Erstellt am: 9. 9. 2009 - 18:48 Uhr
Japanese Rooms
Wir denken an japanische Wohnungen und sehen vor uns ...?
Ja, was denn?
Bambus?
Spielkonsolen?
Hello Kitty Schnickschnack?
Muji Highlights?
Wir denken an japanische Wohnungen und sehen vor uns etwa das:
Ingmar Thies
Ingmar Thies
Ingmar Thies
Der Fotograf und Grafiker Sven Ingmar Thies ist 1996 für zwei Jahre nach Tokyo gezogen. Damals ist er mit nur zwei Koffern nach Japan gereist und hat sich gefragt, was Japaner mitnehmen, wenn sie ins Ausland gehen. Gibt es Dinge, die typisch sind? Und leben sie im Ausland anders als in Tokyo? Also hat er in über zehn Jahren Japaner in Tokyo und im Ausland besucht – in Shanghai, New York, Berlin und Wien. Und hat sie fotografiert.
Japanische Wohnungen zu fotografieren ist schon allein deswegen schwierig, weil man gar nicht so leicht in japanische Wohnungen kommt, erzählt Ingmar. "Es ist ganz unüblich, in Japan in private Zimmer, Räume oder Wohnungen eingeladen zu werden. Es ist nicht so, dass man sagt, komm mal auf einen Kaffee vorbei oder wir kochen zusammen, sondern es ist eine richtige Privatsphäre, wenn nicht sogar Intimsphäre. Diese zu durchbrechen und ganz neugierig reinzuschauen, das war mein Ziel."
Ingmar Thies
Sven Ingmar Thies hat versucht, typische Alltagssituationen festzuhalten. Die Personen sollten sich in dem Raum befinden, in dem sie tatsächlich die meiste Zeit verbringen und ihren üblichen Beschäftigungen nachgehen. So wirken die Bilder keineswegs inszeniert, sie sind auch gar nicht eigens ausgeleuchtet, sondern haben eine angenehme Natürlichkeit. Schwarz-weiß, unspektakulär, ruhig.
Mal abgesehen von dem scheinbaren Chaos, das in manchen Räumen herrscht. Bemerkenswert, was da teilweise auf engstem Raum gestapelt und geschichtet wird. Bei den Mietpreisen in Tokyo allerdings nicht weiter verwunderlich.
Wenn dann aber Raum vorhanden sei, erklärt Ingmar, würde damit ganz anders umgegangen. Etwa mit den Wänden: "Ich hab das Gefühl, sie hängen ganz wenig an die Wände. Das liegt dran, dass in japanischen Mietverträgen oft vorgeschrieben wird, dass man auf keinen Fall etwas an oder in die Wand nageln darf, also die Wand nicht verletzen darf." Dadurch würden große Räume ohne Wandschmuck entstehen.
Ingmar Thies
Ingmar Thies
Ingmar Thies
Auffallend auch der Umgang mit Fenstern und Licht. Fenster seien nicht zum rein- oder rausschauen gedacht und würden auch tagsüber oft verhängt, wenn sie nicht ohnehin aus Milchglas seien. Statt Tageslicht also künstliches Licht, statt Glühbirnen Neonleuchten.
"Das, was wir als kühl und unangenehm empfinden, ist in der Wahrnehmung des Japaners anders. Also die haben wirklich oft eine zentrale Leuchte, unter der sie dann Kaffee trinken, lesen oder träumen."
Ingmar Thies
Beim Durchblättern des Buches fühlt man sich mehr als stiller, höflicher Gast, denn als nerviger Voyeur.
Klare Antworten auf typisch japanische Wohnstile erhält man durch dieses Buch nicht. Aber vielzählige Eindrücke.
Die kann man im Museum für Völkerkunde noch vertiefen. Im Rahmen von Made in Japan werden dort in der Ausstellung "Japanese Rooms" noch bis 28. September gut 60 dieser Fotos gezeigt.
Ansonsten empfiehlt sich JapanliebhaberInnen das mittlerweile mehrfach ausgezeichnete Buch "Japanese Rooms" von Ingmar Thies.
Sven Ingmar Thies: "Japanese Rooms", erschienen im Verlag Schwarzerfreitag Berlin
192 Seiten, 29,7 x 19,8 cm
ein Projekt von Kaitenart
Ingmar Thies