Erstellt am: 26. 8. 2009 - 15:24 Uhr
Membros
Hip Hop ist keine Unterhaltungsmusik, sondern eine sozialrevolutionäre Jugendkultur, davon sind die Mitglieder der Tanztheatergruppe Membros überzeugt. Es ist eine Möglichkeit, die bestehenden Machtstrukturen in Frage zu stellen und kulturell zu unterwandern. Ihr politisches Tanztheater ist zur Zeit in Linz im Rahmen von Theaterlust 02 zu sehen.
Macaé, die Heimat von Membros, ist eine kleine Stadt 200 Kilometer nördlich von Rio. Ölindustrie ist dort angesiedelt, eines der größten Ölfelder liegt vor der Küste. In den letzten Jahren ist Macaé schnell gewachsen - aber die Infrastruktur ist nicht mitgewachsen. Die Verbrechensrate ist für eine Stadt mit 160.000 Einwohnern sehr hoch.
Taís Vieira ist eine der zwei Choreographen von Membros. Sie erklärt mir, dass viele Menschen auf der Suche nach Arbeit nach Macae kommen und keine finden, weil nur qualifizierte Fachkräfte gebraucht werden. So landen sie arbeitslos auf der Straße.
Membros besteht aus zehn Mitgliedern, alle noch nicht mal Mitte 20. Elemente des B Boyings sind in ihren Perfomances ebenso zu finden wie Capoeira oder Klassisches Ballett. Vor zehn Jahren wurde die Tanztheatergruppe, die in Europa stark gefeiert wird, von den Choregraphen Taís Viera und Paulo Azevedo gegründet.
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Hip Hop und die soziale und politische Philosophie, die dieser Kultur zugrunde liegt, sind einer der Ausgangspunkte, erzählt Julius, Tänzer des Ensembles. Er erklärt, warum der nationale, brasilianische Hip Hop im speziellen Racionais MCs ein wichtiger Anknüpfungspunkt sind.
"Der brasilianische Hip Hop kommt aus den armen Gemeinden aus den Favelas. Deshalb ist er von Anfang an viel politischer als das, was aus den USA nach Brasilien kommt. Das ist ein unauslöschliches Charakteristikum des brasilianischen Hip Hop: Er kommt aus der Favela. Die politsche und soziale Ausdruckskraft von Hip Hop ist auch der Aspekt, der uns im Rahmen unserer Arbeit als Tanzgruppe interessiert."
Die Membros Intpretation von B-boying ist drastisch. Misshandlungen physischer und psychischer Natur, Angst und Isolation werden von den Bewegungen ausgedrückt. "Ich verwende für unsere Arbeit gerne den Ausdruck politischer Tanz", meint Taís Vieira, "weil wir soziale und politische Themen als Grundlage der Choreographie behandeln."
In Linz wird die Trilogie Raio X Röntgenstrahl, Fevre/ Fieber und Medo/Angst aufgeführt.
Membros setzten sich in der Trilogie mit verschiedenen Manifestationen von Gewalt auseinander. Physische Gewalt, die Männern und Frauen angetan wird und strukturelle Gewalt, die Menschen genauso zerstört.
Raio X beschäftigt sich mit dem Massaker von Carandiru. Carandiru war ein Gefängnis in Sao Paulo. Der Name wurde Synonym mit dem Scheitern der Rechtsstaatlichkeit. Hinter den Gefängnissmaueren bekriegten sich brutale Banden mit Duldung der bestochenen Wärter. 1992 kam es zu einer Gefängnisrevolte, bei der 102 Insassen erschossen wurden. Die Wärter massakrierten auch Unbewaffnete, die sich bereits ergeben hatten.
Also bringen die Raio X, die Röntgenstrahlen, für das Publikum das zu Tage, was hinter den Gefängnissmauern geschen ist.
Linz09
Im Rahmen vonLinz 09
"Fevre handelt von sozialem Chaos," meint der Tänzer Louis Henrique. Es geht um strukturelle Gewalt, die nicht notwendig als physische Gewalt wahrnehmbar ist.
Die Trilogie schließt mit dem Stück "Medo", das von Prostitution und Gewalt handelt, die Frauen angetan wird.
Membros sind im Rahmen von Linz 2009 am 27. und 29. August am Asfalt – Stockplatz unter der Voest Brücke Urfahr zu sehen.