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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

20. 8. 2009 - 20:29

Afternoon Delight

Punkrock, the oldskool way, Rock'n'Roll, gediegen, Pop mit Elektronik beim Frequency: Blogging in Fast-Realtime von der Race Stage mit C.J. Ramone, Glasvegas, Jet und den Ting Tings.

Der klassischste Einzähler der Erdgeschichte ever: "One-Two-Three-Four!", begleitet vom taktspendenden Aneinanderklatschen der Drumsticks, da weiß man gleich in welchem Proberaum man zuhause ist. C.J. Ramone lässt sich nicht lange bitten, "Are you ready to hear some Ramones?" fragt der ehemalige Bassist der melodiebeflügelten Urpunks und startet den ersten Tag auf der großen Bühne des FM4 Frequency wenig subtil mit dem größten Hit in einem an Hits nicht armen Gesamtoeuvre: "Blitzkrieg Bop". Und so schrammelt und poltert sich Ramone - mit Brant Bjork of Wüstenrock-Fame am Schlagzeug - über
"Judy is a punk", "Sheena is a punk rocker" und "Endless Vacation" zu "I Wanna Be Sedated" durch ein Ramones-Best-Of-Programm.

CJ Ramone, mit einem Ramones Kapperl und vielen vielen Tattoos

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C.J. Ramone

Punk nicht als Haltung, sondern als in der Vergangenheit eingefrorenes Genre mit strengen Gesetzen, damals, als zweieinhalb grade mal so beherrschte Akkorde noch ein Leben verändern konnten. Widerstand, das geht bei C.J. Ramone so: "This next song is for Michael Jackson: Glad to see you go." You get what you expect, nicht weniger, the kids are alright.

Gitarrenwände mit Melodie

"A-a-a-ustriaaa!" leiert James Allan als Intro ins Mikrofon, hinter ihm prangt in großen Leuchtbuchstaben der Name seiner Band: Glasvegas. Der Mann weiß schon wie das geht, mit dem Sichbeliebtmachen im internationalen Festival-Zirkus: "This is our first time here. Austria, I love you already." Der schön erprobte Rockstarhabitus gelingt ihm dabei als Drahtseilakt zwischen schelmischem Augenzwinkern, um die Abgedroschenheit derlei Verschwesterungen mit dem Publikum wissend, und zumindest gefühlter wirklich echter Authentizität. Die schottische Band Glasvegas, die im vergangenen Jahr von der halben britischen Musikpresse wieder einmal als DIE Rettung des Rock'n'Roll im Leben empfangen worden ist und die Creation-Records-Mastermind Alan McGee, bekanntlich nie maulfaul um eine Meinung verlegen, als die beste britische Band seit mindestens The Jesus & Mary Chain apostrophiert hat, will man sich zwar lieber in einem kleinem dunklen Club, wo der Schweiß die Fliesenwand runterläuft, zur Geisterstunde, vorstellen, als bei gleißendem Tageslicht um halb vier Uhr nachmittags auf einer großen Bühne, sehr gut bleibt das Quartett aus Glasgow auch in dieser Situation trotzdem.

Nachdem also von Sänger und Gitarrist James Allan klargestellt worden ist, dass Glasvegas auch wissen, in welchem Land sie da gerade vor ein heiß wartendes Publikum hingestellt worden sind, gleiten Glasvegas hinein in "Flowers & Football Tops", auch auf ihrem letztes Jahr erschienen Debütalbum der Opener. Mit ihren dicht errichteten Gitarrenwänden im Geiste von eben The Jesus & Mary Chain, die hinter all dem Rauschen sauber auskalibrierte Melodien verbergen, und dezidierten Anlehnungen an Doo Wop, Rockabilly und die 50er und 60er im Geiste der Ronettes (wir erinnern uns, "Be My Babty", wie Baby und Johnny gar nicht sooo dirty Dirty Dancing betreiben) und Phil Spectors oft bemühte Wall of Sound bauen Glasvegas einen schwirrenden Sound, der auf Albumlänge zwar leider bloß drei, vier, fünf völlig zwingende Momente abwirft, live aber - auch wenn Allan stimmlich ab und an dezent danebengreift - "Rock" tatsächlich wieder wie ein Versprechen klingen lässt. Die Hits "Geraldine" und "Daddy's Gone", das beste Stück von Glasvegas, werden vom Publikum als ebensolche willkommen geheißen. Ein Tanzender hat eine Union Jack um den Rücken gebunden. Ob Glasvegas, den Schotten, das gefällt?

