Erstellt am: 26. 8. 2009 - 12:45 Uhr

Die Erinnerungsmaschine

Liebe, Leidenschaft, Trauer, Verzweiflung, Freude, Überraschung: Erika Koriska und Markus Keuschnigg surfen auf Liedern durch ihre Leben. Ein Open Mike mit fröhlichen Wolken und traurigen Helden.

Die Frau geht langsam, ganz vorsichtig, denn jede falsche Bewegung, jeder falsche Blick kann ihren Tod bedeuten, durch das Keller-Labyrinth. Die Wände sind feucht, überall riecht es nach Verwesung, nach vergehendem Leben. Sie hört die Schreie der jungen Frau, deren Hoffnung auf Befreiung wächst und wächst. „Ich überlebe doch!“ Vielleicht, nur vielleicht. Schmetterlinge flattern um eine schmutzige Glühbirne. An den Wänden, auf dem Boden, auf Tischen, in Regalen: Fotografien von Toten, schmutzige Tapeten. Ich meine, Blut zu sehen.

Flickr

Aufzeichnungen aus meinem Keller: dieser Mund hat mich Monate, Jahre lang verfolgt. Ich weiß immer noch ganz genau, was er sagt. Wie er sich bewegt. Vor allem, welches Lied im Hintergrund läuft.

Eine Nähmaschine: irgendwo hängt die zweite Haut. Dann fällt das Licht aus. Ich falle aus allen Wolken, direkt in die Hölle. Die Frau hält mit einer Hand ihre Waffe fest, zielt in die Dunkelheit, tastet sich mit der anderen Hand an der Wand entlang. Plötzlich: alles wird grün. Dann, nach einer Ewigkeit: ein Schuss. Die Befreiung, meine Erlösung. Ich setze mich in meinem Bett auf. Meine schweißnasse Hand lockert langsam ihren harten Griff um die Decke. Ich taste im Dunkeln nach meiner Nachttischlampe. Es wird Licht. Ich schreie: ein Moment, in dem mir alles einfriert. Kalter Schweiß. Dann fliegt der Nachtfalter aus dem geöffneten Fenster.

Licht

Immer noch, wenn ich das Lied aus diesem Film höre, sehe ich diese Szene deutlich vor mir. Kraft meiner Erinnerung wird der „catchy tune“ darin zum unheimlichsten Song aller Zeiten. Meine mittlerweile digitalisierte Musiksammlung erzählt mir aus meinem Leben: da ich wenig anderes mache als Filme zu schauen, kenne ich mich mit neuen Künstlern, Alben, Liedern und Trends nicht aus. Ich kaufe selten bis nie Musik auf Empfehlung von anderen: ich kaufe sie, nachdem ich sie in Filmen gehört habe. So surfe ich durch die Geschichte(n): einige Songs freilich fressen sich tief in einen hinein, sind für immer verbunden mit Gefühlen, sind oft auch los gelöst von dem Film, in dem sie vorkommen. Heute Nacht reisen wir durch unsere Erinnerungen, spielen Songs, die wir aus dem Kino kennen, die uns beeinflusst und bewegt haben. Wir erzählen von uns und spielen die „Soundtracks of our Lives“.

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You see, I'm just a happy little cloud. I laugh and I float and I sing my song!

Wir, das sind meine geschätzte Kollegin Erika Koriska und ich: die Mischung ist gut durchdacht. Ich packe meine 8 Lebenslieder in den Koffer, Frau Koriska bringt ebenso viele mit. Geschmäcklerisch soll hier gar nichts sein: Ehrlichkeit ist Trumpf. Es geht nicht darum, ein unbekanntes Lied auszugraben, um die Hörer damit zu beeindrucken. Es geht darum, das persönliche Erinnerungsreservoir anzuzapfen: und vielleicht sitzt dann jemand irgendwo und erinnert sich mit uns. Unsere Lieder haben wir in Filmen entdeckt, in sehr unterschiedlichen Filmen. Vom Horrortrash über französische Dramen hin zum Musical ist vieles dabei: wir weben einen Teppich für uns, für euch. Auf dass wir eine Stunde durch die Sommernacht sausen mit Musik im Ohr. Und tanzenden Bildern im Kopf.

Float with us to distant lands, wondrous and fair!

Das "Open Mike: Die Erinnerungsmaschine", am Mittwoch, 26. August, ab Mitternacht auf FM4.