Erstellt am: 1. 9. 2009 - 16:26 Uhr
Fußball-Journal '09-80.
"Spätsommerliche Evaluierung. Teil 2: Die Bundesliga", die fortlaufende Nummer 81 des Fußballjournals 09 wird dann morgen erscheinen.
Die nächsten 10 Tage sind Länderspiel-Schutzzone.
Die Vereine wüten auf den Transfermärkten (hierzulande war Mitternacht Schluß, in England gehts heute noch, in der Türkei gar bis Freitag, Wildwuchs allerorten...) und präparieren sich fürs internationale Geschäft oder probieren den endgültigen Anzug für die Saison an.
Währenddessen ziehen die Verbände ihre Besten zusammen um ihre Nationalmannschaften und diverse Juniorenteams zu formieren, die in diesen Tagen meist gleich zwei Auswahlspiele zu bestreiten haben. Auch der ÖFB.
Ich würde diesen Break gerne für eine Evaluierung nützen. Und ein paar Fragen klären.
Wo steht die Nationalmannschaft?
1. SRB 7 6-0-1 15:5 18p
2. FRA 6 4-1-1 8:6 13p
3. LIT 7 3-0-4 6:6 9p
4. AUT 6 2-1-3 7:9 7p
5. ROM 6 2-1-3 7:10 7p
6. FÄR 6 0-1-5 1:8 1p
Kader für die WM-Quali-Spiele am 5.9. gegen Färöer und am 9.9. in Rumänien:
Christian Gratzei (Sturm), Helge Payer (Rapid), Andreas Schranz (Kärnten).
Aleksandar Dragovic, Manuel Ortlechner (Austria), Christian Fuchs (Bochum), György Garics (Atalanta), Jürgen Patocka (Rapid), Franz Schiemer, Andreas Ulmer (Salzburg).
Paul Scharner (Wigan), Christoph Leitgeb (Salzburg), Julian Baumgartlinger (Austria Wien), Daniel Beichler, Andreas Hölzl, Jakob Jantscher (Sturm), Christopher Drazan, Yasin Pehlivan, Christopher Trimmel (Rapid).
Erwin Hoffer (Napoli), Marc Janko (Salzburg), Stefan Maierhofer (Wolverhampton), Roman Wallner (LASK).
Abruf: Ronald Gercaliu (Neustadt), Florian Klein (Austria), Ümit Korkmaz (Frankfurt), Stefan Lexa (Ried), Thomas Pichlmann (Grosseto).
Verletzt: Junuzovic, Okotie, Prödl, Pogatetz, Stranzl, Arnautovic, Aufhauser.
Rücktritt: Manninger.
Es fehlen: Ivanschitz, Ibertsberger, Linz, Gspurning, Macho, Dag und Bahadir, Stankovic, Säumel, Harnik, Hoheneder, Dober, Emin Sulimani, Prager oder Manuel Weber.
Auf Platz 4 ihrer Qualifikationsgruppe. Mit, vorsichtig gesagt, sehr bescheidenen Chancen auf den 2. Platz, der für einen Barrage-Slot reichen würde. Also mit keiner realistischen Aussicht auf Südafrika 2010
Weshalb es durchaus opportun scheint eine junge Mannschaft für die Euro '12 in Polen/Ukraine aufzubauen. Was Teamchef Dietmar Constantini, ein Mann mit einem ausgesprochen guten Riecher dafür was grad opportun ist und was nicht, dann auch tut.
So weit, so undifferenziert.
Zwischen systematischem Aufbau und sinnlosem Verheizen klaffen nämlich ganze Fußballwelten.
Wer, siehe das Kamerun-Länderspiel, ein sehr junges Team ohne seriöse Vorgaben, ohne eine konzise Taktik und ohne Pläne für Standard-Situationen reinwirft, der baut niemanden und nichts auf, der verheizt.
Weil aber jeder Teamchef, vor allem einer mit einem Riecher für Opportunes, davon ausgehen kann, dass sich Öffentlichkeit und Medien so gut wie ausschließlich auf Personalpolitisches stürzen und an Strukturellem gar nicht interessiert sind, ist der Schein bedeutsamer als das Sein.
