Erstellt am: 7. 9. 2009 - 17:09 Uhr
Journal '09: 7.9.
Es gibt Sonntage, da bleibt sie im Sackerl.
Die gestrige Presse am Sonntag zur Hand zu nehmen war jedoch aus gleich zwei Gründen (eine Veröffentlichung und eine zufällig im Zimmerservice gelandete gemeinsame Kolumne) Pflicht.
Weshalb mir dabei dann das, was die alten Printmedien "Leitartikel" nennen, ganz zwangsläufig unter die Augen gekommen ist; um mich in der Folge aus zwei Gründen durchaus zu amüsieren.
Es ist mir seit Jahren nicht mehr gegeben, mich über kampagnenhaft wirkende gesellschaftspolitische Bekenntnisse zu ärgern, weil ihr Hintergrund die oft nur notdürftig verkleideten Zeilen davor eh meist deutlich überlagert. Deswegen war mir auch der hatscherte Vergleich den Michael Fleischhacker zwischen einer gesellschaftlichen Errungenschaft (der Frage von Kind + Karriere bei Frauen im öffentlichen Leben) und einer privaten und geschmäcklerischen Positions-Frage in einer sich mit sich selber fadisierenden Hochkultur (nämlich wo denn der neue Direktor einzuordnen wäre) zieht, ebenso keine Emotion wert wie das höchst überflüssige Bandwagoning angesichts der kürzlich aufgeflammten Abtreibungs-Diskussion.
Meine Überraschung wäre größer gewesen, wenn sich der Leitartikler dem, was von der Koalition aus Wirtschaft, gesellschaftlichen Konservierern und Bürgerlichen (also den Besitzern und Einflussnehmern der Zeitung) als "wichtig" empfunden wird, entzogen hätte.
Von Film-Heinis und anderen nichtdenkenkönnenden Linken
Viel witziger ist die - ebenso wie der Vergleich zwischen "zu kurzer Baybpause" der Grünen-Chefin und dem "sich mutig als nicht links" bekenndenden neuen Burgtheater-Direktors - an durchaus dünnem Haar herbeigezogene Diskussion über das angeblich öffentliche diskutierte Standing von Matthias Hartmann.
Denn, ehrlich: interessiert das irgendjemanden? Wo der neue Burgtheater-Chef von sonstwem verortet wird? Oder wo er nach eigenem Bekunden steht?
Und: Wer diskutiert das? Und wo?
Anhand dieser - eher künstlichen - Fragestellung, die mit einem - eher windschiefen - Vergleich veredelt wird, zieht Fleischhacker einen Begriff hervor, der mich dann wirklich staunen gemacht hat.
Nicht der des "linken Filmheini" (Hat der keinen Namen? Und: was wäre das dann bitteschön, ein "linker" Film? Die Fälscher? Die Klavierspielerin? Lourdes?), sondern der der/des "Linken" an sich, der sich so laut bemerkbar mache in der Welt, die Fleischhacker wahrnimmt, also der realen, wirklich wichtigen Welt der Machtvollen.
Das ist ein hübsches Feindbild, wie das des "Ausländers" für den Rechtspopulisten, das des "Exil-Juden" für den FPÖ-Wahlkämpfer oder das des Ungläubigen für den Radikal-Islamisten - aber genauso wie diese ausschließlich für propagandistische Zwecke herangezogenen Begriffe kann es sich nicht so recht entscheiden ob es eine pure Erfindung (wie die des "Exil-Jude") oder ein reines Konstrukt ist.
Genau diese Frage hat mich in der Folge interessiert.
Was also ist - laut Fleischhackers Leitartikel - dieses linke Denken (besser: Nicht-Denken) und wo findet es statt?
Ich kann es nämlich nicht öffentlich wahrnehmen, ich hab' mich bemüht, aber ich kann es nicht finden.
Wo verstecken sie sich, diese definitionsmächtigen Linken?
In den politischen Parteien?
Wo sind die linken Kultur-Vorredner und -Denker der relevantesten "linken" Kraft, der SPÖ unter denen, die - auch von der "Presse", und das zurecht - als kulturlose und kühle Pragmatiker der Macht benannt werden, auszumachen? Oder denkt man da an Harald Krassnitzer und den hochpragmatischen Wiener Kulturstadtrat? Oder wen?
