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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

20. 8. 2009 - 12:06

Regeln und Regelbrecher

Große Gesten, kleine Kreative und emanzipierte Engines. SpieleentwicklerInnen treffen sich in Köln.

Technologie ist alles. Technologie ist nichts. Die Geschichte ist der Schlüssel zum Erfolg. Aber ohne das Game Design in den Mittelpunkt zu stellen, kommst du nirgendwo hin. Wie schön gegensätzlich die Bastelanleitungen für Computer- und Videospiele sind, beweist in diesen Tagen die erste "Game Developers Conference" (GDC) Europas.

Eingang zur GDC Europe in Köln

Robert Glashüttner

Das Tor zu Widerspruch und Vielfalt.

Entwickeln und entwickeln lassen

Die Burschen von "Broken Rules" lassen sich aber nicht verwirren, für sie sind Inspirationen aus jeder Richtung hilfreich. Die vier Wiener Jungentwickler sind in Köln vor Ort und repräsentieren mit ihrem ersten Spiel "And Yet It Moves" (FM4 hat bereits 2006 erstmals berichtet) die neue Schule der Spieleentwicklung: Zugängliche Ideen, einfache Technik, kurze Entwicklungszeiten.

Ihr Besuch der "GDC Europe" entspringt der Neugierde zum gebotenen Programm und der Möglichkeit zum Kontakte knüpfen. Viele Vorträge und Panel-Diskussionen bestätigen das "Broken Rules"-Team in seinen bescheidenen, dafür flexiblen und hochkreativen Prinzipien der Indie Game-Entwicklung.

Eine Powerpoint-Folie zum Thema Paradigmenwechsel in der Videospiel-Entwicklung

Robert Glashüttner

Alles bleibt anders.

Von Erzählern und Emotionen

Wer nicht Indie ist, hat eventuell mehr Spaß am exakten Gegenteil. Crytek, die Tech- und Game-Firma der deutsch-türkischen Yerli-Brüder, hat weiterhin international die Nase vorn, wenn es um die Entwicklung hochkomplexer Grafik-Engines geht. Das Rennen um die beste 3D-Technologie ist Anfang der 1990er von id Software ("Doom", "Quake") losgetreten worden und hat auch heute noch nach oben hin Raum.

Weil die Luft im Tech-Land aber mittlerweile schon sehr dünn ist, ist sich die Industrie einig, dass neue Schwerpunkte her müssen. Schwerpunkte, die kritische Journalisten, Forscher und Spieler schon seit Jahren fordern: Emotion statt Extase, Geschichten statt Gemetzel. Was im Games-Untergrund schon seit einiger Zeit brodelt und sich langsam auch in Form "kleiner" Download-Spiele auf den Konsolen ausbreitet, ist jetzt - hoffentlich! - reif für den Massenmarkt. David Cage von Quantic Dream (of "Fahrenheit"- und "Heavy Rain"-Fame) predigt in seiner Keynote das neue Regelwerk des klugen Game Designs.

Spieleentwickler David Cage bei einem Vortrag bei der GDC Europe in Köln.

Robert Glashüttner

Spieleentwickler David Cage bei einem Vortrag der GDC Europe in Köln.

Robert Glashüttner

Games and Gender

Wie bei fast jeder Spieleentwicklerkonferenz gibt es auch bei der GDC Europe ein Panel zum Thema "Women in Games", diesmal unter dem Titel "Designing Women". Dabei geht es immer wieder um die Frage, warum so wenige Frauen in die Produktion von Computer- und Videospielen eingebunden sind. Das Panel ist ausschließlich US-amerikanisch besetzt, was den kulturellen Erfahrungsaustausch der Panelistinnen etwas einschränkt und auch in Bezug auf den Austragungsort etwas merkwürdig ist.

Zu besprechen und kritisieren gibt es wie immer viel. Die weiterhin männlich dominierte Gestaltungshoheit bei Games, so die einstimmige Meinung, würde sich erst ändern, wenn der Mangel an Frauen in der Industrie ausgeglichen wird.