Will sagen: der Hinweis auf die reine Tatsache, dass "die Jungen randürfen" overrult die Tatsache, dass dies unbedarft geschieht.
Diese Unbedarftheit ist gut gemeint, also das Gegenteil von gut.
Wo sind die Jungen normalerweise gut aufgehoben?
In den diversen Junioren-Nationalmannschaft, die genau dafür da ist: fürs Heranziehen, fürs Aufbauen und für die zu sammelnde Turnier-Erfahrung. Denn FIFA und UEFA haben da jedes Jahr was passendes: U17 oder U20-Weltmeisterschaften etwa, U21-, U19- oder U17-Europameisterschaften.
Es war der Erfolg bei der U20-WM in Kanada, der 2007 zum Knackpunkt für eine halbwegs akzeptable Euro darstellte und die Basis für den aktuellen Jugend-Boom legte - das sehen ÖFB-Direktor und Bundesliga.Vorstand völlig zurecht gleichermaßen so.
Im gleichen Maß trauern sie alle der (von ihm vergeigten) zum Greifen nah gewesenen Qualifikation für die U21-Euro heuer in der Ukraine nach.
Es ist wie im Club-Fußball: die Champions League geht sich nicht aus (so wie derzeit WM- oder EM-Endrunden für den ÖFB far out sind) also arbeitet man auf die Euro-League hin, die zweite Kategorie.
Und dieser anzustrebende Unterbau wäre aktuell die nächste U21-Europameisterschaft in Dänemark. Die Qualifikation dazu zieht sich bis in den nächsten September. Österreichs U21-Spieler (alle Jahrgang 88 und jünger, bei der Endrunde werden die ältesten dann also schon 23 sein) sind in Gruppe 10 mit Schottland, Weißrussland, Albanien und Azerbeidjan. Der Gruppensieger und vier beste Zweite des 10 Gruppen kommen ins Play-Off.
U21-Kader für die EM-Quali-Spiele am 5.9. gegen Schottland und am 9.9. gegen Albanien:
Lukas Königshofer (Rapid), Wolfgang Schober (Salzburg).
Fabian Koch (Innsbruck), Mettin Copier (Alkmaar), Georg Margreitter (LASK), Christian Ramsebner (Neustadt), Manuel Wallner (Austria), Anel Hadzic (Ried),Thomas Piermayr (LASK), Manuel Seidl (Mattersburg).
David Alaba (Bayern), Haris Bukva (Sturm), Guido Burgstaller (Neustadt), Stefan Ilsanker (Salzburg), Veli Kavlak (Rapid), Andreas Weimann (Aston Villa).
Atdhe Nuhiu (Ried), Julius Perstaller (Innsbruck), Marc Sand (Kärnten), Benjamin Sulimani (Austria).
Abruf: David Schartner (Salzburg); Mario Leitgeb, Patrick Salomon (Austria Lustenau), Dominic Pürcher (Hartberg), Stefan Hierländer, Leonhard Kaufmann (Kärnten), Robert Gruberbauer (St. Pölten), Dieter Elsneg (Frosinone), Georg Gravogl (St. Pölten), Markus Pink (Kärnten) und dazu Tanju Kayhan von Rapid, um den es möglicherweise ein Gezerre mit der Türkei geben wird, deren Scouts den Doppelstaatsbürger angeblich umdrehen wollen.
Margreitter, Ilsanker und Ben Sulimani sind im übrigen nicht vollfit, verletzt ist Christopher Dibon.
Die Aussichten sind, papierformtechnisch, also ganz gut. Das erste Spiel ging allerdings verloren, in Weißrussland, den Informationen nach ein wenig unglücklich, weil man zumindest gut mitspielen konnte.
Am Samstag gibts ein Heimspiel gegen Schottland, in Maria Enzersdorf. Man kann also sagen, dass ein Sieg bereits wesentliche Vorraussetzung für eine EM-Endrundenteilnahme wäre.
Sind auch die Jüngeren aktuell in Bewerben drin?
Ja, die U19 (Jahrgang 91) spielt im Oktober ein Quali-Turnier gegen Rumänien, Schottland und Armenien - und zwar daheim, in Kärnten. Daher testet man am nächsten Dienstag gegen Slowenien.
