Erstellt am: 2. 9. 2009 - 10:35 Uhr
Roboter, Dunkelheit und Tiere
Ars Electronica
Das diesjährige Ars Electronica Festival findet von 3. bis 8. September statt. FM4 ist live vor Ort in Linz. Das gesamte Programm gibt es hier.
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Dem japanischen Wissenschafter Hiroshi Ishiguro war der Anblick seines eigenen Spiegelbildes anscheinend nicht genug. Er hat sich mit dem Roboter Geminoid HI1 ein Ebenbild geschaffen, das nicht nur komplett gleich aussieht, sondern sich durch komplexe Lern- und Programmierprozesse auch gleich verhalten soll wie sein Erschaffer. Statt Lehm oder Leichenteile werden für solche Projekte heutzutage glücklicherweise feingliedrige Motoren und körperähnliche Kunststoffe verwendet. Und dieser gebaute Mensch zieht auch nicht mordend durch die Straßen, sondern sitzt als "normaler Gast" im Café des Ars Electronica Centers (AEC) in Linz.
ATR Intelligent Robotics and Communication Laboratories
Ishiguro ist der sogenannte "Featured Artist" des heuer zum 30ten Mal stattfindenen Ars Electronica Festivals. Und sein Latex-Zwilling ist quasi der Botschafter des heurigen Themas, das da "Human Nature" lautet. "Genetische und technologische Eingriffe in die Natur des Menschen" - diesem oft genug als Schreckensszenario gezeichnetem Forschungszweig soll heuer auf den Grund gegangen werden. Wir leben in einem Zeitalter, in dem der Mensch "den ersten Schritt vollzogen hat, die Natur in ihren Grundlagen zu verändern", meint Gerfried Stocker, Co-Leiter des Festivals. Mit Grundlagen ist gemeint, dass sich nicht mehr "nur" die Natur (also Wald, Wiese, etc.) durch Eingriffe unsererseits verändert, sondern eben auch das menschliche Leben selbst.
Michael Burton
Ars Electronica/Adam Brandejs
The device is the content
So dreht sich etwa die Arbeit Future Farm/Nanotopia um den menschlichen Körper als Einkommensquelle der Zukunft. Die düstere Vision: Neben Leber und anderen Organen könnten in Zukunft auch neue klinische Produkte und Stammzellen im und am Körper kultiviert, produziert und schließlich veräußert werden. Eine günstige Alternative zum ewigen Leben via sündteurer Tiefkühllagerung präsentiert die Ausstellungsarbeit Shrink. Ganz der praktischen Kulturtechnik "Einschweißen" verpflichtet, hängt hier ein menschlicher Körper in einem Kokon aus PVC von der Decke. Das und vieles mehr gibt es im Brucknerhaus zu sehen.
"The medium is the message", hat ein gewisser Marshall McLuhan einmal gesagt. "The device is the content" sagt im 21. Jahrhundert eine Gruppe japanischer Künstler und Forscher, die während des Festivals das erste Obergeschoß des fast nigelnagelneuen AECs bespielen werden und mit zahlreichen elektischen Gadgets zum Mitspielen einladen. Eine Brücke weiter hat sich das MIT Media Lab im westlichen Brückenkopfgebäude einquartiert und zeigt aktuelle Arbeiten rund um die Schnittstelle Technik/Gesellschaft. Einen Hauptplatz und einen Taubenmarkt weiter widmet sich das OK den besten Einreichungen zum heurigen Prix Ars Electronica. Und wer den Weg zum AEC nicht mehr findet, kann sich am Riesenrad am Dach einen Überblick über die heurige Kulturhauptstadt verschaffen, die am Eröffnungsabend ganz schön finster ausehen wird.
Lichter der Großstadt
rubra
In der wird es am Donnerstagabend nämlich ganz schön finster werden. Das ewige Leuchtduell zwischen AEC und Lentos hat Verschnaufpause und auch alle anderen Lichtquellen sollen, wenn alles nach Plan läuft, für zwei Stunden dunkel bleiben. Ziel des geplanten Kollektiv-Erlebnisses ist es, einfach mal den Sternenhimmel zu sehen, ohne vom lästigen Lichtteppich gestört zu werden, der ja irgendwie zum Stadtleben dazugehört. Einen Tag später ist mit der Dunkelheit aber endgültig Schluss. FM4 Signs & Signals am Freitag und das bis Sonntag laufende Fassadenfestival verwandeln die Außenhaut des AEC in eine Lichtinstallation mit unberechenbarem Ausgang.
Linz09
Die Flut
Geht es nach biblischem Storytelling, endet die Menschheitsgeschichte im Wasser. Denn die angesammelten Sünden unserer Spezies könnten sich irgendwann einmal mit einer alles vernichtenden Flut rächen. Die heurige Klangwolke am Samstag, 5. September 2009 nimmt dieses Szenario einfach vorweg und lässt riesige Tiere durch die Straßen flüchten, während Untergangs-immanente Propheten den Weltuntergang vorhersagen. Aber keine Angst: Statt realem Ertrinken gibt es Videoprojektionen, Livemusik und Feuerwerk.
Und sonst?
- FM4 Connected: am Freitag, 4. September live aus Linz
- Freitag, 4, 9: 21-23 Uhr: Signs and Signals
- Alle Artikel zur Ars Electronica 09
- FM4 bei der Ars Electronica: Signs and Signals
Und weil zu einem ordentlichen Festival neben Ausstellung und Rahmenprogramm auch ein saftiges Symposium gehört, hat die heurige Ars Electronica wieder zahlreiche Experten eingeladen, um über Dinge wie Cloud Intelligence, Cyberarts, das "Do-it-together"-Prinzip von Kunst und Wissenschaft, beziehungsweise Technologie und Konsum zu diskutieren. Und weil so ein runder Geburtstag auch wissenschaftlich abgefeiert gehört, geht es in den "History Talks" um drei Jahrzehnte Ars Electronica. Denn als das Festival in Linz begonnen hat, gab es noch nicht mal eine iPhone-Applikation zur Darstellung eines künstlichen Kerzenlichts. Und das muss man sich erst einmal vorstellen.