Erstellt am: 23. 8. 2009 - 06:00 Uhr
Song zum Sonntag: Masha Qrella
Originaltext:
I was born under a wanderin' star.
I was born under a wanderin' star.
Wheels are made for rollin', mules are made to pack.
I've never seen a site that didn't look better lookin' back.
I was born under a wanderin' star.
Mud can make you prisoner and the plains can bake you dry.
Snow can burn your eyes but only people make you cry.
Home is made for comin' from, for dreams of goin' to.
Which with any luck will never come true.
I was born under a wanderin' star. (2x)
Do I know where hell is, hell is in hell-o.
Heaven is good-bye forever it's time for me to go.
I was born under a wanderin' star, a wanderin', wanderin' star.
Mud ... (repeat)
When I get to heaven tie me to a tree.
Or I'll begin to roam and soon you'll know where I will be.
I was born under a wanderin' star.
A wanderin', wanderin' star.
Nicht die erste Coverversion in unserer kleinen Serie, aber wiedermal etwas Besonderes. "Wandering Star" stammt aus dem Musical "Paint Your Wagon" vom Wiener Exil- Komponisten Friedrich Loewe und war 1969 23 Wochen Nummer eins der britischen Charts, noch vor "Let it Be". Berühmt war dieser Musical Titel in der Filmversion geworden, wo der amerikanische Schauspieler Lee Marvin mit seinem extrem tiefen Bass vielleicht die Betrunkenen-Nummer der Popgeschichte abgeliefert hatte. Selbst Tom Waits war in seiner frühen Whiskyzeit immer wieder daran gemessen worden.
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Marvins Gegrunze - übrigens die einzige Aufnahme seiner Karriere - ist auch eines der bekannteren Beispiele für einen reinen Novelty Hit, vielleicht zusammen mit dem Sopranhippie Tiny Tim aus der selben Ära (vielleicht ein Beweis: Otto Waalkes hat beide in sein 70er Programm aufgenommen). Fängt man irgendwo extrem tief zu grunzen an, "AAAAAiiii", gibt es fast niemanden über 12 Jahre, der nicht sofort "was boooooorn" darauf singen würde (und auch niemanden der der Gesangslinie in dieser Tonart bis zum Schluss folgen könnte).
Der Text beschreibt den Aufbruch des Entdeckers einer Goldader aus der - schnell entstandenen - Goldgräberstadt. Er könne nicht lange an einem Ort bleiben, Maultiere eien nun mal zum Bepacken da, Räder zum Drehen, alle Plätze sehen rüblickend ohnehin besser aus und wirklich berühren können einen auch keine Orte sondern nur Menschen. Mit diesen Worten verlässt der Goldgräber seinen besten Freund und seine - betrunken bei einer Auktion ersteigerte - Frau.
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Masha Qrella ist auf der dazugehörigen Platte einem Auftrag des Kurators der Kulturen Berlin gefolgt, Detlef Diederichsen, der für einen Abend namens "Broadway - Wiege der Popmusik" eine/n Berliner KünstlerIn gesucht hat, die die Musik von zwei Berliner Exilkomponisten neu interpretiert: Friedrich Loewe und Kurt Weill, beide vor den Nazis geflüchtet und beide - gemeinsam mit den Gershwins oder Rodgers/ Hammerstein - maßgeblich am frühen Musicalboom in New York beteiligt.
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Vor allem Loewe hatte, mit Teyxtautor Jay Lerner, mit seinem Musicals My Fair Lady, Brigadoon oder eben Paint Your Wagon so etwas wie eine Blaupause für die Unterhaltungsmusik geschaffen, immer nahe am Schlager und der platten Unterhaltungsmusik, aber ausgefeilt komponiert und produziert, mit eingängigen Melodien und logischen Harmonien. Auch wenn diese Auftragsmusik zuerst von den jüngeren Songfabrikanten des Brill Building abgelöst und vor allem von Songwritern wie Dylan oder Brian Wilson weggeblasen worden waren, ist sie immer noch geeignet, den blöden und lästigen Ruf zu relativieren, den Musiktheater durch Provinzbühnen und vor allem vom überpräsenten, leibhaftigen Andrew Lloyd Webber weg hat.
Der Song zum Sonntag ist eine Kooperation zwischen FM4 und der Presse am Sonntag und erscheint hier wie dort, wo sich der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar der Kolumne annimmt.
Streckenweise sind das auch im Original wirklich gute Songs, mit überzeugenden Sprachbildern, überraschenden und zugleich überraschend logischen Harmonien und - vor allem bei Weill - von einer Düsterkeit und Tiefe, die der Komponist in diesen Prouktionsprozess erst einschmuggeln musste. Und in den Versionen der coolen Masha Qrella werden sie zu zeitgenössischen Perlen. Qrella, bekannt als Gitarristin der vielleicht besten, sicher aber coolsten deutschen Band Contriva, macht mit dieser Musik das, was Contriva schon mit dem Krautrock gemacht hatten: Genau anschauen, respektvoll bearbeiten und dann mit ener Selbstverständlichkeit zu sich herholen, als ob man sie erfunden hätte. So ändert sie Text, Tonlage und Choreographie der Nummer, adiert die von Contriva und ihren Soloalben bekannte Leichtigeit, den Groove vom Notwist Drummer Andreas Haberl und einen cleanen, brüchigen Sound - und schon gehört sie ihr. Und uns.