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Felix Knoke Berlin

Verwirrungen zwischen Langeweile und Nerdstuff

9. 9. 2009 - 11:26

Das "Internet-Manifest": Nachricht an Papa

Ein Internet-Manifest der deutschen "Blogger-Elite" soll den Forderungen der deutschen Verleger eine Netz-Perspektive entgegensetzen - und argumentiert verlogen.

Mit siebzehn Thesen eines "Internet-Manifestes" wollte eine kleine Gruppe deutscher Blogger, Journalisten und Medienunternehmern "der Debatte über den “Untergang des sogenannten Qualitätsjournalismus” und der latenten Internetfeindlichkeit in vielen Medien ein zeitgenössisches Manifest entgegen setzen".

Doch das anfängliche Selbstbewusstsein, mit dem das "Manifest" wohl geplant, geschrieben und veröffentlicht wurde, wird wohl pünktlich zur Veröffentlichung am 7. September um 11:55 Uhr der Einsicht gewichen sein, dass man hier nicht etwa den deutschen Verlegern und ihren Forderungen in der "Hamburger Erklärung" und dem "Heidelberger Appell" und der deutschen Medienpolitik etwas entgegensetzen und der deutschen Blogosphäre eine solide Basis, ein neues Selbstverständnis und Selbstwertgefühl geben kann, sondern dass die allenfalls lauwarmen Thesen, Behauptungen und als Perspektiven getarnte Hoffnungen wohl eher als Zeugnis der eigenen Hybris gedeutet werden.

Peinlicher Jungsclub

Nichts illustriert das besser als das – erst nachträglich eingerichtete – Wiki, mit Hilfe dessen "jeder" am Manifest mitarbeiten sollte. Das wurde Stunden nach seiner Öffnung "aufgrund von Vandalismus" wieder geschlossen. Kurz prangte dort eine Krautchan-Fotomontage, auf der sich fünf der Erstunterzeichner gegenseitig einen runterholen. Der Jungsclub (von den 15 Erstunterzeichnern sind nur zwei Frauen), der sich als Avantgarde geriert und doch nur den eigenen Lulu beschwört. In diesem Licht erscheint das "Internet-Manifest" als bloße Peinlichkeit.

@netzpolitik.org

Manifest-Wiki, von mir verrauscht

Diese Kritik an der Eitelkeit geht am entscheidenen Punkt vorbei: Das Internet-Manifest ist das Eingeständnis als Internet-Avantgarde gescheitert zu sein. Das Manifest versucht das Lied vom Aufbruch zu singen, ist aber im Kern sowohl reaktionär als auch ökonomistisch. Das Manifest – geschrieben von Medienprofis, Unternehmern – ist die Aufforderungen sich (natürlich in vernünftigen Grenzen) dem Markt zu unterwerfen, Märkte zu schaffen und in Märkten zu denken: "Das Internet ist ein Medienimperium in der Jackentasche."

In solchen Sätzen entblößt sich die Herrschaftsphantasie der Manifest-Autoren, die einen Geldesel im Hinterhof wähnen, den aber niemand sehen will. Dass dieser Geldesel aber in Wirklichkeit all die – im Gegensatz zu den "Alpha-Journalisten" unbezahlten Blogger, Wikibeiträger und Netzkommentatoren – sind, die mit den Karotten "Freiheit", "Partizipation" und "Journalismus" vor den eigenen Alpha-Karren gespannt werden sollen, sagen sie nicht. Dafür: "Die Zeit eines Lesers, Zuschauers oder Zuhörers hat einen Wert."

Das Manifest eröffnet keine Utopie, keine Alternative – auch wenn es noch so sehr betont "Das Internet ist anders." Vielmehr fordert es jämmerlich das Internet als neuen Markt an die etablierten Märkte anzuschließen, neue Verteilungs– und Herrschaftssysteme herauszubilden und – verdammt nochmal – endlich mal ordentlich bezahlt zu werden. Kein Wunder, dass dieser Gestus als Versuch erscheint dem eigenen, scheiternden Treiben einen spießigen Glanz von Erfolg zu verleihen: Schau, Papa, ich bin doch ein anständiger Arbeitnehmer geworden.

Verwertbarkeit statt Befreiung

Reaktionär ist das Manifest auch, weil sich die Autoren nicht um die Befreiung der Autoren und Konsumenten von ihren Rollen und der dahinter liegenden Verwertungslogik scheren, sondern deren Rollen an die "technologischen Realität anpassen", sie besser verwertbar machen wollen.

Ähnliche Gedanken finden sich schon in dem grässlichen Buch "Wir nennen es Arbeit", das einer der Erstunterzeichner, Sascha Lobo, zusammen mit "Volkswirt und Journalist" Holm Friebe, geschrieben hat. Darin wurden schon Ausbeutungsmechanismen als Freiheiten umdeklariert – jedoch noch aus der Perspektive der Selbstermächtigung.

Das aktuelle Manifest braucht den Medienarbeiter und den Konsumenten als letztendliche Einheit da schon lange nicht mehr: Es teilt auf in Journalisten und Rezipienten, in Verdiener und Bezahler – und verhöhnt das früher oft von "Netz-Vorreitern" eingeforderte Ende dieser Unterscheidung: "Das Internet macht es möglich, direkt mit den Menschen zu kommunizieren, die man einst Leser, Zuhörer oder Zuschauer nannte – und ihr Wissen zu nutzen." Journalismus ist in diesem Bild Produkt, Methode, Geschäftsmodell; das Manifest nur eine Werbebroschüre.

Weil ihr einverstanden seid

Dass sich "das Schreiben an Verlagsleiter und Print-Redakteure, Politiker, Wirtschafts- und Verbandsvertreter oder anders gesagt: an Offliner und Internet-Ausdrucker" und nicht etwa an "die Onliner" richtet, wie Maik Söhler in der Netzzeitung schreibt, verstärkt diesen Eindruck nur. Hier geht es nicht um eine Befreiung, sondern um die Urbarmachung eines Feldes, vor dem oben genannte angeblich zurückschrecken. Eingerechnet das Einverständnis aller Beitragenden.

Kaum verwunderlich, dass die das Angebot torpedieren, kollaborativ das müde Empfehlungsschreiben zu verbessern, mit dem sich ihre selbsternannten Fürsprecher ganz im eigenen Interesse an die Macher der Außenwelt wenden.