der Sänger von Glasvegas, in dessen sonnenbrille sich das publikum spiegelt

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James Allan, Glasvegas
Die Schlagzeugerin von Jet

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Caroline McKay, Glasvegas

Irgenwas, das bleibt

Es hilft ja alles nix: Ja eh, die Musik von Jet "funktioniert". Da mag einen bei all dem adrett schablonenhaft ausgeschnittenen Rock'n' Roll, den der australische Vierer Jet da ins Vinyl ritzt, zwar möglicherweise ärgeres Unwohlsein befallen, eine Festivalband, wie das dann immer heißt, sind die Herren halt schon. Ein ewiges "Yeah!!" als Lebensprinzip, mit dem Moped zur Arbeit, enge Lederjacke, schnelle Stiefel. Mit einem Tasten- und Tamburin-Mann zum Quintett aufgestockt, basteln Jet so aus good ol' Bluesrock, den Stones, einegedenk "Exile On Mainstreet", AC/DC, den Stooges und vierzigmal durchgenudelten Riffs aus dem großen ewigen Songbook einen, man muss es wirklich sagen, ähm, amtlich rockenden Rock, einen Rock, der Rock dann unglücklicherweise eben nicht als Aufbegehren und Regelbrechen begreift, sondern als schematisches Abarbeiten an Normen. Aber das, das können sie! It's only Rock'n'Roll, but - Nein, kein aber.

in der gitarre des sängers von jet spiegelt sich das jubelnde publikum

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Jet, wild
der sänger von jet während des gitarrensolos

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She Bangs The Drums

Jules De Martino schleicht mit üblicher Sonnebrille im Gesicht auf die Bühne und drückt erstmal das feine Pianogeklimper als Intro zum Stück "We Walk" aus dem Synthiesizer, loopt es, lässt es in Schleifen laufen und marschiert zum Drumkit. Der Beat setzt ein, Sängerin Katie White erscheint im blauweiß gestreiften Top/Kleid-Mittelweg, tänzelnd, mit ihr die Energie, und man ahnt von den ersten Momenten an schon, dass man jetzt mit dem Konzert der Ting Tings ein erhellendes Erlebnis in die Biografie verpasst bekommen wird.

Das Duo aus Salford, ungefähr Umfeld Manchester, zeigt wie man zu zweit auf großer, großer Bühne nicht nur bestehen kann, sondern wie es geht, eine, ja, sehr gute Band zu sein. In ihren auf aufgekratzten Postpunk ebenso wie Synthiepop aus der schönen alten Zeit, die die 80er waren, zurückgreifenden bubblegumblasenschlagenden Party-Entwurf integrieren die Tings Tings elektronisches Gezwitscher, zickige Gitarren und Melodien, Melodien, Melodien von Zuckerwatte. White tanzt mit heftigem Handeinsatz, bedient die Gitarre und eine im Bühnenhintergrund einsam aufgestellte Basstrommel.
"The Drums, The Drums", so schön heißt's dann im Stück "Great DJ", und so gestaltet sich die Musik der Ting Tings live auch einen Tick beatlastiger als auf Platte. In einem kurzen Zwischenspiel lockt De Martino ein kleines Rythmus-Medley aus "Walk This Way", "Another One Bites The Dust" und "Ghostbusters" aus der elektronischen Gerätschaft, der HIT "That's not my name" beendet erwartungsgemäß den Auftritt. Erwartungsgemäß super.

Achja, zuvor, mitten im Set, hat Katie White als Einleitung zum Stück "Fruit Machine" noch eine freundliche Begrüßung vom Blatt abgelesen. Auf Deutsch. "Hallo wir sind die Ting Tings. Mein Deutsch ist scheiße, deshalb stoppe ich jetzt und lasse Euch tanzen. " Word. Genau so sollte es kommen.

die beiden ting tings beim abrocken

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The Ting Tings
die sängerin der ting tings

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