Erstellt am: 4. 9. 2009 - 11:38 Uhr
Parolen und Fürbitten
Pro:woman, das "Ambulatorium für Sexualmedizin und Schwangerenhilfe" bietet seit 30 Jahren auch die Möglichkeit, Schwangerschaftsabbrüche vornehmen zu lassen. Und ebensolang ist die Wiener Klinik am Fleischmarkt auch Ziel von AbtreibungsgegnerInnen.
Rund um die Feier zum 30jährigen Bestehen entbrannten schon im Vorfeld heftige Diskussionen. Ein "Personenkomitee für Gesellschaftsverantwortung" rief zum Protest dagegen auf, SPÖ und Grüne zum Protest gegen den Protest. Der dritte Nationalratspräsident Martin Graf verurteilte sowohl die Feier (""Auf Abtreibungen anzustoßen hat etwas ausgesprochen Geschmackloses") als auch die Proteste von Grünen und SPÖ und der Wiener Kardinal Schönborn forderte den Bürgermeister auf, die Veranstaltung abzusagen.
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Legaler Schwangerschaftsabbruch seit 1975
Seit 1975 gilt in Österreich die Fristenlösung. Dadurch bleibt ein Schwangerschaftsabbruch bis zum dritten Monat einer Schwangerschaft straffrei. Sofern er nach vorheriger ärztlicher Beratung und von einem Arzt oder einer Ärztin vorgenommen wird. Beschlossen wurde das Gesetz damals mit den Stimmen der SPÖ, gegen ÖVP und FPÖ. Und: es besagt auch, dass kein Arzt und keine Ärztin eine Abtreibung vornehmen muss. Auch heute sind deshalb Schwangerschaftsabbrüche nicht in jedem Krankenhaus möglich. Vor allem im Westen Österreichs ist es nach wie vor nicht so einfach, eine entsprechende Stelle zu finden. Man kann sich also vorstellen, wie bedeutend eine Einrichtung wie pro:woman Ende der 70er Jahre war: Eine fixe Anlaufstelle, an der Frauen sicher sein konnten, keinen Kurpfuschern ausgeliefert zu sein.
Die Fristenlösung steht in Österreich im Grundsatz zwar nicht zur Debatte, die Gräben von damals (SPÖ und - seit sie auf der politischen Bühne erschienen sind - die Grünen auf der einen, die konservativen Parteien auf der anderen Seite) bestehen aber bis heute. Garniert von teilweise militanten AbtreibungsgegnerInnen, die immer wieder versuchen, Frauen mit blutigen Bildern und Plastikembryos auf ihren Weg in die Klinik von ihrer Entscheidung abzubringen. Für sie ist Abtreibung Mord, sind Frauen die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen Mörderinnen. Und daraus machen sie auch in der direkten Begegnung keinen Hehl.
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Parolen und Fürbitten
Etwa 350 AbtreibungsgegnerInnen versammelten sich am Donnerstag vor dem Wiener Rathaus, um gegen den Empfang zum 30jährigen Bestehen von pro:woman zu demonstrieren. Mit übergroßen Bildern von abgetriebenen Föten, vielen Kerzen und - selbstredend - einem Plastikembryo.
Ihnen gegenüber standen etwa ebensoviele GegendemonstrantInnen. Unter ihnen viele hochrangige SPÖ-Politikerinnen wie die Wiener Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely, Wiens Vizebürgermeisterin Renate Brauner, die ehemalige Frauenministerin Johanna Dohnal und die aktuelle, Gabriele Heinisch-Hosek.
Und dazwischen, mit Parolen und Fürbitten gut beschallt von beiden Seiten, ein gerade einmal 30 Meter breiter Korridor der Polizei, der die beiden Lager trennt. So nahe kommen sich so viele Befürworter- und GegnerInnen der Fristenlösung normalerweise in Österreich nicht.
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"Abtreibungen hat es immer gegeben"
Der Wirbel, den der Empfang 34 Jahre nach Einführung der Fristenlösung ausgelöst hat, überrascht. "Es ist ein Kurzschluss zu denken, dass es ohne Fristenlösung keine Abtreibungen gäbe", meine die Wiener Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely später im Rahmen des Empfangs im Rathauskeller. Abtreibungen hätte es immer gegeben. "Die Reichen konnten sich eine 'State-of-the-art-Behandlung leisten, die Armen sind auf dem Küchentisch verblutet."
Und während die Gegner der Fristenlösung Schwangerschaftsabbrüche am liebsten wieder ganz verbieten und verhindern möchten, sehen die anderen die Möglichkeit zu einem legalen Schwangerschaftsabbruch als ein Recht der Frau auf Selbstbestimmung. Sie fordern vor allem besseren Schutz von Frauen vor Abtreibungsgegnern, ihren Plakaten und Plastikpuppen. So wollen die Grünen heute in einer Aussendung der gestrigen Demonstration Taten folgen sehen, und verlangen besseren und geschützten Zugang zu Abtreibungsmöglichkeiten auch außerhalb Wiens.
Die Herren Schönborn und Häupl wollen sich übrigens demnächst auf ein Gespräch treffen. Von wegen "Mein Bauch gehört mir".