Wo sieht es mit den Grünen aus? Kann da jemand aus dem Stand den Kultursprecher nennen (mit dem richtigen Vornamen bitte!)? Gibt es einen relevanten Künstler/Akteur, der "grün"-punziert wäre? Oder wie?
Sorry, aber da ist niemand. Vor allem keiner, der dem Fleischhackerschen Diktum des Linken entsprechen würde.
In der Legislative fiele einem allenfalls der Alt-Sekretär Morak ein, der Mann übrigens, der den aktuellen Burgtheater-Direktor im Alleingang bestellt hat, ein.
Und überhaupt, die Staats-Künstler, die sind doch immer "links", oder? Nun, zum einen sind die allermeister dauerstumm, und zum anderen ist die "Künstler = Links"-Gleichungs auch nur eine Mär. Das, was etwa unlängst Daniel Kehlmann vom Stapel gelassen hat, liegt viel näher an der Wahrheit. Die etwa durch das gestrige Kurier-Interview von Thomas Glavinic noch dick untermauert wird.
In den machtvollen Seiten-, Neben- und Hinterregierungen? In Kammern, Kassen, Banken, in Exekutive oder Judiaktur? Zitable linke Kultur-Redner oder -Denker? Nicht ernsthaft, oder?
Nicht in der Öffentlichkeit, vielleicht in den Medien?
Bliebe also die vierte Gewalt, die Medien, als Hort der "Linken".
Die populistischen Tages/Wochenzeitungen sind entweder stramm kulturfeindlich bis hin zur Linkenfresserei oder dem jeweiligen Wind hinterherhechelnd, die Qualitätsblätter befinden sich in Besitz konservativer Pressverlage, der Kirche, der Raika oder der Industriellenvereinigung, die einzige lachsfarbene Ausnahme ist sehr von der Kreditgebarung abhängig und hat zudem eine durchaus bürgerliche Grundanmutung, was die Hochkultur betrifft.
Das gilt auch für das vormalige mediale Korrektiv "Profil". Und auch für den vergleichsweise zwergenhaften Falter, der wegen seiner andersartigen Herangehensweise ein scharfes (Profil) hat - aber auch hier war das Hartmann-Vorab-Portrait sanft und interessemachend.
Wie auch das Special des ORF-Kulturmontags, der die Hochkultur ohnehin wie rohe Eier transportiert. Was die neue atv-Kultursendung zu Hartmann zu melden hatte, kann ich mir angesichts der Zugangs-Verstaubtheit auch vorstellen.
Und in der noblen Berichterstattung von Ö1 kann ich auch nichts Linkes finden.
Wo wären also hier, im Medien-Mainstream, die Linken?
Falter-Redakteur Kralicek, der in der ORF-Feiersendung für den Faust, ausgewogene Worte fand? Der lobende Standard-Pohl? Oder wer?
Fakt ist - es gibt sie nicht.
In einem eh kaum existenten österreichischen Kultur-Diskurs gibt es keine "linken" Stimmen.
Was es gibt sind liberalere und konservativere Bürgerliche, die sich - wenig fruchtvoll - um Nuancen balgen, in Wahrheit aber so eng beinanderliegen wie Hermann Maier und Benni Raich; oder Demokraten und Republikaner. Die also Termini wie "links" und "rechts" domestizieren, nein, pervertieren um sich so wichtiger zu fühlen als sie eigentlich sind.
Muss der Burgtheater-Direktor den Faust gelesen haben? Ne.
Die einzige kritische Stimme, die ich zum neuen Burgtheater-Direktor gelesen hatte, kam justament aus der "Presse" selber. Gast-Kolumnist Peter Strasser hatte sich da drüber beschwert, dass Hartmann - aufgrund eines träge argumentierten Traumas durch elterliche Schuld - Linke und Rechte nicht wolle, und ihn dadurch ausschließen würde.
Ich hab's nicht ganz verstanden, auch weil mir die (politische) Positionierung von Hartmann sowieso blöde vorkommt.
