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Sonja EismannBerlin/Wien

Gender, Pop und Kritik. In allen Formaten.

25. 8. 2009 - 11:05

Tinker Bell, hau ab!

Das dänisch-bosnische Dancefloor-Duo Fagget Fairys interpretiert die Bedeutung von Märchen neu. Und zwar lesbisch und mit ordentlich Grime und Balkan Beats.

Cover der CD der Fagget Fairys

Fagget Fairys

Fagget Fairys: "Feed The Horse" (Music For Dreams / Edel

„We got the tits to make u gay!“ Ist das nicht ein wunderbarer Schlachtruf für ein absolut hedonistisches, absolut lesbisches Dancefloor-Projekt? So ist es jedenfalls auf einem T-Shirt des dänisch-bosnischen Duos Fagget Fairys zu lesen, das jetzt sein erstes Album mit dem Titel „Feed The Horse“ veröffentlicht. Und genauso überkandidelt wie dieser ungewöhnliche „Werbespruch“ klingt auch die Gründungsgeschichte des Zweiergespanns, das schon seit geraumer Zeit nicht nur die heimischen Kopenhagener, sondern auch mehr und mehr internationale Clubs mit seiner Mischung aus Retro-Gebolze und Balkan Beats verrückt macht.

DJ Sensimilla und MC Ena mit Hüten, küssend

Fagget Fairys

MC Ena und DJ Sensimilla

Für alle, die die märchenhafte Geschichte noch nicht gehört haben, hier noch mal im Schnelldurchlauf: Die erst 19-jährige Elena Carli Cosovic, die als Säugling mit ihrer bosnischen Familie auf der Flucht vor den Wirren des jugoslawischen Bürgerkriegs nach Dänemark kam, sieht die umtriebige, 12 Jahre ältere DJ Sensimilla, bürgerlich Carla Cammilla Hjort, in einer Disco hinter dem DJ-Pult – und fällt sofort für sie. Und das nicht nur im übertragenen, romantischen Sinne, sondern ganz wörtlich. Denn um ihre Aufmerksamkeit zu erregen, klettert Elena, die als Teenager bereits sowohl als Model als auch als Handballerin aktiv war, kurzerhand auf das Pult und stagedivet in die Menge. Das Ergebnis sind blutige Knie und eine große Liebesgeschichte.

DJ Sensimilla und MC Ena auf einem Bett, küssend

L. Posselt

True Love

Zur Krönung dieser Liebe, die am Anfang in Elenas muslimischer Familie auf keine besonders große Begeisterung stieß, gibt es jetzt eine Hochzeit – und diese Platte, so sagt man, ist das gegenseitige Geschenk der beiden hierzu.

Feed The Horse (OFFICIAL VIDEO)

Assoziationen zu einer klassischen Hochzeit mit wogendem weißen Tüll und zarten Blumenmeeren kommen beim Hören von „Feed The Horse“ allerdings – wenig überraschend – keine auf. Auch wenn Elena, die sich auch MC Ena nennt, in den Balkan-inspirierten Stücken wie „Oci“, „Negori“ oder „Uzmi“ (ich wurde schon darauf hingewiesen, dass die bosnische Schreibweise in gewisser Weise „unorthodox“ sei) zu schwermütigen Tröten herzzerreißend bis schwülstig über klassische Liebes- und Sehnsuchtsthemen singt, so verhindern doch die eindeutig zweideutigen Titel wie „Feed The Horse“ (hier geht’s um, äh, Sex) und „Mary Jane“ (da geht es den beiden Anhängerinnen der Kopenhagener Freistadt Christiania um, äh, selbst angebaute „Gewürze“) allzu gefühlsduselige Anwandlungen. Vielmehr knallen die neun Tracks mit ihren Anleihen bei keck wiederbelebten Genres wie TripHop, Jungle, Electro und natürlich globalen Beats den HörerInnen ihren Hedonismus so erfreulich unsubtil um die Ohren, dass kein Beinchen still hält.

tobende Menge bei einem Auftritt der Fagget Fairys

artrebels

Der Crowd gefällt's

Ach ja, und der märchenhafte Bandname ist keine tatsächliche Anspielung auf Mädchenträume von Feen, sondern eher eine Ironisierung homophober Beschimpfungen aus dem Internet – die auch noch falsch geschrieben waren. Mit klassischen Feen springen die dänischen Fagget Fairys nämlich eher unsanft um: „Tinker Bell, nun zieh endlich Leine! Für dich ist längst Schlafenszeit. Diese Feen spielen in einer anderen Liga, in der dir ‚süß sein’ allein nicht mehr hilft- Süß war gestern. Oder was dachtest du, was mit ‚Feed The Horse’ eigentlich gemeint ist?!“