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Elisabeth Gollackner

Subjektivitäten, Identitäten und andere feine Unterschiede.

10. 9. 2009 - 21:35

Oh! Wild Wild West

"I bring di um!"

Oh! - Irritationen im Alltag

Schreit er, drohenden Schrittes, den Zeigefinger immer wieder in die Luft gereckt, als wäre er eine Pistole, "Du! Du!", peng, peng.
Sein Ziel: Ein roter Geländewagen, der langsam zum Stehen kommt. "I bring di um", schreit er immer wieder, "I bring di um!"

Grillen zirpen, die Luft vibriert vor Spannung, und diejenigen wenigen Anwesenden, die so tun, als würden sie nicht zuhören, machen das ausgesprochen schlecht. Stichwort: Fingernägel kontrollieren.

Comicstil; jemand denkt an ein Manderl mit Pistole.

elisabeth gollackner, fm4

Auch ich würde (glotzäugig und offenmundig) zu gerne wissen, welche Dramen sich hinter der Morddrohung verbergen, aber ich steck selbst grad in meinem eigenen High Noon. "Privatbesitz!" brüllt das rote Gesicht am Tankstellenbankerl verächtlich in meine Richtung. Er macht scheinbar nicht nur sonntäglichen Frühschoppen hier unterm Plakat vom Feuerwehrfest, nein, er ist an einem ausgestorbenen Tag wie heute auch noch das Auge des Gesetzes. Weswegen ich mich gezwungen sehe, mein Auto vom völlig leeren 2000-Quadratmeter-Firmenparkplatz fünf Meter weiter drüben am Straßenrand abzustellen. So viel Aufregung hätte ich für meinen Sonntagsausflug eigentlich gar nicht eingeplant.

Am Schauplatz No.1 hat sich die Lage inzwischen dramatisch verändert. Das bedrohte Subjekt ist aus seinem Wagen gestiegen, ebenfalls ein Mann um die Fünfzig, ebenfalls mit großer Körperfülle gesegnet, sicher 40 Kilo jenseits der magischen Grenze, ab der Männer in Österreich gerne "Gerippe" geschimpft werden.
Die beiden stehen gefährlich nahe beieinander, und der vermeintliche Täter bohrt mit seinem Pistolenzeigefinger in den Bauch des vermeintlichen Opfers und schreit ihn an: "Glaubst du, i bin deppat!? I bring di um!"

Ich schließe mein eben umgeparktes Auto ab, winke dem Rotgesicht bei der Tankstelle zu, der mir mit einem "Augen-Schmal-Unterkiefer-Vor"-Nicken zu verstehen gibt, dass ich meinen Bleifuß gerade noch mal aus dem Kriminal habe ziehen können. Und genau in diesem Moment schreit der wütende Pistolenmann: "I sogs da! Wonn du nu amoi z'spät kummst, donn bring i di um!"

Ich hab immer gewusst, dass meine neurotische Pünktlichkeit irgendwann einmal Leben retten könnte. Irgendwann. Aber im Büro glaubt mir das ja niemand.