Matthias Hartmann ist nämlich unpolitisch hoch drei, er ist ein reiner Theater-CEO (der Spiegel sagt, dass sie das in Zürich sagen, wo man ja tatsächlich so spricht. "Du bist wie ein CEO" gilt dort als ironisches gebrochenes, also gleichzeitig tadelndes und lobendes Schimpfwort), ein Marketing-Mann, ein Verkäufer, der mir das sichere Gefühl vermittelt, dass man den Faust (also auch den Einser) nicht einmal gelesen haben muss, um ihn auch zu inszenieren - es reicht, eine Grundidee zu haben und du von guten Mitarbeitern umsetzen zu lassen; die Details bleiben dem Gedöns überlassen.
Das hat eine gewisse Frechheit, die einem Publikum, dass Hedgefonds-Manager auch irgendwie für die neuen Piraten hält und lässig findet, durchaus gefallen mag.
Diese Art der "Führung" vermittelt Hartmann, der neue Direktor, seinem Publikum. Wohl auch Besteller Morak und scheinbar auch Verteidiger Fleischhacker.
Der ahnte, wie alle anderen auch, dass der Faust und damit auch der Einstand des Burgtheater-Neulings als matt, mau und lahm rüberkommen würde, vor allem im kritischen Ausland (die heimischen Rezensenten waren fast durch die Bank sanft - man muss ja mit dem Mann noch arbeiten, etliche Jahre lang...) und hatte so zusätzlichen Antrieb für seine Verteidigungsrede.
Darf ein Chefredakteur seine Gegenspieler konstruieren?
Weil Fleischhacker im Gegensatz zu Hartmann ein durchwegs politischer Mensch ist, fällt diese dann eben entsprechend aus.
Weil sich aus dem Thema heraus aber nicht wirklich politisch argumentieren lässt, braucht es das Konstrukt einer linken Definitionsmacht, die die österreichische Öffentlichkeit in einer Art Geiselhaft hält, um zu Potte zu kommen.
Das legt nun einen Schluss nahe, der mir das zweite eingangs angesprochene Lächeln des Amüsements ins Antlitz treibt: die sich als bürgerliche Mitte verstehenden Konservativen wünschen sich so sehr eine schlaue Widerrede eines klar auszumachenden politischen Gegenspielers, dass sie sie gleichsam aus dem Nichts selber herbeischreiben. Weil (nicht nur im Medienbereich) nichts fader ist als keinen echten Gegenpart zu haben.
Fleischhackers Leitartikel ist also in Wahrheit keine Abrechnung mit einer grausamen Linken, die den inhaltlich etwas dünnen Auftritt des Burgtheater-Direktors urgemein und aus niederen Motiven abkanzelt (das ist die Wunschvorstellung, die - in Österreich - eben nicht einmal ansatzweise eingetreten ist; weil es hierzulande keine freie Diskurs-Kultur gibt), sondern letztlich das Gegenteil, ein Schrei nach Reibung.
Fleischhacker weiß, dass der von ihm beschriebene Mut des Cabriofahrer-Outings "nicht links zu sein" nur ein auch schon ödes Lippenbekenntnis ist. Es macht natürlich keinen Spaß "hohle Schwätzer" zu verteidigen, wenn es keine seriösen Angreifer gibt, und man aus dieser Not einen nicht satisfaktionsfähigen Einzelfall bemühen muss, um ein klassisches Feindbild so bedienen zu können, auf dass wenigstens ein bissl Diskurs entstehen möge.
Der Wunsch nach einer Nemesis
Das ist mehr als nur der übliche Schrei nach einem Moriarty, den Fleischhacker in Armin Thurnher eh schon hat - das ist ein fast schon bettelnder Aufruf diese veritable Lücke zu füllen.
Ich fürchte nur, dass über 60 Jahre der Verheerung durch österreichische Medien- und Restitutionspolitik, pures Bewahrungsdenken des schmalherzigen Großbürgertums (also, Achtung, Treppenwitz, auch der "Presse" selber) und die nicht umzubringende Blockwarte-Mentalität des Landes das unmöglich machen.
Eine echte intellektuelle Linke, wie es sie in einigen Nachbar-Staaten tatsächlich gibt, existiert in Österreich nur noch als Folklore und wird genauso wie ein verkaufsorientierter Burgtheater-Direktor nur noch als Spielfigur im Hirn-Lego durchaus verzweifelt konterpartloser konservativer Chefredakteure gebraucht.