Debatten-Beiträge, wenn sie von Lachsora und dem Heft mit dem roten Rahmen ihre Vorurteile bestätigt bekommen. Hier "Onkel Hans", dort "Wir-sind-Wir-Gefühl", da "populistisch" - schon ist sie fertig, die österreichische Innenpolitik-"Analyse"!
Hilfe, die Welt will was von uns.
Journal '09: 31.8.Die Generation 20-29 läuft Gefahr, ihre Welt zu veröden.
Über meine und andere Generationen sprechen.
Für Wissenschaftler, im insbesonderen Naturwissenschaftler, den wohl genuinsten Repräsentanten der Aufklärung, ist in der österreichischen Debatte natürlich ohnehin kein Platz. Ausgiebig aber wird die wohl skurrilste Form der Obrigkeitshörigkeit zelebriert, indem sich die Journaille an die Lippen von echten und angeblichen Künstlern heftet. Wie der Künstler die Lage der Nation er-empfindet, muss ja geradezu von gottgegebener Richtigkeit sein, sonst wäre er ja kein Künstler, scheint die sich selbst rechtfertigende Logik zu lauten.
Und was hat das mit meiner Generation zu tun? Natürlich nichts. Denn ihr Problem ist nicht das mangelnder oder abzulehnender Werte selbst, sondern dass ihr das Werkzeug fehlt, diese Ebene fortgeschrittener Abstraktion überhaupt erfassen zu können.
[1] Vgl. dazu etwa Ross, L. / Amabile, T. / Steinmetz, J. (1977), Menon, T. et al. (1999)
[2] Vgl. Asch (1951)
[3] Vgl. Nick Davies (2008): Flat Earth News