In Bezug auf die Zielgruppe werden die Spielenden aber auch von den Expertinnen am Panel fein säuberlich in zwei Lager aufgeteilt: So spielen die Buben, so die Mädchen. Er will den nackten Wettbewerb, sie die Spiel gewordene Klatsch-Soap. Auf diese Weise werden wir die Ponyhof- und Model-Superstar-Spiele aber nicht los, meine Damen!

Ein Powerpoint-Slide zum Thema "Woman and Games".

Robert Glashüttner

Mach' den Multitouch!

Doch nicht nur über das Design und die Wirkung von Software wird gesprochen, auch neue Eingabe-Technologien spielen auf der GDC Europe eine große Rolle. Seit das iPhone zum Wunderkind einer neuen Generation des User Interface wurde, ist das Interesse hier sehr groß.

Geschickt und einfallsreich in Sachen Interface Design sind etwa spezialisierte Uni-Lehrgänge und -Institute, bei denen Gestaltung im Mittelpunkt steht (etwa bei der MD.H in Berlin), aber auch kleine Firmen, die hoffen, dass die großen Fische auf ihre Technologie aufspringen und lizensieren.

In einer eigenen Präsentationsveranstaltung zu diesem Thema werden Projekte vorgestellt, darunter ein geräumiger Multitouch-Tisch, der sowohl für seriöse Übungen am semivirtuellen Seziertisch als auch für turbulente Gemeinschaftsspiele geeignet ist, bei denen man sich im Eifer des Gefechts auch mal physisch in die Quere kommt.

Kinder, die auf einem berührungssensitiven Tisch Spiele spielen.

Robert Glashüttner

Audienz bei Onkel Peter

Nachdem zwei Tage lang zugehört, geplaudert, verhandelt und diskutiert wurde, ist es am letzten Tag der GDC Europe Zeit für gepflegte Heldenverehrung. Game Design-Star und british Gentleman Peter Molyneux ("Populous", "Black & White") darf wieder eine Stunde lang flauseln und philosophieren, unterhalten und predigen, die Zukunft beschwören und Inspiration versprühen.

Molyneuxs neueste Babies heißen "Fable III" (futurezone.ORF.at hat dazu mehr) und "Milo". Beim ersten geht es um Emotion und Involviertheit, beim anderen um Bewegungsfreiheit und künstliche Intelligenz. Herrn Molyneuxs Lieblingsthema ist aber weiterhin, die Spielenden vor kleine und große Entscheidungen zu stellen und diese mit aufwühlenden Konsequenzen zu versehen.

Spieleentwickler Peter Molyneux spricht mit Fans und anderen Entwicklern.

Robert Glashüttner

Fans bei Onkel Peter (erleuchtet).

Tagesausklang am Hausdach

Ein langer Tag auf der "Game Developers Conference" endet meist bei einer von irgendeiner bekannten Firma veranstalteten Party. Statt nur Cocktails, Bier und Häppchen zu verteilen und halbseidene Showeinlagen zu buchen, hat eine Party von Gamehotel weitaus mehr zu bieten.

Gamehotel-Gründer und Veranstalter Bruno Beusch lädt bei der GDC Europe erstmals in Deutschland alte Bekannte und neue Energiebündel aus der weiten Welt der Spieleentwicklung auf die Bühne, um mit ihnen über Talent, Tugenden und Tragik des Entwicklungsalltags zu plaudern.

Das Programm ist hochkarätig besetzt, unterhaltsam und erfreulich vielseitig. So kommt der durchgeknallte, headbangende Indie-Entwickler aus Finnland ebenso zu Wort, wie renommierte Firmengründer aus der Welt der Musikspiele. Ein gelungener Ausklang für den reichhaltigen Auftakt des europäischen Flügels der Game Developers Conference.

Keiichi Yano und Steven Poole beim Karaoke-Singen.

Robert Glashüttner

They love to sing: Musicgames-Pionier Keiichi Yano ("Gitaroo Man", "Elite Beat Agents") und britischer Spiele-Denker und Autor Steven Poole ("Trigger Happy")