Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Song zum Sonntag: Fiery Furnaces"

Boris Jordan

Maßgebliche Musiken, merkwürdige Bücher und mühevolle Spiele - nutzloses Wissen für ermattete Bildungsbürger.

30. 8. 2009 - 01:18

Song zum Sonntag: Fiery Furnaces

Aus Trauer wird Wut: Drive to Dallas

If I see you tomorrow
I don’t know what I will do
I’m not going to cut my hair or run
around the block
I’m not going to drive to Dallas with
blurry eyes ever again

With windshield wipers that can’t wipe
away my tears
If I see you tomorrow
I don’t know what I will do
I’m not going to cut my hair or run
around the block
I’m not going to drive to Dallas with
blurry eyes ever again

With windshield wipers that can’t wipe
away my tears,
And everything I own piled up in the
backseat
With a speeding ticket from that speed
trap town
The one that got my license revoked
But I never got pulled over

Never got questioned
No, I never got pulled over
Never got questioned
But I still drove all around without it

If I see you tomorrow ...

No tomorrow won’t be the day I drive
up to Dallas
With red eyes, blurry eyes and dull wipers
that no don’t work
Everything piled up in the backseat so I
can’t use the mirror
You said we had unfinished business but
it’s finished now

Never got questioned
No, I never got pulled over
Never got questioned
But I still drove all around without it

If I see you tomorrow ...

No tomorrow won’t be the day I drive
up to Dallas
With red eyes, blurry eyes and dull wipers
that no don’t work
Everything piled up in the backseat so I
can’t use the mirror
You said we had unfinished business but
it’s finished now

If I see you tomorrow ...

Schnell könnte sie fort. Sie hatten wohl noch etwas offen, etwas nicht zu Ende gebracht, zumindest hatte er das behauptet. Doch das ist jetzt vorbei. Eigentlich sollte sie auch fort, fort von ihm. Aber sie ist nicht bereit für die üblichen Rituale, die einem nach einer Trennung so offen stehen. Haare schneiden, ein bißchen weinen und abhauen. Den Gefallen tut sie ihm nicht. Ihr ganzes Zeug ist auf dem Rücksitz aufgestapelt, ihre Augen sind verheult und sie sieht nicht klar. Und ihr Führerschein gilt auch nicht, sie hatten sie zwar erwischt, aber nicht vernommen und so fährt sie immer noch ohne herum. Und ihre Scheibenwischer sind defekt, sodass sie den Dreck auf der Windschutzscheibe genauso wenig wegwischen können, wie ihre Tränen. Und das wäre nötig, wenn sie zurückkehrt nach Dallas, eine Heimkehr oder Rückkehr die wohl auch eine Art des Eingeständnisses der Niederlage sein dürfte.

Das Genre, das für Songs dieser Art offen steht ist, ganz klar, der Torch Song, eine spezielle Art des Blues, sehr oft gesungen von einer dieser großen traurig- expressiven Frauenstimmen, von Bessie Smith, Billie Holiday und Blossom Dearie, untermalt von schweren, leicht dissonanten Klavierakkorden, deren "Blue Notes" das traurige Ereignis, wie im Blues üblich, noch untermauern. In einer späteren Phase ist aus diesen Songs (nicht nur aus ihnen) die schöne, "klassische" Soul Ballade entstanden und "Drive to Dallas" baut auf genau dieser auf.

Aber die Geschwister Friedberger wären nicht die Fiery Furnaces, wenn sie uns hier eine herzzerreißende Vorlage zur Whitney Houston Imitation bei Gesangswettbewerben geliefert hätten.

the Fiery Furnaces

Kenneth Cappello 2005

"Drive to Dallas" ist keine eindeutige Nummer. Hier gibt es keine vokale Expression, die verzweifelte Lage der Hauptfigur wird fast gemurmelt nur durch Wiederholung des Refrains reingehämmert. Denn es ist schließlich nicht überfließende Trauer, die sie zum Singen oder zum Weinen gebracht hatten, sondern zurück gehaltene Wut. Eine Wut, die zu artikulieren sie ihrem Verflossenen auch nicht gönnt. Sie deutet sie mit einer Autometapher an (Sie, die die Cops nicht bekommen hatten, lässt sich nicht so leicht unterkriegen) - und dann übernimmt der Song für sie den Wutausbruch. In einem Mittelteil der blinden Raserei, genau in der Mitte des Songs, kommt plötzlich der Beelzebub- Gitarrist nach vorne und lässt die zwei Wutmusiken heraus, die den Zustand der Hauptfigur unterstützen, die für Wut zuständig sind, Metal und Punkrock - wie wenn Ingwie Malmsteen und Greg Ginn sich nach vorn drängen würden, wenn sie sie ließe, würden sie es dem Verflossenen schon zeigen. In einem rasend schnellen Fiedelsolo auf der E Gitarre deuten sie an welche Totmetzger- Phantasien hier zurückgehalten werden. "I don't know what to do" singt dann auch Eleanor, und wir können es uns entweder vorstellen oder auch einem Genrevideo mit viel Kunstblut entnehmen.

Dann, nach 30 Sekunden, kehrt das Klavier zurück und es läuft wieder gesittet weiter, der Verflossene wird nicht zerstückelt, aber einfach so Haare schneiden und nach Dallas fahren sind auch nicht drin.

Plattencover I'm going away

Fiery Furnaces

Was es mit dem neuen, achten Album der Fiery Furnaces auf sich hat, ob "I'm going away" nun das poppige Album ist, das sich Fans ihres Songs "Tropical Iceland" lange wünschen und was es mit ihren Freundschaften zu Franz Ferdinand und Sebadoh auf sich hat, hat wieder einmal unser Brooklyn Korrespondent Christian Lehner im Interview erfahren dürfen. Und er wird es uns erzählen, am Dienstag in der FM4 Homebase und auf diesen Seiten.

Metal, Punk, Soul, naja ... wahrscheinlich hat auch Kollege Kramar recht, wenn er hier seinen alten Feind Zappa ins Spiel bringt. Die Fiery Furnaces haben eben auf ihren 6 vergangenen Alben oft genug eine Verwandtschaft zum großen Control Freak und unleidlichen Erfinder des "Witz"- Rock bewiesen: Ihre langen Songs mit vielen Teilen, ihre rasend schnellen Wechsel zwischen den Genres der Unterhaltungsmusik der letzten 50 Jahre mitten in den Songs, ja mitten im Takt, ihre zehnminütigen Epen und albenübergreifende Konzepte, ihre genialischen Melodien, die sie mit Lust zerstören oder umdrehen, gerade wenn man sich an sie gewöhnt hat ...

Allerdings denke ich abschwächend, versöhnlich, aber eigentlich schon immer bei den Fiery Furnaces lieber an Captain Beefheart, der, von all dem auch nicht unbeeinflusst, sich immer zu einer künstlerischen Attitüde und zum Risiko bekannt und sich von all dem Gewollten, Autoritären und dämlich Pubertären seines Freundes Zappa immer abgegrenzt hat.

Denn einen (musikalischen) Witz zu machen ist für die Fiery Furnaces nicht so wichtig, wie in der Kunst zu bleiben. Und wenn man in der bleibt, darf man auch mal kichern.