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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

22. 8. 2009 - 19:11

Folk, Pop, Rock, Regen

Samstag Nachmittag von der Race Stage beim FM4 Frequency: Port O'Brien, super, The Sounds, naja, The Subways, okay, Editors.

Der ewige Kampf des Menschen gegen die Witterung, höhere Mächte gar? "I'm doing fine in Alaska, I'm ok with the storm", singt Van Pierszalowski, Frontmann der wunderbaren Band Port O'Brien aus Kalifornien, großer Lebensbezug Alaska, im Stück "Fisherman's Son". Jedes Jahr verschlägt es den Musiker ebendorthin, an den nordwestlichen Zipfel von Amerika, hinein in unwirtliches Wetter, um für einige Monate seinem Vater, dem Fischer, beim Fischfang unter die Arme zu greifen. Aufbegehren gegen die mögliche eigene Bestimmung, Resignation, Sichselbstbeschwichtigen, Akzeptieren, dass Leben auch Zurücksteckenlernen heißt, um dann doch wieder auszubrechen aus den Erwartungen der Familie und nie, nie, niemals nicht aufzugeben.

Radio FM4/ Ute Hölzl

Van Pierszalowski, Port O'Brien

Die Band um Pierszalowski an der Gitarre und Cambria Goodwin am Banjo spielt am frühen Samstag nachmittag gegen den Regen, den starken Regen an, begonnen wird das Set mit dem noch eher sachten "Don't take my advice" vom im letzten Jahr erschienen Album "All We Could Do Was Sing", um danach mit ein paar neuen Stücken vom im Herbst erscheinenden Album "Threadbare", das übrigens Jason Quever von der feinen Band Papercuts produziert hat, sich selbst und das freilich wenig zahlreich anwesende, aber dem Wetter recht motiviert trotzende Publikum für die frühe Zeit rauschhaft nach oben zu schaukeln. Ihrem von freundlichem Pathos getragenen Folk-Rock, der sich da immer wieder gut an Großvater Neil Young, oder aktueller, Modest Mouse oder die Bright Eyes anlehnt, ringen Port O'Brien mit unrasiertem Charme im Holzfällerhemd immer wieder kleine, baufällige Hits aus der Holzhütte ab.

Sich überschlagende Chöre, brüchige Stimmen, die dann auch brechen, viele Da-ra-ra-ras und Oooh-aahhs, gezupfte und geschrammelte Gitarre, höfliche Ansagen ans Publikum, "Du bist Klasse!", das Konzert von Port O'Brien ist eines der besten des Wochenendes. Am Ende darf das bekannteste Stück der Band, "I Woke Up Today" mit Aufforderung zum Mitsingen auch noch die Letzten, hihi, erwecken. Im November kommen Port O'Brien nach Wien, Pierszalowski: "It'll probably be indoors."

Radio FM4/ Ute Hölzl

Cambria Goodwin

Disco 1985, aufgenommen in der Garage

Ein dick anschwellendes, die Gefühlsklaviatur offensiv bearbeitendes Synhtie-Intro bereitet den mittlerweile voll gefüllten Wavebreaker vor der Bühne auf das Konzert der Sounds vor. Die schwedische Band um die sehr frontale Frontfrau Maja Ivarsson ist keine Band des sachten Teasens, da wird sogleich mit dem Hit "Tony The Beat", den kennt jeder, auch die, die's noch nicht wissen - auch das einzige halbwegs gute Lied der Combo mit dem Vorstadt-Disco-Flair "Queen Anne" - das Publikum durchgeschüttelt.

die sängerin von den sounds ist von sich überzeugt

Radio FM4 / Ute Hölzl

Maja Ivarsson: "Ich bin's!"

