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Natalie Brunner

Appetite for distraction. Moderiert La Boum de Luxe und mehr.

17. 9. 2009 - 13:36

Cocaine Cowboys

Das reale Miami Vice. Eine Dokumentation über kulturelle und ökonomischen Konsequenzen des Kokain-Booms der 80er Jahre.

Man kann in den USA für ein Verbrechen nur einmal rechstkräftig verurteil werden. Diesem juristischen Prinzip verdanken es die Regisseure Billy Corben und Alfred Spellman, dass in ihrer Doku "Cocaine Cowboys" Drogenhändler, Schmuggler und Polizisten, ob korrupt oder nicht korrupt, vor die Kamera treten und volkommen offen über die Kokain-Schwemme und die daraus folgende Verbrechensexplosion in Miami in den 70er und 80er Jahren sprechen.

Offizielle Website zu "Cocaine Cowboys"

"Cocaine Cowboys" ist nicht an einem moralischen Diskurs interessiert, es geht nicht um eine Aufarbeitung des menschlichen Leids, das durch die Drogen und den Drogenhandel verursacht wurde, sondern um die Analyse der kriminellen Strukturen und wie sie sich in Wirtschaft und Medien fortsetzten, sprich was die kulturellen und ökonomischen Konsequenzen des Kokain-Booms der frühen achtziger Jahre waren.

Szenenbild aus "cocaine cowboys", zwei Männer mit Waffen stehen vor einem Tisch, vollgeladen mit Kokain

Magnolia Pictures

Szenenbild aus "Cocaine Cowboys"

Unaufgeregt und detailliert erzählen Syndikatmitglieder, wie Flugzeuge und U-Boote angeschafft wurden, um tonnenweise Kokain nach Florida zu bringen. Ganze Landstriche entlang der Küste wurden aufgekauft und zum Schein mit Fereinhäusern bebaut, die in Wirchlichkeit als Andockstellen und Lager dienten.

Cocaine Cowboys eins und zwei sind auf DVD erschienen. Die Regieseure arbeiten gerade an einer auf ihren Dokus beruhenden Fernsehserie.

Lokale Korruption und die staatliche Überforderung angesichts der Logistik der Kartelle liessen die Mühlen des Gesetzes langsam mahlen.
In Miami wurden in den 80er Jahren 206 Banken gebaut - einzig und allein aus dem Grund, weil den Drogenhändlern und dem Rattenschwanz an Mitverdienern der Platz ausging, wo sie ihr Bargeld deponieeren könnten. Der Bauboom in Miami geht ebenso auf das Konto der Narkotrafikanten.

Die astronomischen Gewinne wurden in Immobilien und legale Geschäften investiert und verwandelten Südflorida von einem verschlafenen Rentenerparadies für einige Jahre in ein ökonomisch florierendes Party Babylon. Man erfährt in "Cocaine Cowboys", dass Miami, so wie man es heute kennt, zum Großteil mit Drogengeld gebaut wurde.
Die auftauchenden Personen sind deart skurril, dass man fast glaubt, sie sind einem Drehbuch und nicht der Realität entsprungen. Das letzte Drittel der Doku (und der gesamte, nicht mehr ganz so empfehlenswerte, Teil 2) ist Griselda Blanco gewidmet.

Metro Dade Police Department

Griselda Blanco

Frau Blanco war eine unberechnbare Soziophatin aus einem Slum in Medellin, die mit 11 Jahren bereits ihren ersten Mord beging und im Laufe ihrer Karierre als Godmother des Kokainhandels Florida in ein Schlachtfeld verwandelte. Sie hat vier Söhne von drei verschiedenen Vätern, die sie alle ermordete. Der jüngste ihrer Söhne tauft sie in Anlehnung an Francis Ford Coppolas "The Godfather" Michael Corleone. 1985 wurde sie verhaftet und nach 20 Jahren Haft in den USA kehrte sie nach Kolumbien zurück.

Das personelle Inventar, mit dem Michael Mann seine fiktive TV-Serie "Miami Vice" bestückte, dürfte ihm wohl zu dieser Zeit in Miami über den Weg gelaufen sein und nach den in "Cocaine Cowboy" Interviewten zu urteilen, hat er wohl kein bisschen übertrieben in puncto Skrupelosigkeit und Skurrilität seiner Figuren.