Erstellt am: 10. 9. 2009 - 07:00 Uhr
Ruhe unsanft
Was sagt einem das jetzt, dass seit geraumer Zeit ein Film die amerikanischen Kinocharts anführt, in dem es ganz unverhüllt nur um das Eine geht? Ums Sterben nämlich, in allen erdenklichen Varianten.
Bevor jemand Analysen über die zunehmende Verrohung und die aktuelle Ära des gnadenlosen Voyeurismus auffährt, eine kleine Entwarnung.
Im Grunde schließt "Final Destination 4" nur an die älteste aller Leinwand-Traditionen an, an eine Zeit, in der pure Schaulust regierte und die Cinematographie ihre Nähe zum Jahrmarkt, der Freakshow und dem Gruselkabinett nicht leugnen konnte.
Dabei wirkte der erste Teil dieser jugendorientierten Schocker-Serie anno 2000 noch beinahe originell und hob sich von der damals üblichen Highschool-Horror-Dutzendware ab. Das X-Files-affine Duo Glen Morgan und James Wong erzählte die Geschichte eines Schülers, der einen Flugzeugabsturz vorhersieht und so eine Gruppe Freunde vor dem Tod bewahrt. Allerdings ereignen sich bald bizarre Unfälle, die sämtliche Überlebenden dahinraffen.
New Line Cinema
Nach dem selben Muster entstehen zwei weitere erfolgreiche und immer berechenbarere Sequels. Im zweiten Teil kommt es zu einer gigantischen Autobahn-Kollision, im dritten Streich entgleist eine Achterbahn. Immer gefinkeltere Methoden denken sich die Drehbuchautoren aus, um ihr Personal spektakulär zu dezimieren.
Der vierte Teil der fröhlich ungustiösen Reihe, der im Original auf den schlichten Titel "The Final Destination" hört, folgt exakt den bisherigen Grundmustern. Genreprofi David R. Ellis, dem wir zum Beispiel konzeptuellen Edeltrash wie "Snakes On A Plane" verdanken, serviert zum Einstieg ein Desaster auf einer Autorennstrecke, dem ein Haufen Teenager nur knapp entgeht.
Aber der Sensenmann gibt sich nicht geschlagen. Nach und nach werden immer mehr Überlebende auf spektakuläre Weise dezimiert, der verbliebene Rest wehrt sich verzweifelt gegen das unerbittliche Schicksal.
Noch nie war die eigentliche Story so nebensächlich wie in diesem weiteren blutigen Aufguss. Dafür gibt es neuerdings den 3-D-Bonus: Dank lustiger Effekte sitzen wir mitten drinnen, wenn schwere Betonblöcke auf unschuldige junge Menschen krachen, Autos auf Passanten donnern und Körperteile durch die Luft fliegen.
Der Kinosaal als Prater-Ersatz: Wer Lust auf einen passable Splatter-Achterbahnfahrt hat, darf ausnahmsweise sein Gehirn an der Kassa abgeben und sich ganz vorne in die ersten Reihen setzen. Auf zwei Dimensionen und eventuell sogar einen Computermonitor reduziert, bleibt von diesem Fließband-Spektakel jedenfalls wenig übrig.
New Line Cinema
Mehr Unfälle, mehr Leichen, mehr Blutspritzer, aber ganz anderer Film.
Auch wenn die Puristenkritiker nicht aufhören zu raunzen, gelingen dem amerikanischen Independent-Kino immer wieder charmante Gradwanderungen zwischen Hirn und Herz, Kunst und Kommerz. Ich denke an Juwelen wie "Thumbsucker", " The Squid & The Whale" oder "Little Miss Sunshine".
Die Produzenten des letzteren kleinen Meisterwerks zeichnen auch für eine Tragikomödie verantwortlich, die 2008 beim Sundance-Festival für den Grand Jury Prize nominiert war und jetzt bei uns angelaufen ist.
"Sunshine Cleaning", so heißt dieser Film und so nennt Hauptfigur Rose Lorkowski ihre neue kleinstädtische Reinigungsfirma. Vorbei sind die Zeiten, als sich die alleinstehende Mutter als schlecht bezahlte Putzfrau durchschlagen musste. Jetzt ist Rose selbstständig und kassiert zusammen mit ihrer Schwester Norah anständige Honorare.
Die Sache hat nur einen Haken. Die beiden Frauen haben sich auf das Reinigen von Tatorten von Verbrechen spezialisiert. Da klebt überall Hirnmasse, es riecht nach Fäulnis und Verwesung.
Luna Film
Tragische, existentielle Themen in leichtfüßige, bisweilen glückseligmachende Komödien umzuwandeln, das ist eine der großen Stärken der erwähnten Filme wie "Little Miss Sunshine".
"Sunshine Cleaning" kann hier leider nicht so wirklich anschließen. Irgendwie findet Regisseurin Christine Jeffs nur selten den richtigen Tonfall für ihre Auseinandersetzung mit dem Sterben und der Vergänglichkeit.
Auch wenn man in einigen Szenen den Gestank förmlich riecht, auch wenn die Grundidee großartig ist, auch wenn Amy Adams und vor allem Emily Blunt wunderbar spielen, auch wenn der große alte Alan Arkin mit der Partie ist, auch wenn einige Dialoge wirklich zünden und der triste US-Mittelwesten immer einen guten Schauplatz abgibt - am Ende wirkt "Sunshine Cleaning" zu harmlos, zu nett, zu liebenswürdig.
Luna Film