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Markus Keuschnigg

Aus der Welt der Filmfestivals: Von Kino-Buffets und dunklen Sälen.

21. 8. 2009 - 17:15

Im Planschbecken

Hans Hurch trägt schwarz. Hat einen Bart. Sitzt auf einem Boot. Und gibt einen ersten Vorgeschmack auf die Viennale 2009

Während die junge Welt, oder jedenfalls große Teile davon, beim FM4 Frequency tanzt, sitzt Hans Hurch am Wiener Badeschiff und gibt einen ersten Ausblick auf und Einblick in das, was die diesjährige Viennale werden wird. Noch ist das größte österreichische Filmfestival nämlich im Entstehen, noch wartet man auf Zusagen für bestimmte Filme, wartet man auch auf die Filmfestspiele von Venedig, bei denen traditionell einige heiße Eisen vom Stapel laufen.

Plakat

Viennale

Das Viennale-Hauptsujet 2009: eine im fertigen Film nicht verwendete Sequenz aus Alfred Hitchcocks Topaz

Der Ort der Pressekonferenz ist nicht zufällig gewählt: die früher im Urania-Dachgeschoß untergebrachte Viennale-Zentrale (Ort der Begegnung mit Filmemachern, Musikern und anderen Festivalbesuchern) wird in diesem Jahr auf den Partykahn „Badeschiff“ verfrachtet, dessen Teilstücke vom Laderaum bis zum (im Oktober vermutlich schon trockenen) Freibad in allen Filmfarben leuchten sollen. Noch suche man, laut Hans Hurch, nach einem passenden Namen für das neue Festivalzentrum: bisheriger Favorit sei laut Festivaldirektor „Queen Hansi“. Er hat versprochen, dem- oder derjenigen, der ihm den besten Namen für die neue Viennale-Zentrale liefert, eine Reise nach Paris zu schenken. Interessierte schreiben an: office@viennale.at.

Badeschiff

flickr

Das Badeschiff aka "Queen Hansi": bis auf Widerruf, versteht sich. Jedenfalls: die neue Viennale-Zentrale

Ein Tag mehr Viennale

Die Viennale 2009 findet von 22. Oktober bis 4. November statt. Sie startet in diesem Jahr um eine Woche zeitversetzt, vor allem um so viele Filme wie möglich von den Filmfestspielen von Venedig noch mit ins Viennale-Boot holen zu können. Sie dauert auch einen Tag länger, startet nun statt am traditionellen Freitag bereits am Donnerstag. Am Programmumfang soll sich allerdings nichts ändern. Wie in den Vorjahren gibt es beim diesjährigen Filmfestival viele Dokumentarfilme zu sehen, die in etwa 40% des Gesamtprogramms ausmachen. Damit führt die Viennale ihre programmatische Linie, den Spiel- und den Dokumentarfilm annähernd gleich zu gewichten, fort.

Vincent Gallo in "Tetro"

Cannes

Vincent Gallo macht Argentinien unsicher, Coppola kehrt mit Tetro zu seinen Indie-Wurzeln zurück

Einige Programmpunkte sind schon fixiert: so feiert bei der diesjährigen Viennale etwa Lars von Triers umstrittene Horror-Miniatur Antichrist ihre Österreich-Premiere, während mit neuen Arbeiten von Greg Mottola (Adventureland), Steven Soderbergh (The Girlfriend Experience), Oren Moverman (The Messenger) und Francis Ford Coppola (Tetro) das US-Independentkino stark vertreten ist. Auch österreichische Premieren wird es geben, jedenfalls von Jessica Hausners lang erwarteter neuer Regiearbeit Lourdes oder von Peter Kerns Blutsfreundschaft (mit Helmut Berger in der Hauptrolle).

Im Dokumentarfilmbereich ist die in Berlin umjubelte Collage Material des deutschen Ausnahmeregisseurs Thomas Heise ebenso zu finden wie das sperrige, aber gute Jeanne Balibar-Musikessay Ne change rien des Portugiesen Pedro Costa.

Antichrist

Festival Cannes

Lars von Trier's explizites Horrordrama wird bei diesjährigen Viennale das Gartenbaukino zum Kochen (und Lachen) bringen

Lino

Regisseur

Mowelfund Library

Der philippinische Regisseur Lino Brocka, geboren 1939, hat das Kino seines Heimatlandes so geprägt wie kein anderer vor oder nach ihm: seine Filme sind durchzogen von einem profunden Humanismus, der Opposition gegen die politischen Regimes, dem Glauben an und der Hoffnung auf eine Heilung, schließlich auch von einer oft unfassbaren Bilderlust. Die Hauptwerke von Brocka entstehen in den Siebziger Jahren mit "Maynila: Sa mga Kuko ng Liwanag" und "Insiang"

Costa hat die Viennale vor einigen Jahren bereits ein Tribute gewidmet. Heuer wird der 1991 verstorbene philippinische Meister-Regisseur Lino Brocka geehrt. Mit seinen bildgewaltigen, humanistischen Arbeiten hat er eine gewaltige Spur durch die kulturelle Landschaft des südostasiatischen Inselstaats gezogen. Insofern ist es auch kein Zufall, dass die gezeigten Filme (darunter auch Brockas meisterhaftes Melodram Insiang) nicht von einem westlichen Kuratorenstab, sondern von der aktuell arbeitenden Generation philippinischer Regisseure selektiert worden sind. Darunter befinden sich Viennale-Stammgäste wie Khavn de la Cruz, aber auch Ausnahmeregisseur Lav Diaz und Brillante Mendoza, dessen grimmige Gesellschaftsstudie Kinatay in diesem Jahr in Cannes ausgezeichnet worden ist.

Tilda

Das zweite Tribut der diesjährigen Viennale wird, wen wundert’s, für ungleich mehr Aufregung und öffentliches Interesse sorgen. Die schottische Schauspielerin Tilda Swinton gilt schließlich nicht nur dem Filmfestival als Ausnahmetalent, sondern versetzt Kinobegeisterte auf der ganzen Welt in Ekstase. Ihre ungewöhnliches Charaktergesicht, ihre markante, androgyne Physis vermengen sich bei Swinton mit großem schauspielerischen Talent, das sie nicht nur in großen Produktionen (etwa Michael Clayton), sondern immer auch wieder in kleinen Herzensprojekten (legendär etwa ihre Zusammenarbeit und Seelenfreundschaft mit Derek Jarman) einsetzt. Tilda Swinton wird bereits zur Eröffnung des Filmfestivals in Wien erwartet.

Tilda Swinton

Viennale

Her Tildness in einer ihrer schönsten Rollen: als Titel gebender Gender-Bender Orlando in Sally Potters Adaption von Virginia Woolfs Roman

Funny Haha

Abgerundet wird das Programm heuer von einer Retrospektive zur US-amerikanischen Komödie, visionär und leidenschaftlich kuratiert von Kritiker Jonathan Rosenbaum. Die Auswahl reicht vom Disney-Zeichentrickfilm The Three Caballeros über Joe Dantes Matinee und Mike Judges Idiocracy hin zu Spielbergs Film Maudit 1941, nimmt auf dem Weg auch Legenden wie die Marx Brothers, Buster Keaton, John Waters und Frank Tashlin, nebst vielen anderen, mit.

Also Jungvolk: wenn ihr fertig seid mit Tanzen, dann ruht euch aus und freut euch auf das, was die Viennale 2009 werden wird.