Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Riechende Graffiti und Internet Memes"

Burstup

Physische Welt, virtuelle Realität. Politik und Kultur.

10. 9. 2009 - 15:14

Riechende Graffiti und Internet Memes

Paraflows, das Festival für digitale Kunst und Kulturen, eröffnet heute in Wien.

Zehn Tage lang gibt viel zu sehen, zu hören und - zu riechen. "Smell Graffiti" heißt das Projekt des Berliners Mitchell Heinrich. Sein Ziel: Den öffentlichen Raum mit Düften zu "hacken". "Graffiti ist müde geworden", heißt es in Heinrichs Beschreibung zu Smell Graffiti. "Auch nach unzähligen Iterationen betreffend Stil und Medium ist es noch nicht gelungen, Graffiti von seinem visuellen Charakter zu befreien." Jetzt also der Duft, zum Beispiel von frisch geschnittenem Gras, auf der Mauer. Bevor es an die Praxis geht, hält Mitchell Heinrich auch einen Vortrag zum Thema. Proberiechen kann man auch in einem der Container am Karlsplatz, die heuer das Zentrum des Paraflows-Festivals bilden.

Burstup

Zutaten für Duftgraffiti

Die zweistöckige Container-Installation selbst rückt das Thema "Urban Hacking" in den Mittelpunkt: Auf dem Karlsplatz, einem der am besten überwachten Plätze Österreichs, steht die Konstruktion, allerdings niedriger als ursprünglich geplant - die Stadt Wien machte sich Sorgen um die "visuelle Achse zwischen Künstlerhaus und Karlskirche".

Katrin Draxl

Auf dem Dach der Containerinstallation

Nichts zu sehen ist dagegen von der Künstlergruppe tat-ort, die sich für 10 Tage zu je 24 Stunden in einem der Container einquartiert hat: Die Gruppe lässt keine Besucher hinein, überträgt dafür alle Geräusche, die sie erzeugt, nach draußen: Sechs Mikrophone (an Schreibtisch, bei den Betten, bei der Kochecke usw.) senden die Sounds an sechs Lautsrecherboxen in den Bäumen des Resselparks. Selbst auferlegter Lauschangriff am Karlsplatz.

Ein historisches Beispiel von "Urban Hacking" ist für Paraflows-Leiter Günter Friesinger die Geschichte des Piratenradios in Österreich. Anfang der Neunziger Jahre führten zahlreiche illegale Radiosender in Österreich (Radio Hotzenplotz, Radio TU und viele mehr) zu immer stärkerem gesellschaftlichen Druck, das Rundfunkmonopol abzuschaffen. In einem Container am Karlsplatz sind archivierte Sendungen dieser legendären Zeit zu hören. Thema eines Vortrages von Thomas Thurner ist der Kampf um die zivilgesellschaftliche Mediennutzung - Titel des Vortrages ist ein Zitat des ehemaligen Postgenerals Josef Sindelka: "Das gefährliche im Äther ist, wenn jemand sendet."

Burstup

Skulptur von Rich White

Vorträge gibt es auch von Gästen aus den USA, zum Beispiel vom legendären Internet-Künstler Moot: Er ist Gründer der Website 4chan und war an vielen Internet-Phänomenen der letzten Jahre beteiligt, z.B. den LOLcats oder dem Rickrolling. Thema von Moots Vortrag: "How to create an internet meme."

Ähnliches gibt auch der Imporvisationskünstler Charlie Todd zum Besten. Für ihn ist "Urban Hacking" das Spielen von Pranks in der Öffentlichkeit.

Katrin Draxl

Von links nach rechts: Charlie Todd, Cody Lindquist, Bonni Rambatan, Mitchell Heinrich, Moot. Vorne: Johannes Grenzfurthner

"The Medium Is The Mess-Up: Guerilla Communications" heißt ein Vortrag von Johannes Grenzfurthner. Außerdem wird er das Projekt "Public Avatar" des Medienkünstelrs Martin Bricelj tatkräftig unterstützen: Die Beziehungen in virtueller Realität und die Wahrnehmung unserer selbst werden erforscht, Grenzen zwischen Selbst und Anderem, Realität und Simulation neu definiert. Herr Grenzfurthner wird dabei als lebender Avatar dienen, den User übers Internet steuern können.
Der deutsche Künstler Sebastian Neitsch zeigt seine Installation "Kunstrasen", bei der er mit Hilfe eines Roboters und eines Laptops jede beliebige Vektorgrafik in öffentliche Wiesen und Parks zeichnen kann. Der Roboter ist so klein, dass er in jeden Rucksack passt.

Katrin Draxl

Kunstrasenroboter von Sebastian Neitsch

Paraflows - Festival für digitale Kunst und Kulturen

  • Eröffnung am Donnerstag, 10. September um 19 Uhr in der Containerinstallation, Karlsplatz/Resselpark.

Das vollständige Programm zu Paraflows 09 gibt es auf der Website des Festivals. Es gibt viel mehr zu erleben in den nächsten zehn Tagen. Leicht ist es wohl nicht, aus dem Schatten der Ars Electronica hervorzutreten, die immerhin das weltweit größte Festival für digitale Kunst ist. Mit dem diesjährigen Programm, vor allem aber mit der mutigen und lange notwendigen Wahl des Themas "Urban Hacking" positioniert sich Paraflows allerdings so stark wie nie zuvor.