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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

28. 8. 2009 - 20:37

Fußball-Journal '09-78.

Nachhilfe.

Es war gestern, beim Austria-Spiel im Horr-Stadion. Ich kam aus Zufall hinter der Reihe mit den Krone-Reportern zu sitzen und erlebte anschaulich mit wie man's macht. So tat sich der Matchbericht-Autor in der Anfangs-Phase mit an die Austria-Presse-Verantwortlichen, die hinter uns Position bezogen hatten, gerichteten Rufen hervor: "Zur Halbzeit ist das erledigt! Da kann nix passieren!" Ein Irrtum, wie das Führungstor des Gegners anschaulich belegte.
Die Rufe blieben danach aus, zur Halbzeit jedoch schrieb der Mann genau das in seinen Text: dass nämlich die von ihm laut und vielfach gehörte Zuschauer-Meinung "es könne nix passieren" so böse widerlegt worden war. Der Absatz fiel dann schlussendlich wieder raus und ist im heute erschienenen, fertigen Text nicht zu lesen (es geschah noch zuviel Wichtigeres) - aber schöner kann man seine Aufgabe als "Volkes Stimme" nicht auf den Punkt bringen: Da der Krone-Reporter ja selber auch Publikum ist, kann er auch problemlos sich selber zitieren; ein wunderschönes Beispiel vom aktuellen Verständnis von plesbiszitärer Demokratie.

Neben dem Chef saß ein Assi, der für die Statistik zuständig war und die TV-Wiederholungen checken mußte, um eh alle Beteiligten richtig zu identifizieren. Oben auf seinem Zettel hatte er die Grundaufstellung des Gegners aus Donezk stehen und war dabei einem kleinen Irrtum aufgesessen. Den Ankick nämlich führte der Bulgare Dimitrov mit der Nummer 18 aus, der sich dann ein paar Minuten vorne aufhielt, während die Nummer 22, der Armenier Mkitarian direkt hinter ihm spielte.
Nach ein paar Minuten war's damit vorbei, der Armenier spielte die hängende Spitze, der Bulgare im zentralen Mittelfeld.
Für den Krone-Assi war der Auftrag "Gegner" aber mit dem Ankick bereits erledigt, weshalb die Krone-Aufstellung heute halt einfach falsch ist. Das hat damit zu tun, dass sowas den Mainstream-Medien einfach blunzwurscht ist: Systeme, Taktik, Strategien, die Namen der Gegner, einfach alles, was die simpelsten Basics übersteigt.

Das UEFA-Sheet zu Salzburg-Haifa

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Das UEFA-Sheet zu Salzburg-Haifa

In diesem Zusammenhang sind mir dann die ausführlichen Presse-Sheets der UEFA eingefallen, die nicht nur alle Daten und Fakten, nicht nur die taktische Aufstellung, sondern eben die tatsächliche Spielweise analysiert.
Und dass man, wenn man sich schon nicht einfach das Hinspiel anschaut und dann die davor unbekannten Ukrainer danach leicht einschätzen kann, da einfach seine Hausaufgaben erledigen kann um derartiges zu vermeiden.

Das würde funktionieren, wenn es in Österreich eine entsprechende mediale Kultur geben würde, wie sie in den großen und den richtigen Fußball-Ländern üblich ist, wie es hierzulande wenigstens der Standard mit seinen Ländermatch-Analysen probiert.

Gleichzeitig war mir aber klar, dass sich der Krone-Matchberichtler nicht sein genialisches Gespür für die Meinung der Massen mit so etwas Banalem wie Beschäftigung mit Hintergründen kaputtmachen lassen würde.

Ich hab dann trotzdem reingeschaut, in die UEFA-Sheets und mir ist bei den Berichten zu Salzburg-Haifa und Haifa-Salzburg was anderes aufgefallen.

Aber seht selber:

Die 1. Halbzeit von  Haifa gegen Salzburg, strategisch gesehen

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Die 1. Halbzeit von Haifa gegen Salzburg, strategisch gesehen.

Das ist das Spiel, das uns Huub Stevens als eines mit fünf Offensiven und gleich drei Stürmern verkauft hatte. Schnecken.
Hinter einem vorne völlig alleingelassenen Janko (21) ballen sich Svento (18), Tchoyi (13), Leitgeb (24) und Cziommer, der lustigerweise quasi unter Leitgeb angezeigt wird, weil die Spieler eben dasselbe Terrain beackerten.

