Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Fußball-Journal '09-75."

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

25. 8. 2009 - 14:59

Fußball-Journal '09-75.

Vergessenes Nationalteam. Wie man mit dem Grasser-Schmäh ein Projekt in die Wurschtigkeit treibt.

Teamkader:
Tor: Christian Gratzei (Sturm), Helge Payer (Rapid), Andreas Schranz (Kärnten)

Abwehr: Aleksander Dragovic, Manuel Ortlechner (Austria), Franz Schiemer, Andreas Ulmer (Salzburg), Jürgen Patocka (Rapid), Christian Fuchs (Bochum), György Garics (Atalanta).

Mittelfeld: Julian Baumgartlinger (Austria), Paul Scharner (Wigan), Christoph Leitgeb (Salzburg), Yasin Pehlivan, Christopher Trimmel, Christopher Drazan (Rapid), Daniel Beichler, Andreas Hölzl, Jakob Jantscher (Sturm).

Angriff: Erwin Hoffer (Napoli), Marc Janko (Salzburg), Stefan Maierhofer (Rapid), Rubin Okotie (Austria Wien)

Auf Abruf: kein Tormann, Ronald Gercaliu (Neustadt), Zlatko Junuzovic, Florian Klein (Austria), Ümit Korkmaz (Frankfurt), Stefan Lexa (Ried), Thomas Pichlmann (Grosseto), Roman Wallner (LASK).

Verletzt: Prödl, Stranzl, Arnautovic, Pogatetz
Rücktritt: Manninger.
Es fehlen: Ivanschitz, Ibertsberger, Linz, Gspurning, Macho, Dag und Bahadir. Aus Österreich auch noch Prager oder Manuel Weber.

Ich geb's zu: Ich hab drauf vergessen.
Heute mittag wäre Bekanntgabe des ÖFB-Kaders für die nächsten Länderspiele (gegen die Färöer und Rumänien) gewesen, ein Pflichttermin, um den Stand der Dinge abzuchecken, und ich war nicht dort.

Ich halte aber was von Zeichen und vom Unbewussten.
Und deshalb schrillen meine Alarmglocken: Das Nationalteam vergessen? Nur weil grade sehr finale Europacup-Hektik ist, auch in meinem Kopf? Das kann jemandem, der sich auch die U17-Spiele in seinen Kalender einträgt, eigentlich nicht passieren.

Es hat wohl mit anderen Dingen zu tun: Zum einen damit, dass Constantini zuletzt alles getan hat, um die öffentliche Wirkung seiner Arbeit auf kleiner Flamme zu halten. Die letzte PK war eine viertelstündige Farce, der letzte Auftritt der Nationalmannschaft durchaus ernüchternd.
Zum anderen hängt es aber auch mit der Erwartung zusammen: Ich trau Constantini nichts mehr zu. Nicht sportlich, und auch nicht im Dialog.

Die Größe um über seinen Schatten zu springen

Ich hatte vorher gewettet, dass er sich nicht trauen wird, den im Aufwind befindlichen Andi Ivanschitz zu berufen . Da fehlt es deutlich an Größe, um über einen Schatten zu springen.

Ich war auch geneigt, davon auszugehen, dass Andreas Ibertsberger nicht nominiert wurde - er war schon gegen Kamerun nicht auf der Bank. Auch da muss etwas vorgefallen sein, was die bereits angesprochene Größe erfordern würde. Immerhin hat man mit der "Auszeit" eine Sprachregelung gefunden.

Was bleibt, ist die Tatsache, dass Spieler, die gegen die Bayern gut aussehen, nicht gut genug für's Nationalteam sind, andererseits aber solche, die noch gar nicht im Liga-Einsatz waren, schon.

Es ist dieses mit zweierlei Maß messende, also das Zeichen von reiner Willkürherrschaft, die dazu führt, dass ein solcher Bekanntgabe-Termin nicht mehr auf meinem Plan steht. Es ist diese "Ich mach, was ich will und ich erklär's sicher nicht"-Haltung, die eine Begegnung mit Menschen, die nach einem Wieso fragen, sinnlos und überflüssig macht.
Und es ist die fremdschämartige Peinlichkeit, die einen umfasst, wenn man was findet, nachfragt, und spürt, wie sich der Angefragte Stevensmäßig rauswindet, indem er ertappt blockt und versucht, die "Das geht dich überhaupt nix an!"-Pose vorzuschieben.

