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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

30. 8. 2009 - 23:08

Fußball-Journal '09-79.

Die auseinandergehende Schere und der Doppel-Didi. Erkenntnisse rund um zwei Stichtage.

Stichtag 1 war Donnerstag: Da hat sich eine Tür zu einer möglichen Zukunft des heimischen Club-Fußballs geöffnet.
Stichtag 2 ist dann morgen: Da schließt das Transferfenster, und dann ist bis Dezember Ruhe - und ein jeder muß dann mit seinem Personal auskommen.

Wer sich die Wochenendspiele der österreichischen Bundesliga angesehen hat und womöglich noch einen Blick in den Unterbau, der sogenannten 1. Liga getätigt hat, der hat schon gemerkt wie es weitergeht.
Die vier Vereine, die europäisch spielen, sind nicht nur aktuell klar über alle anderen zu stellen - diese Schere wird noch weiter auseinandergehen.

Denn die europäische Teilnahme bringt nicht nur Erfahrung, internationale Skillz, unschätzbare Kontakte und bietet allen, die mitspielen können, ein Reinschnuppern in eine große weite Fußballwelt - sie ist auch finanziell ertragreich. Das bedeutet, dass die vier, die jetzt vorne sind, vorne bleiben werden, wenn sie sich sportlich nicht übernehmen oder Gelder sinnlos auf den Kopf hauen (was zumindest Sturm, Rapid und der Austria aufgrund der jüngeren Vergangenheit der Vereine einfach nicht zuzutrauen ist).

Die Schere geht auf

Diese Schere ist Usus in der europäischen Mittelklasse. Etwa in Holland, Belgien oder Griechenland, der Türkei oder Portugal. In all diesen Ländern, in all diesen Ligen existiert eine Klassengesellschaft, die es den besseren 3, 4, 5, 6 Vereinen ermöglicht auf einem erhabeneren Level zu agieren: sportlich und auch finanziell. Was im Regelfall zu regelmäßiger Teilnahme im europäischen Bewerb führt. Und nicht nur - wie bislang meist für die Österreicher - in der Qualifikation, dem Armenhaus der unteren Chargen.

Das ist im Übrigen der Europacup-Reform des Michel Platini geschuldet, der den Superreichen unmerklich was wegzwackte, um das Mittelfeld zu verbreitern. Davon profitiert gleich im ersten jahr dieser Konstruktion auch Österreich.
Das alles ist ein Glücksfall, der demütig angenommen werden muss und nicht verjubelt, vergeudet oder verhurt werden darf.

Bisher waren die heimischen Großclubs zwar mit reicher Tradition gesegnet, aber letztlich Papiertiger, finanziell ohne reiche Onkel meist nicht lebensfähig.
Das kann sich jetzt ändern - wenn es die Clubs schlau angehen.

Der unangenehme Nebeneffekt

Keine Rose ohne Dornen.
Das bedeutet auch, dass so wie in Griechenland, der Türkei, Holland oder Portugal die Kräfteverhältnisse relativ einbetoniert werden. Dort sind es auch seit Jahren dieselben, die oben mitspielen. Sowas wie Durchlässigkeit ist da nicht mehr wirklich möglich.

Das klingt zwar recht wenig demokratisch und erinnert an das Ami-Franchise-System, ist aber wohl die einzige Möglichkeit für die Liga sich auf einem seriösen Level zu etablieren.

Hinter den Top 4 werden sich ein paar seriös geführte Mittelständler etablieren, die versuchen werden an die EC-Plätze ranzuschnuppern und das auch hin und wieder schaffen werden.
Für künstlich aus dem Boden gestampfte Vereine (der Sorte Magna oder Kärnten, aber auch Übernahme-Clubs wie die Admira) wird es künftig noch schwerer - was den angenehmen Nebeneffekt haben könnte, dass die Glücksritter-Industrie sich aus dem Fußball zurückzieht und dort wieder mehr tatsächliche Sponsoren einsteigen.

Im Übrigen haben die angesprochenen Nationen allesamt 16er und 18er-Ligen, auch weil sich eine gesündere Struktur sowas eher leisten kann. Das hieße allerdings, dass sich die Liga jetzt schon mit vorbereitenden Maßnahmen beschäftigen muss - wie etwa die Einführung der deutschen 50+1-Regel, die eine Unterwanderung durch nur an Kurzfristigkeit interessierten Sponsoren oder anderen Pseudo-Oligarchen verhindern.

Doppel-Didi

Ob diese mittelständische Idylle auch für den sich bislang in illusorischer Großmannssucht ergebenden Krösus, nämlich Red Bull, erstrebenswert ist, entzieht sich meiner Kenntnis.

Wenn man sich allerdings die jüngsten hektischen Aktivitäten ansieht, dann kommt das Gefühl auf, dass der Salzburger Groß-Investor es (zum wiederholten Mal) wirklich noch einmal probieren will. Diesmal mit einer Maßnahme, die eigentlich als allererste gesetzt gehört: der Installation eines Sportdirektors für den gesamten Fußball-Bereich; also nicht nur Salzburg, sondern auch die Außenstellen New York und Leipzig.

Dietrich Mateschitz ist, so berichten DSF, Kurier und andere, mit Dietmar Beiersdorfer einig geworden.
Beiersdorfer, früher ein wirklich guter Verteidiger, war sechs Jahre lang sportlicher Leiter beim HSV, ist also ein Mann vom Fach und jemand der langfristige Projekte aufsetzen kann. Beiersdorfer passt nicht in die lange Liste der posenden Lehrbuben und Abzocker, die sich bislang am Projekt Red Bull Salzburg bereichert haben und hat wohl auch mehr Widerständigkeit gegen die fußballfernen und dementsprechend falschen Wünsche von Boss Mateschitz, die das Wirken der bisherigen Verantwortlichen (zuletzt das von Franz Hochhauser) beeinflussten und zum bisherigen ZickZack-Kurs beitrugen.

Beiersdorfer und sein Einstehen für Nachhaltigkeit und Langfristigkeit ist in der aktuellen Situation womöglich der einzige Ausweg für den wackeligen Kurs mit dem die Rasenball-Versager schlechte Werbung für ihren Sponsor machen.

Ob auch der Trainer, wie es so schön heißt, bereits zur Disposition steht, ist angesichts seiner Ahnungslosigkeit, was den Transfer von Rabiu Afolabi (der zu seiner Zeit der beste Spieler der heimischen Liga war) betrifft, zumindest Spekulations-Gegenstand.

Kärntner Gegenmodell

In Klagenfurt wird, wie so oft, die Materie hin- und hergeschoben. Trainer Schinkels ist gerade nicht Sportchef, weil er sich aufs Sportliche konzentrieren muss. Und auch die genau umgekehrte Entscheidung stand im Raum.

Das zeigt nur, dass man bei Austria Kärnten nicht die geringste Ahnung hat, was die Aufgaben einer Vereinsführung sind oder wie Arbeitsabläufe funktionieren. Dort ist alles nur ein Spiel; und zwar eines, in dem die Existenz des Vereins einen locker hingeworfenen Basis-Einsatz darstellt.

Und das ist eine Einstellung, die in der seit Stichtag 1 wohl substanziell veränderten österreichischen Fußball-Zukunft keine solche haben wird.