Die U20 (Jahrgang 90), die zuletzt gegen die Schweiz verlor, spielt innerhalb eines nachbarschaftlichen Austausches gegen die Schweiz (Deutschland hat abgesagt), auch die U18 und die U16 testen.
Gibts da nicht ein spezielles Förderungs-Projekt?
Nun gibt es das ÖFB-Projekt 12, in dem Talente für den Zeitraum 2012 speziell forciert werden. Vier aus diesem Kader sind Jahrgang 88, fünf sind Jahrgang 89, also U21-spielberechtigt.
Jetzt dürft ihr raten, wo diese 9 mehrheitlich zum Einsatz kommen: richtig, im A-Team, der mehr oder minder chancenlosen Nationalmannschaft.
Wieso bündelt niemand im ÖFB die Kräfte richtig?
Weil dort immer noch, neue Präsidentschaft samt Ankündigung einer Strukturreform hin oder her, immer noch Zustände herrschen wie im Old-School-Gutsherren-System österreichischen Zuschnitts.
Zumindest teilweise.
Weil ein Sportchef, ein technischer Direktor mit Mitsprache- oder Durchgriffs-Recht (wie ihn Matthias Sammer beim DFB vorbildlich gibt) fehlt.
Und weil ein Präsident mit Sinn fürs Opportune einen Teamchef mit Riecher fürs Opportune liebend gern als PR-Verhikel einsetzt, um Popularitätswerte zu steigern, anstatt den Blick aufs Große Ganze zu wagen.
Dazu kommt, dass diese Nicht-Linie nicht einmal Linie ist, sondern nur zufällig passiert.
Würde sich nämlich der Teamchef ganz aus Prinzip auf sein Ding draufsetzen, vollmundig verkünden, dass die besten, und seien sie noch so jung und hätten sie noch so wenige Bundesliga-Minuten, im A-Team spielen müssen, dann wäre das ja legitim und okay.
So passiert das aber nicht. Es kommt irgendwie daher, zufällig, nach Laune. Und damit, mit dieser Lässigkeit mit der Constantini seinen "Nebenjob" (wie ihn die NÖN zitiert), den des Teamchefs erledigt, kriegt er Applaus.
Weil damit die Mehrheit der gefühlten Teamchefs, die Millionen Fußball-Fans, abzuholen sind - weil sie das ja ähnlich betrachten: als Frühstücks-Direktorsposten, als lässiges Nebenbei, als "Gehtsausse und schpütseuchaschpüü!"-Lautsprecher.
Der U20-Kader für die Tests gegen den FC Lustenau am 4.9. und gegen die Schweiz am 8.9.
Markus Egger (Wattens), Heinz Lindner (Austria).
Sebastian Radakovics, Maximilian Karner (Salzburg), Christoph Kobleber (LASK), Jürgen Prutsch (Altach), Thorsten Schick (Gratkorn).
Stefan Schwab (Salzburg), Ali Hamdemir (LASK), Leonhard Kaufmann (Kärnten), Benjamin Freudenthaler (Austria Lustenau), Alexander Grünwald (Neustadt), Georg Grasser (West Ham), Christoph Kröpfl (Salzburg),Markus Obernosterer (Innsbruck).
Dieter Elsneg (Frosinone), Deniz Mujic (Dornbirn), Georg Gravogl (St. Pölten).
Abruf: Pirmin Strasser (Pasching); Rifat Sen (Dornbirn), Andreas Simma (Altach), Kevin Hacker (Sturm), Florian Hart (LASK), David Harrer (Austria), Thomas Hopfer (Admira), Thomas Löffler, Benjamin Pranter (Innsbruck), Thomas Salamon (Mattersburg).
Interessant: wie bei der U21 gibt es wenige gelernte Abwehrspieler; es werden viele Mittelfeld-Akteure umgeschult.
Auch beim kürzliche gespielten U17-Turnier war auffdällig wie gut die Offensiv-Positionen und wie vergleichsweise schwach die Defensiv-Positionen besetzt waren. Beim 93er-Jahrgang fielen etwa Philipp Prosenik (Chelsea), Marcel Ritzmaier (Kärnten), Dominik Burusic (Bayern), Kevin Stöger und Raphael Holzhauser (Stuttgart) oder Toni Vastic (Blackburn) auf.
