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Markus Keuschnigg

Aus der Welt der Filmfestivals: Von Kino-Buffets und dunklen Sälen.

22. 8. 2009 - 14:56

Die Menschmaschine

The Great Return of James Cameron: Der Vater des Terminator stellt ein paar Minuten seines neuen Science-Fiction Films "Avatar" vor.

Es ist schon jetzt eine fast beispiellose Hype-Geschichte: das Besondere daran ist, dass sich die momentane Geilheit auf den neuen Film von Actionkino-Innovator James Cameron aus dem Nichts speist, denn das Marketing für den größten und wichtigsten Fox-Release seit Star Wars Episode I ist so gut wie nicht existent. Bis vor zwei Tagen gab es weder Trailer noch Produktionsfotos noch bestätigte Informationen darüber, was Avatar, Camerons erster Film seit Titanic werden wird, sein soll.

Filmset, Dreharbeiten

www.filmstarts.de

Regisseur James Cameron (links) weist seinen Hauptdarsteller Sam Worthington in die zu drehende Sequenz ein. Das "Avatar"-Set war hermetisch abgeriegelt.

Die offizielle Internetpräsenz des Films erinnert eher an die Huldigung eines Fans als an die Werbung für einen der kostspieligsten Filme (ein Produktionsbudget jenseits der 200 Millionen Dollar) aller Zeiten: nur der Schriftzug (der mich unangenehm an Gibsons Mayafilm Apocalypto erinnert), einige Verlinkungen zu diversen Social Communities, in denen man sich mit Updates zum Film beliefern lassen kann und der Hinweis auf den „Avatar Day“ waren vor wenigen Tagen darauf zu finden.

Auge, blaue Haut

guardian.co.uk

Eine Anleitung zum Neuen Sehen: das Auge eines Na'vi, am rechten Rand die fluoreszierenden Male, die sich im Intro auf der Film-Website aus einem Sternbild entwickeln

I hereby announce the Avatar Day!

James Cameron, geb. am 16. August 1954 im kanadischen Kapuskasing, ist einer der erfolgreichsten Regisseure Hollywoods. Er beginnt als Modellbauer in den Roger Corman-Studios und erhält seinen ersten Regisseursjob eher durch Zufall: 1981 inszeniert er den Horrorfilm "Piranhas II: Fliegende Killer", nachdem der ursprüngliche Regisseur das Projekt verlässt. 1984 gelingt Cameron mit "The Terminator" der internationale Durchbruch. In den folgenden Jahren entstehen kommerziell und künsterlisch erfolgreiche Filme wie "Aliens" (1986), "Terminator 2: Judgment Day" (1991), "True Lies" (1994) und schließlich "Titanic" (1997), der sämtliche Kassenrekorde bricht und mit 11 Oscars ausgezeichnet wird. Vor "Avatar" (2009) inszeniert er zwei 3D-Dokumentationen über Tauchgänge zu den Wracks der Titanic und der Bismarck.

Der Avatar Day, von James Cameron persönlich während des Film-Panels auf der Comic-Con in San Francisco verkündet, war organisiert als weltweit synchronisiertes Event: am 21. August um 18:00 Uhr (MET) sind also auch in einigen österreichischen Kinos von Cameron selbst selektierte, aus dem (fast) fertigen Film heraus geschnittene Sequenzen in einer Gesamtlänge von 15 Minuten dem Publikum, das entweder eingeladen worden ist oder die Tickets gewonnen hat, vorgeführt worden.

Kurze Zeit vor dem „Avatar Day“ ging der erste Trailer – vier Monate vor Filmstart – online: und hat aufgrund der immens hohen Zugriffsrate gleich die Apple-Trailerpage lahm gelegt. Das öffentliche Interesse an der Leinwandrückkehr jenes Regisseurs, der ganzen Generationen von Kinogehern den Glauben an ein intellektuell untermauertes Überwältigungskino mit Meilensteinen wie den ersten zwei Terminator-Filmen oder The Abyss zurück gegeben hat, könnte größer nicht sein: insofern, und unter Berücksichtigung der epischen Vorproduktionsgeschichte von „Avatar“ sind dann auch die oftmals negativen Reaktionen auf die ersten Filmausschnitte zu verstehen.

Tank, Außerirdischer

Telegraph

Jake Sully (Sam Worthington) vor dem Na'vi-Avatar im Tank, zu dem er bald werden wird

Juni, 2009: am Flughafen kaufe ich mir eine Ausgabe der britischen Filmzeitschrift Empire, vor allem da mich die vielen bunten Bilder, exclusive pre-views und first-time set reports von meiner chronischen Flugangst ablenken. Steven Spielberg firmierte (wohl nur ein Marketing-Schmäh) als Co-Editor dieser Ausgabe und schaffte einen ersten Bericht inklusive Interview zu „Avatar“ heran. Und Spielberg muss es wissen: immerhin war er mit Peter Jackson am Hochsicherheits-Set, um sich die von Cameron erdachten und entwickelten technischen Innovationen in Bezug auf CGI-Characters und 3D-Technologie anzusehen. Der Text versprach dann nicht weniger als eine Revolution in der Filmwahrnehmung, die der vom ersten Ton- oder Farbfilm nahe kommen soll. Zum ersten Mal seien mit den von Cameron und seinem Team entwickelten Werkzeugen fotorealistische CGI-Figuren möglich, zum ersten Mal kann ein Regisseur schon beim Drehen die analogen und digitalen Bestandteile seiner Sequenz zusammen gefügt sehen – und dementsprechend inszenieren.