Der ganz billige Glam, die total schäbige Pracht, die ausmanövrierte Discokugel. Was auch schön sein kann. Maja Ivarsson hat sich nervig offensiv "Sexy" auf die ideoligische Fahne geschrieben, "Where My Bitches At?" und derlei fragt sie das Publikum, wird im kleinen Schwarzen und High-Heels mitunter zur Rockröhre im falschen Film. Im Hintergrund baut ihre Band, vier Herren an Tasten, Gitarren und Schlagzeug, "funktionell" schematischen Synthie-Rock, der gerne Blondie, Duran Duran oder New Order sein will, bestensfall aber bei den Killlers ankommt. Vor 15 Jahren, mit Cyndie Lauper am Gesang. Viel Hook, wenig Idee. "Painted By Numbers" nennt sich dann auch ein Stück der Sounds, da wollen wir ihnen einmal überhaupt gar nicht widersprechen. So schlimm ist das alles aber auch wieder nicht.

die sängerin und der gitarrist

Radio FM4 / Ute Hölzl

The Sounds

Smells Like Teen Angst

Dass die Subways aus Hertfordshire in ihrem jungen Leben schon ganz schön viel Nirvana gehört haben, daraus hat das Trio noch nie einen Hehl gemacht. "Do you feel paranoia?" singt Gitarrist und Sänger Billy Lunn, ebenso wie Schlagzeuger Josh Morgan von Anfang an mit nacktem Oberkörper, Charlotte Cooper zupft einen prominenten Bass. Die klassische Dreier-Rock-Besetzung, Subdivision Grunge.

Lunn zwirbelt als tanzender Derwisch über die Bühne, peitscht stromdurchfahren das Publikum hoch: "Go fucking crazy!" Das lässt man sich nicht gerne zweimal sagen, auch nicht bei strömendem Regen. Da schummelt die Band in die roughe Versiffter-Proberaum-Attitüde immer wieder Power-Pop-Melodien und greift dabei auch gerne auf das gute alte Schema Laut-Leise zurück, im Geiste der Pixies, bekanntlich dezidierte Ideenspender für Nirvana, möglicherweise.

der sänger von den subways

Radio FM4 / Ute Hölzl

Billy Lunn, The Subways

Das ist auf ganze Strecke zwar freilich etwas gleichförmig, das Stück "With You" sticht heraus, zuhause muss man sich das alles nicht unbedingt anhören, wie dann aber am Schluss Lunn, zu, eh klar, dem Hit "Rock & Roll Queen" als wild gestikulierender Dirigent per Fingerzeig und Handwinken das Johlen und Schreien der Menge steuert, ja, das ist tatsächlich ein "Anblick". Die Kraft einer ganzen Generation, nochmal: The kids are alright.

die sängerin und gitarristin von den subways

Radio FM4 / Ute Hölzl

Charlotte Cooper, The Subways

Den Vergleich mit etwaigen Vorbildern und Einflussstiftern müssen sich ja nicht gerade wenige Bands gefallen lassen, wie lässt’s sich aber damit leben, auf ewig, von der zweiten Reihe aus, als die „nächsten Coldplay„ gehandelt zu werden, nicht etwa wegen musikalischer Ähnlichkeit, sondern aufgrund der Dimension des prophezeiten Erfolgs? Bei den Editors aus Birmingham schlägt sich der Überschwang eher nicht in gefühlig schmalztriefendem Pathos nieder, sondern vielmehr in dunkel, dunkel grundiertem Bombast.

der sänger der editors am keyboard

Radio FM4 / Ute Hölzl

Tom Smith, Editors

Das Konzert der Editors beginnt mit einem Synthie-Beat, der die Band in der Nähe von OMD verortet, die Stimme von Sänger Tom Smith rückt sie wieder unwiderruflich in Richtung Joy Division, ewiges Verweisschild bei den Editors. Als Gegenpol zu leicht elektronisch betriebenem Postpunk steht der Band beständig die Gruppe U2, frühe, frühe Phase, als Schatten in den Lebenslauf geschrieben. Beim Stück „Munich“ beispielsweise kann man da beinahe direkt die leiernde Gitarre von The Edge raushören. Tom Smith und seine drei Begleiter balancieren grazil zwischen der Schwermut und den zickig-druckvollen Rockern, das kommt gut an, der Regen kommt auch. Joy Division, Interpol, The Cure, U2, das alles ist freilich in der Musik vom den Editors aufzuspüren, die Weltformel wird anderswo ausdefiniert, eine gute Band ist das trotzdem. Ein Übler (in uns selbst), der da meinen mag, dass man das Ganze nur noch so sympathisch finden kann, weil die Editors eben nicht so berühmt sind wie Coldplay.

der sänger der editors

Radio FM4 / Ute Hölzl

I Feel You