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Markus Keuschnigg

Aus der Welt der Filmfestivals: Von Kino-Buffets und dunklen Sälen.

30. 8. 2009 - 16:50

The Great Movie Orgy - Ultimate Edition

Werner Herzog, Nicolas Cage, Michael Moore und jede Menge Zombies: eine Vorschau auf die 66. Filmfestspiele von Venedig.

Plakat

Mostra Venezia

Die rote Wüste: Sujet des Filmfestivals von Venedig

Ich muss mich schon im Vorfeld bei Joe Dante dafür entschuldigen, dass ich den Titel seines - wie ich annehme- sämtliche Hirnwindungen verbrutzelnden, während seiner Filmstudentenzeit angefertigten Kompilationsfilms The Movie Orgy in meiner Überschrift herbeizitiere, aber ich habe zwei gute Gründe dafür: zum einen, da die 66. Mostra Internazionale d'Arte Cinematografica (2. bis 12. September), wie die vorjährigen Ausgaben des Venediger Filmfestivals, eine stürmische, eklektische, provokante, also glücklich machende Selektion auftischen wird. Zum anderen, da ich gerade meinen Rückflug (auf eigene Kosten, versteht sich) auf einen späteren Termin umgebucht habe, damit ich den "Ultimate Cut" von Dante's sehr, sehr selten gezeigter "Movie Orgy", ein Zusammenschnitt aus B-Filmen, Commercials, Erziehungsfilmen und einigen anderen Preziosen aus den 50er- und 60er-Jahren (neue Lauflänge: 270 Minuten; alte Lauflänge: 7 Stunden, glaube ich), doch noch sehen kann. Die läuft nämlich am allerletzten Tag des Festivals.

Kino

flickr

Bild der totalen Glückseligkeit: Joe Dante feiert eine Movie Orgy in Venedig

In den guten zwei Wochen davor, wird der Lido di Venezia wieder vibrieren vor lauter Kinoliebe und Filmlust. Nachdem die Organisatoren im letzten Jahr von der engstirnigen italienischen Filmpresse für ihre radikale Programmierung (der Tenor war: viel zu wenige Stars!) gescholten wurden, haben sich Direktor Marco Müller und sein Selektionskommittee für die diesjährige Ausgabe ein Herz genommen und viele US-amerikanische Filme (ja, auch mit Starbesetzung) in die Auswahl genommen.

Der australische Regisseur John Hillcoat, dessen brillanter Neo-Western The Proposition mit dem großartigen Score von Nick Cave hierzlande leider nicht zu sehen gewesen ist, feiert in Venedig die Weltpremiere von The Road. Will man Branchengerüchten glauben (und das sollte man eigentlich nie tun), dann ist die mit Viggo Mortensen bestückte Verfilmung von Cormac McCarthys (No Country For Old Men) postapokalyptischem Roman nicht nur gut, sondern eine Sensation. "The Road" läuft im Übrigen im offiziellen Wettbewerb des Festivals, der heuer unkonventionell, teilweise sogar trotzig und frech programmiert ist: während die meisten Arthouse-Kapazunder bereits im Mai in Cannes vom Stapel gelaufen sind, krallt sich Marco Müller einige Höhepunkte des fantastischen Films.

Straße

2929/Dimension Films

Hättest du ihn erkannt? Viggo Mortensen schleppt sich über "The Road"
Zombie

www.naggeria.net

"The society is the zombie, man!" hat mir Herr Romero mal in einem Interview gesagt

Horror am Lido

Der hochsympathische Zombie-Guru George A. Romero serviert seine neueste, grenzgenial betitelte Horror-Allegorie Survival of the Dead und Japans Techno-Punkfilmer Shinya Tsukamoto (Nightmare Detective 1 und 2) besinnt sich auf seine Lo-Fi Wurzeln und legt eine dritte Ladung Tetsuo, diesmal allerdings in englischer Sprache, nach. Noch eine Fortsetzung hat es an den Lido geschafft: nachdem der Wackelkamera-Schocker REC vor zwei Jahren in Venedig seine Weltpremiere gefeiert hat, zeigen die spanischen Regisseure Paco Plaza und Jaume Balaguero nun auch das Sequel beim italienischen Edel-Festival. Und auch die traditionell wackelig programmierte Nebenschiene Giornate degli Autori ist auf die Zombies gekommen: mit La Horde läuft dort der jüngste Auswuchs des französischen Schocker-Booms.

Zombie

image.net

Angst vor der Dunkelheit? Zu Recht, weiß jeder, der REC gesehen hat. Ein Bild aus dem Sequel, das am Lido seine Weltpremiere feiern wird.