Denn vor dem Weißrussland-Länderspiel hatten Constantini und sein kurzatmiger Hölzl-Werfer Zsak noch minutenlang damit geprahlt wie lässig sie nicht wären gleich 2 U21-Spieler freiwillig an die U21 abzugeben (drei andere machten beim A-Team mit, einer saß gar nur sinnlos auf der Bank), und verkauften das als einmalige und große Sache. Das ist/war nicht nur ein großer Schwindel, diese Philosophie hatte auch die Lebenszeit einer Eintagsfliege und ward sofort vergessen.
Ginge es auch anders?
Klar.
Constantini kann problemlos einen Kader mit Ü22 einberufen und aufstellen (der Beweis läßt sich mit dem oben nebenstehendem Kader bzw Spielern problemlos antreten), mit der die weiteren Testspiele im Rahmen der verlorenen WM-Quali bestreiten und die U21für ihre reele EM-Quali-Chance in Bestbesetzung auftreten und reifen lassen. Alles in Hinsicht auf ein sinnvolles Zusammenwachsen und die mögliche (siehe Kanada) zündende Turniererfahrung.
Tatsache ist, dass die Jungen hauaptsächlich im chancenlosen A-Team spielen, während sich die chancenreiche U21 mit einer B-Besetzung herumplagen muß.
Und das, weil ein Nebenerwerbs-Teamchef (mit Unterstützung seines Präsidenten) einen Marketing-Gag durchzieht: er ist "der mit die Jungen" (die er zu Beginn seiner Amtszeit noch ordentlich diffamiert hatte).
Das zieht und das bleibt hängen.
U21-Europameisterschaft?
Ist wurscht. Schreibt die Krone nur einen Einspalter drüber.
Ist diese Stategie nachhaltig oder sonstwie sinnvoll?
Nur für die angeführten Personen.
Und das genügt ja oft schon.
Womit ich nicht gesagt haben will, dass bei der U21 alles goldig glänzt. Das ist nämlich sicher nicht der Fall.
Ich habe letztens mit großem Staunen mitangesehen, wie U21-Teamchef Herzog, als er im Rahmen seines Hauptjobs als Sky-Experte in der Südstadt zu Gast war, erst dort mitbekommen hatte, dass der von ihm nominierte Christopher Dibon eigentlich verletzt ist und sicher nicht spielen kann - ein Fakt, der allen seit Tagen bekannt war. Herzog scheinbar nicht. Erst nach seinem samstäglichen Vorortbesuch wurde Mettin Copier für Dibon nachberufen. Klingt auch alles nach Teilzeit-Job-Handhabung (und ist bei U19-Teamchef Andreras Heraf exakt genauso).
In derselben Aussendung weist der ÖFB - wohl mit Einverständnis von Herzog - noch einmal extra drauf hin, wer ihm aller von Constantini ins A-team entführt wurde. "Stichtag der aktuellen U21-Auswahlen ist übrigens der 1.1.1988, so wären zum Beispiel die von Dietmar Constantini ins A-Team berufenen Akteure Aleksandar Dragovic (geboren am 06.03.1991), Julian Baumgartlinger (02.01.1988), Daniel Beichler (13.10.1988), Christopher Drazan (02.10.1990), Jakob Jantscher (08.01.1989) und Yasin Pehlivan (05.01.1989) noch für die U21 spielberechtigt. Auch der derzeit rekonvaleszente Marko Arnautovic (19.04.1989) könnte übrigens aufgrund seiner Jugend noch von Andreas Herzog einberufen werden."
Ist das nun ein Hilferuf oder die Ausstellung von strategischer Inkompetenz?
Ich weiß es nicht.
Ich finde es aber jedenfalls nicht richtig, nach dem w.o. in der WM-Quali der Großen jetzt auch (Motto: "Is d'Kua hin, sois Kälbl a hin sei!") die EM-Quali-Chance der U21 bewußt so zu minimieren. Dass das Constantini Jugend-Bonus-Punkte bringt, ist kein sinnhafter Gegenwert.