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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

6. 9. 2009 - 11:45

Taking Karlsplatz

A Life A Song A Cigarette, Tomte und eine BMX Show mitten in Wien.

Während schon die ersten Blätter sich verfärben und abfallen, erwacht Wien aus seinem Sommerschlaf. Die Straßen füllen sich langsam wieder mit Menschen, die in letzter Zeit entweder versucht haben, weiter auf dem Weg zu sein, oder sich anderwärtig im "Grünen" aufgehalten haben. Und so hat der Herbst dieses schöne Wochenende auch die betonierte Landschaft vor der Wiener Karlskirche belebt.

Karlsplatz, Wien, Menschen bei Tomte-Konzert

Pamela Rußmann

Organisierte Spontanität

Auch dieses Jahr tingelt das beige Schmuckstück von Tourbus durch die Lande, dessen Dach die unterschiedlichsten Bands schultert. Gestern lassen sich gegen 17 Uhr die Amadeus nominierten A Life A Song A Cigarette betont lässig in den Sattel fallen. Keine leichte Aufgabe, denn nicht nur das Tageslicht und die damit einhergehende Sehen-und gesehen-Werden"-Atmosphäre erschwert etwas, dem Konzert zu folgen, auch der große Platz verlangt sehr viel Leute, um eine richtige Konzertstimmung aufkommen zu lassen. Schon allein deshalb macht es Sinn, das eigentlich recht spontane Konzept, mit dem Bus einfach in einer Stadt stehen zu bleiben und ein Konzert zu spielen, mit Organisation und Promotion zu unterfüttern.

A Life, A Song, A Cigartte auf dem RedBull-Tourbus vor Karlskirche

Pamela Rußmann

Beeindruckend, steht man knapp vor dem Bus und richtet den Blick nach oben. Die zwei Säulen und die grüne Kuppel der Karlkirche wachsen im Hintergrund in den Himmel und heben sich gegen das schöne Blau ab. Und doch wirken ALASAC nicht verloren. Die folkigen Songs erhalten vor dieser mächtigen Kulisse einen außergewöhnlichen Dreh, der die oft melancholische Ausrichtung leichter und luftiger erscheinen lässt. Auch wenn etwas mehr Abendrot gut zur Musik gepasst hätte, bieten Stefan Stanzel und seine Band einen schöne Eröffnung.

Konzertpublikum, Spiegelung im Wasser

Pamela Rußmann

BMX vs. heilige Messe

Meist darf bei einer Veranstaltung des rotbeflügelten Bullen der Sport nicht fehlen. So läuft während des Bühnenumbaus eine kleine BMX Show mit großen Ticks. Allen voran Österreichs erfolgreichster Fahrer Senad Grosic. Vor zwei Jahren hat er sich einem von FM4 ausgerufenem "Fight for your ride" gestellt. Am Karlsplatz lässt der 30-jährige Freestyler zwischen entspanntem Hin-und-her-Cruisen durch spektakuläre Backflips sein Können aufblitzen. Auch seine Teamkollegen lassen akrobatische Ticks zu gedämpfter DJ-Musik folgen. Die öffensichtlich zur gleichen Zeit stattfindende Messe bremst allerdings etwas die Euphorie.

BMX-Fahrer vor Karlskirche

Pamela Rußmann

Wiener Blut in den Adern

Wer Thees Uhlmann und Tomte kennt, der weiß meist um ihre Österreichaffinität Bescheid. Allen, die es nicht gewusst haben, dürfte es spätestens um halb Sieben aufgefallen sein, als Thees mit den ersten Zeilen von "Wiener Blut" das Konzert eröffnet. Gleich darauf schwenkt der Hamburger Sänger jedoch in die musikalische Gegenwart und fragt mittels musikalischem Zitat das Publikum: "Are we human or are we dancer?"

Die Antwort folgt postwendend mit "Die Schönheit der Chance": Definitiv Dancer!

Tomte am Konzertbus

Pamela Rußmann

Der Sound ist erstaunlich ausgewogen und satt, auch wenn Thees im Vorfeld einen Gig auf dem Tourbus mit den frühen Konzerterfahrungen in Jugendzentren vergleicht. Man könne sich bei einem so rudimentäreren Auftritt ohne große Soundanlage und Schnick-Schnack nämlich voll und ganz auf seine Stärken konzentrieren.

Tomte-Musiker am Tourbus bei Konzert

Pamela Rußmann

Die liegen bei dem Frontman und seiner Band einerseits in ihren tanzbaren Mitsingklassikern, die an diesem Abend zuhauf geboten werden, andererseits in den manchmal verlegen wirkenden, manchmal überschwenglich koketten Bühnenansagen.

Tomte am Dach des Konzertbusses

Pamela Rußmann

So ist man nach einem Tomte-Konzert immer etwas schlauer.

Porträts von Konzertbesuchern bei Tomte in Wien

Pamela Rußmann

Wir wissen jetzt zum Beispiel, dass Norddeutschland die Steiermark von Skandinavien ist, dass Thees Uhlmann die Österreicherin Soap&Skin verehrt und ihr deshalb das Stück "So soll es sein" widmet, dass Tomte noch im September mit den Weakerthans in Amerika auf Tour gehen werden, dass Thees eigentlich gerne Skate-Profi geworden wäre, hätte er nicht das ganze zusammengesparte Geld für das erste Board an einem Abend versoffen, und wir wurden bestätigt, dass es kein Tomte-Konzert ohne Versingen mit anschließender, kreativer Umtextung gibt, mit der sich Thees nicht nur gekonnt aus der Affäre zieht, sondern auch noch die Stimmung anheizt. Da sei es ihm auch mit einem Lächeln verziehen, dass in einem Nebensatz das 16er zum 21er Belch wird.

Konzertbesucher sitzen auf Liegestühlen im Teich vor der Karlskirche

Pamela Rußmann

Um hier keinen falschen Eindruck entstehen zu lassen, ein Tomte-Gig ist weit vom Kabarett entfernt. Vielmehr sind diese persönlichen und unterhaltenden Ansagen genau das, was einen Abend mit der Hamburger Band so intim macht, egal wie groß der Rahmen ist. Darüber ist es immer wieder schön zu hören und zu sehen, wie eingespielt Max Schröber, Dennis Becker, Nikolai Potthoff und Simon Frontzek sind. Mit gewohnter Gelassenheit und spürbarer Freude bietet die Band das stabil groovende Fundament, auf das sich Thees knapp eineinhalb Stunden stützen kann.

Auch wenn Tomte gerne noch weitergespielt hätten, ist um 20 Uhr Schluss. Ob es nachher wohl noch aftershowmäßig in die Karlskirche zum Mozart-Requiem ging?

Alle Fotos von Pamela Russmann.

Silhouetten der Band Tomte am Tourbus

Pamela Rußmann