Are you still feeling in two dimensions?

Nochmal retour zu Joe Dante: der ist in diesem Jahr nicht nur Teil der Wettbewerbsjury und zeigt seine neu geschnittene "Movie Orgy" her, nein: er hat auch - und das ist die eigentliche Sensation dieses Jahrgangs - einen neuen Film fertig. Wieso das besonders ist? Weil Dante, ein aufrichtiger linker Humanist, der sein Handwerk im Corman-Stall gelernt hat, immense Schwierigkeiten hat, überhaupt noch einen Film finanziert zu bekommen. Lieber schaufelt man die belle visage des liberalen Hollywood, George Clooney, in einen weiteren korporatismuskritischen Film, als dass man die vulgären, grundehrlichen Gesellschaftskritiken von Herrn Dante unterstützen würde. The Hole ist die Rückkehr des Regisseurs zum Horrorfilm und wird am Lido in 3D-gezeigt.

Poster

fearnet.com

Herr Dante schaut ins Loch: "The Hole" läuft in Venedig außer Konkurrenz

3D. Der neue Hype auf Filmfestivals: nachdem bereits Cannes in diesem Jahr mit Pixars Up dreidimensional eröffnet hat, verbeugt sich auch Venedig vor der (revolutionären?) Technologie. John Lasseter und seine Pixar Fellows bekommen von Merchandising-Regisseur George Lucas (welch Ironie!) einen Preis für ihr Lebenswerk überreicht, halten einen Workshop ab und zeigen außerdem die 3D-Versionen ihrer animierten Meisterstücke Toy Story und Toy Story 2. Auch in Japan geht man neuerdings mit fetten Brillen ins Kino: deshalb ist auch der neue Film von Animations-Halbgott Rintaro (Metropolis) namens Yona Yona Penguin in 3D zu sehen. Solche Kinkerlitzchen können einen Testosteronsüchtigen wie Nicholas Winding Refn nicht beeindrucken: sein Wikingerepos Valhalla Rising spielt sich in zwei Dimensionen ab. Ich höre mich schon "Odin!" schreien.

Zeichentrick

www.cartoon-media.be

Yona Yona Penguin
Wikinger

www.filmofilia.com

Valhalla Rising

Grausame Zärtlichkeiten

Lourdes

Stadtkino Wien

Jessica Hausners Lourdes

Zeitgenössischer geht's beim neuen Film von Indie-Regisseur Todd Solondz zu: 1996 hat er mit Happiness ein super Ensemblestück zur "Unhappiness" in Suburbia vorgelegt, zu dem sich Life During Wartime wie eine Art von Fortsetzung verhalten soll. Dem Geist und der Geistlichkeit der Gegenwart auf der Spur ist auch Jessica Hausners Lourdes, der am Lido für Österreich in den Wettbewerb um den Goldenen Löwen zieht. Unsere Alpenrepublik ist dort insgesamt mit sechs Filmen (darunter auch Peter Schreiners neue Doku-Arbeit Toto) und somit außergewöhnlich stark vertreten.

Poster

Flickr

Poster des Glücks: wacky Werner Herzog inszeniert Nicolas Cage

Deutschland versucht mit der Komödie Soul Kitchen von Fatih Akin zu punkten, ich freu mich aber eher auf Bad Lieutenant: Port of Call New Orleans, den neuen Film von Visionär Werner Herzog (der außerdem einen vierminütigen Kurzfilm vorstellt), irrsinnig besetzt mit Nicolas Cage, Val Kilmer und Michael Shannon.

Auf der kunstsinnigeren Seite laufen unter anderem neue Filme von Claire Denis (White Material), Patrice Chereau (Persecution) und Altmeister Jacques Rivette, während die USA neben Genrefilmen von Dante und Romero vor allem mit linken Gewissensfilmern vertreten sind: Steven Soderbergh zeigt The Informant! mit Matt Damon, Grant Heslov inszeniert ein glitzerndes Charakter-Quartett mit George Clooney, Ewan McGregor, Jeff Bridges und Kevin Spacey als The Men Who Stare At Goats und zu guter letzter polemisiert noch Michael Moore in Capitalism: A Love Story zur Weltwirtschaftskrise.

Kino

www.daemonsmovies.com

Michael Moore wütet wieder

Meine Finger krachen schon vom vielen Tippen: all die Schönheiten, die ich jetzt noch nicht erwähnt habe, finden sich dann gewißlich in meinem Venedig-Blog, in dem ich mich immer wieder mit Kritiken und allgemeinen Einschätzungen zu diesem 66. Venediger Filmfestival zu Wort melden werde.