Steven Spielberg
Peter Jackson

tintin blog

Das ist nur ein Still aus dem Video: auf den Play-Button klicken bringt also nichts. Peter Jackson und Steven Spielberg drehen gerade jeweils einen Film, basierend auf den Tim und Struppi-Comics. Inspiration für die Tricktechnik haben sie sich bei James Cameron geholt.

Cameron ist ein Wunderwuzzi, der mit jedem seiner Filme nicht nur erstklassiges Unterhaltungskino abgeliefert, sondern auch gleich die Möglichkeiten des Filmemachens weiter entwickelt hat. Man denke nur an die revolutionären Wassereffekte in The Abyss, die dann für den Flüssigmetall-Killer aus Terminator 2: Judgment Day noch verfeinert worden sind. Paradox daran ist, dass sich Camerons Filme mit der Kritik an technologisch hochgerüsteten Lebenswelten beschäftigen, dass die von visionären Köpfen erdachten und umgesetzten Konstruktionen, vom verführerisch glänzenden Titanskelett des Killer-Roboters hin zur megalomanischen Titanic, letzten Endes immer die Menschheit bedrohen. Kritiker munkeln schon, dass ihn sein über vierzehn Jahre hinweg entwickeltes Opus Magnum „Avatar“ jetzt selbst zu Fall bringen könnte.

Frisst die Revolution ihre Kinder?

Denn eines war nach dem gestrigen „Avatar Day“ (der eigentlich eher eine „Minute“ war) aus den Gesichtern des Publikums abzulesen: Überraschung, aber auch viel Ernüchterung. Denn die im Vorfeld propagierte Wahrnehmungsrevolution, dass die 3D-Technologie hier erstmals vollkommen immersiv wirken, den Zuseher somit in die berechneten Umwelten integrieren soll, ist nicht, nicht einmal im Mindesten eingetreten.

Ein paar Sätze zur erzählten Geschichte: „Avatar“ handelt vom Ex-Marinesoldaten Jake Sully (Sam Worthington), der von der Hüfte abwärts gelähmt ist. Hilfe verspricht eine Reise zum Planeten Pandora: aufgrund seiner giftigen Atmosphäre können Menschen ihn nur mittels eines Avatars, also eines virtuellen Alter Egos, betreten. Sully lässt die Prozedur von Dr. Grace Augustine (Sigourney Weaver) an sich vornehmen: eine der vorgeführten Sequenzen zeigte die schrittweise Digitalisierung seines Körpers sowie das Entstehen, Aufwachen und (tollpatschige) Aufstehen des Avatars, der die Physis der auf Pandora beheimateten Na’vi kopiert.

3D-Brillen

Telegraph

Großbritannien, 21. August 2009: ein vollgepacktes Avatar Day-Screening. Die Dame links unten hat die 3D-Brille schon wieder abgenommen

Die Na’vi sehen aus wie eine drei Meter große, blauhäutige, aufrecht gehende Mischung aus Amphibienwesen und katzenähnlichem Raubtier, mit Schwanz, gelben Augen, spitzen Zähnen und geflochtenen (!) Haaren. Sully jedenfalls versucht dann mit einer Gruppe von anderen auf Pandora zu überleben: man sieht ihn beim Kampf mit gigantischen Monstren, beim Einfangen eines Flugsauriers (der wohl zu einem Lebenspartner der Na’vi wird), beim Durchstreifen des fluoreszierenden Dschungels, wo er dann auch sein Love Interest Neytiri, Prinzessin der Na'vi (Zoe Soldana) trifft. Alle Sequenzen des „Avatar Day“ stammen aus der ersten Hälfte des nach ersten Angaben über 150-minütigen Films: im Trailer sieht man dann aber noch imposante Raumschiffe, die Synopsis spricht von einem Krieg zwischen den Menschen und den Na’vi. Ein Krieg, in dem Sully sich für eine Seite entscheiden muss.

Es ist nach diesen paar Ausschnitten unmöglich, eine Einschätzung zu James Camerons „Avatar“ abzugeben: weder die 3D-Technologie noch die imposanten CGI-Effekte vermochten mich zu überzeugen. Allerdings habe ich großes Vertrauen in James Cameron: der Action-Sequenzen so kinetisch und überwältigend inszeniert wie wenige andere, der spannende, zerrissene, wiewohl sehr einfache Geschichten erzählt, der letztendlich einfach ein guter Regisseur ist.

Poster

www.cineast.ch

Das Teaser-Onesheet zu "Avatar" mit Zoe Saldana als Prinzessin der Na'vi

Avatar startet am 18. Dezember in den österreichischen Kinos.