Von drei Stürmern ist nichts zu sehen.
In der zweiten Halbzeit, als Salzburg alles nach vorne werfen musste, geschah, taktisch gesehen - genau nichts.

Die 2. Halbzeit von  Haifa gegen Salzburg, strategisch gesehen.

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Die 2. Halbzeit von Haifa gegen Salzburg, strategisch gesehen.

Zickler agiert HINTER Janko, noch weiter dahinter Svento und Tchoyi, die wenigstens ein bissl mehr auf die Seiten gingen. Wo der ebenfalls für die Offensive eingewechselte Vladavic (25) herumturnte zeigt die Grafik anschaulich.

Das sind die Fakten, mit denen man Huub Stevens gegenübertreten muss, wenn er wieder Münchhausen-Geschichten über eine umfangreiche Offensive reitet.

Und eigentlich war das schon nach dem Hinspiel klar.
Schaun wir uns die 1. Halbzeit des Heimspiels an:

Die 1. Halbzeit von Salzburg gegen Haifa, strategisch gesehen.

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Die 1. Halbzeit von Salzburg gegen Haifa, strategisch gesehen.

Immerhin: daheim traut sich Stevens mit echten Flügeln zu spielen - und er hat in der Mitte, ja was... Letztlich ballen sich da vier in einer Reihe, als ob sie bei der Tauzieh-WM mitmachen wollen.

Diese aufgefädelte Mittelfeld-Strategie fällt ja schon seit Stevens-Anbeginn unangenehm auf und belegt, dass seine Sprüche von den offensiv orientierten Akteuren ein Schmäh ist.

Die 2. Halbzeit von Salzburg gegen Haifa, strategisch gesehen.

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Die 2. Halbzeit von Salzburg gegen Haifa, strategisch gesehen. Alle Grafiken copyright UEFA.

Die zweite Hälfte offenbart aber dann wieder das ganze Drama: Janko, der einzige echte Stürmer zeigt, wo "vorne" ist, und dass die Positionen, die Nelisse und Zickler in der 1. Halbzeit eingenommen hatten, eben zu vorsichtig weit hinten waren. Und wieder kleben Augustinussen (8), Leitgeb (24) und Cziommer (19) aufeinander als wären sie eine Polonaise.

Alles in allem ist das ein strategischer Jammer: ein völlig verbautes Mittelfeld, eine versteinerte Verteidigung ohne Offensivpotential, zwei auswärts total gestutzte Flügel und ein, manchmal zwei isolierte Angreifer.

Das UEFA-Sheet zu Haifa-Salzburg

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Das UEFA-Sheet zu Haifa-Salzburg

Alles in den UEFA-Sheets für jeden Hilfsschüler deppensicher einzusehen; mit schön erklärenden Grafiken.

Wer sich ab jetzt noch von Huub Stevens zum Narren halten lässt, wenn er wieder irgendeine Fantasie-Geschichte von wohl tendenziell nur geträumten Stürmern erzählen will und patzig wird, wenn man das anzweifelt - der ist selber schuld.

Und kein wirklicher Vertreter des Publikums.
Das ist nämlich nicht ganz so deppert wie man glaubt; es lacht über das, was uns Stevens da einreden will. Und auch über die hilflosen Reporter die auf Behauptungen wie "Wir spielen mit drei Spitzen!" mit Sätzen wie "Äh..., ... ... ...?" (also gar nicht) reagieren, sondern sich fürchten.

Klar, die Krone-Weisheit, dass es in Wirklichkeit nur wichtig ist irgendeine platte Pseudo-Wahrheit zu erfinden, sie zur Volksmeinung hochzustilisieren und dann damit billig zu fahren, die ist verlockend.

Für alle, denen Fußball aber mehr als braves Abnicken von deutlichem Unsinn bedeutet, für alle, die Respekt vor ausländischen Gegnern und strategischen Überlegungen haben und für alle, die dieses Spiel nicht den plumpen Populisten überlassen wollen, sollte klar sein, dass man sich den modernen Hilfsmitteln, die das Verstehen von und das Kommunzieren über Fußball auf eine neuartige Weise intensiv machen, nicht verschließen darf, wenn es drum geht Scharlatane aufzublatteln.

Das 20. Jahrhundert ist nämlich schon vorbei, selbst für Fußballjournalisten.