Die Pose des Ertappten

Der aktuelle Kader ist so wie Constantini: wurschtig. Halt irgendwer. Wenn man draufkommt, dass etwas nicht richtig war, wird heimlich und verspätet nachgebessert, weil's doch so herrlich egal ist.

Und diese Stimmung überträgt sich.
Auf mich etwa.

Soll ich, wie Leser "blackbenz" es einfordert, den Patockaismus anprangern, diesen Rückfall in dumpfeste Hickersberger-Zeiten?
Den weirden Eiertanz bei den Tormännern (wieso jetzt wieder ohne Macho?) aufwärmen?
Soll mich die Tatsache, dass sich das Team de facto auf die vier EC-Starter beschränkt, dass also ein jeder Fußball-via-TV-Konsument das auch so hingekriegt hätte, aufregen?
Die alte VIP-Klub-Haberer/Flüsterer-Krankheit, die verhindert, dass man sich mit den Legionären aueinandersetzt, ansprechen?
Oder etwa den Schmäh vom letzten Mal, als man sich selber als die "Herren Gut" abfeierte, weil man dem U21-Team für die wichtigen Quali-Spiele wichtige Spieler überließ - wovon diesmal gleich gar nicht die Rede war?

Geschenkt.
Wo die Möglichkeit zur Reflektion so wenig ausgeprägt ist, ist wütender Widerspruch fehl am Platz. Weil er verpufft, als würde man gegen eine Gummiwand schlagen.

Constantini und sein Team sind aus Gummi. Sie sind sehr unbeweglich, in vielerlei Hinsicht: Geistig, geografisch, strategisch. Und sie zeigen nicht einen einzigen Ansatz, das ändern zu wollen.
Weil es sich (in Österreich) damit ausgeht. Mit wenig Anstrengung, ohne optionales Denken, ohne Innovations- und Zukunfts-Ansätze in ein Projekt zu gehen. Das ist Usus - warum soll's ein ausgebuffter Profi also anders machen?
Die WM-Quali ist eh schon längst vorbei, de facto.
Und der ÖFB-Präsident hat Rückendeckung signalisiert, aus durchsichtig-populistischen KHG-Gründen: "Wenn jemand bei Fans und Medien gut ankommt, ist das sicher ein flankierendes Argument."

Populär bei Fans und Medien, wie einst Grasser

Diese "Popularität" ist ein fragiles Ding. Das weiß Constantini, er ist ja nicht blöd, auch selber: "Wenn man nichts gewinnt, ist man genauso der Trottel."

Constantini hat in Wahrheit nur einen einzigen Trumph: eine sehr gute junge Generation an Spielern. Aber auch die braucht mehr als eine zusammengewürfelte Aufstellung, vage strategische Anweisungen und eine maue Taktik.
Daran jedoch (siehe Kamerun-Spiel) krankt's. Massiv.

Wenn es gegen echte Klasse geht, versickert die jugendliche Ungestümtheit, auch weil die internationale Erfahrung (noch) fehlt. Ein (noch dazu aktuell falsch eingesetzter) Scharner, ein Garics und ein Fuchs genügen dafür nicht.

Constantini verlässt sich drauf, dass es Frische sein wird, die es, wenn's - vor allem auswärts - gegen Gegner in Augenhöhe geht (damit meine ich vor allem die Rumänen), quasi im Alleingang richten wird.
Wie im Heimspiel im April, seinem bislang einzigen Erfolg.

Das ist wie gesagt alles gefühlt so viel zu wenig und auch so wurschtig, dass sich ein Vergessen schon einstellen kann.
Keine Sorge, ich kenne mich: Ich werd' mich schon dagegen wehren. Schlimm genug, dass ich mich heute fast hab' anstecken lassen.