Erstellt am: 30. 8. 2009 - 16:50 Uhr
Die Grenzen der Inspiration
Unlängst berichtete die britische "News of the World" dass Blake Fielder-Civil, besser bekannt als Ex-Mann von Amy Winehouse Ansprüche von 5,18 Millionen Euro gegen sie geltend macht.
merkur-online.de
Denn nachdem er Amy im Mai 2007 betrogen habe, habe sie diese Erfahrungen in Liedform verarbeitet. Die dabei entstandenen Hits wie "Rehab", "You Know I´m No Good" und "Tears Dry On Their Own" hätten sie international bekannt gemacht, so seine Argumentation.Tatsächlich hat Amy Winehouse das Erfolgsalbum "Back To Black" nach der Trennung geschrieben - irgendwie verständlich, dass der Ehemann mit verdienen will; allein, er wird nicht damit durchkommen.
Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie weit man lebende Menschen als Inspirationsquelle benutzen darf.
Thomas Mann ist ja dafür bekannt, dass er in den Romanen seine ganze Sippschaft porträtiert hat. In seinem Spätwerk "Dr. Faustus" (1947) benutzte er seinen Lieblingsenkel Frido als direkte Vorlage für die Romanfigur Nepomuk Schneidewein und lässt ihn seitenlang unter grauenvollen Schmerzen an einer eitrigen Gehirnentzündung sterben.
wikipedia.org
Mehrmals wöchentlich horchte er im amerikanischen Exil Arnold Schönberg beim Abendessen über die Zwölftonmusik aus, die im Roman
eine große Rolle spielt. Als "Dr. Faustus" erschien, fühlte sich Schönberg verletzt und hintergangen, es kam zum Zerwürfnis. Auch die wochenlange musikwissenschaftliche Mitarbeit Adornos am Roman ließ Mann unter den Tisch fallen, was die Freundschaft nicht stärkte und bei der Nachwelt den Verdacht aufkommen ließ, der große Schriftsteller sei ein doch nicht ganz so feiner Mensch gewesen.
Genau andersrum liegt der Fall bei Amy und ihrem nichtsnutzigen Ehemann, der auch noch Kapital aus seinen Gemeinheiten schlagen will. Wenn er mit diesem frechen Ansinnen durchkäme, würden ja Millionen- und Milliardenklagen auf uns Songwriter und Autoren zukommen, jeder der uns jemals verletzt und gedemütigt hat, würde an unseren Tantiemen beteiligt werden. Denn Songs entstehen nun einmal eher aus leidvollen Erfahrungen als aus überschäumender Lebensfreude. Und wenn es uns manchmal auch traurig stimmt, dass von so vielen Erlebnissen und Bekanntschaften nur ein Lied übrig bleibt, so bleibt doch auch von manch unnötig schlechter Erfahrung wenigstens ein Lied - Ein Lied das einem im Idelafall vielleicht eines Tages sehr reich macht, selbst dann wenn die Erinnerung an die unwürdige Inspirationsquelle schon ganz verblasst ist.