Erstellt am: 18. 8. 2009 - 17:16 Uhr
FM4 Kinopremiere: "The Hurt Locker"
Alfred Hitchcock hätte diesen Film geliebt. Denn The Hurt Locker spielt sich zwar im Irak kurz nach der Invasion der US-Streitkräfte aus, hat aber mit politischen Lippenbekenntnissen oder aufgeblähten Moralstudien nichts zu tun. Dieser Film ist reinstes und bestes Spannungskino: ein Nervenzerrer, der einen vor Nervosität am Stoffsessel herumrutschen und die Hände vorm Gesicht zusammen schlagen lässt. Regisseurin Kathryn Bigelow, eine der besten (Action-)Regisseurinnen des Gegenwartskinos, verwendet das Set-Up nur als Verortung, lässt alle geopolitischen Implikationen außen vor, dringt freilich gerade darüber zu einem Gefühls-Reservoir vor, von denen die meisten stolzen, gut gemeinten Kriegsfilme (etwa: In the Valley of Elah) nur träumen können.
Kathryn Bigelow, geb. 27. 11. 1951, gelingt 1987 der internationale Durchbruch mit ihrem Horrorwestern "Near Dark". Es folgen "Blue Steel" (1990), "Point Break" (1991), "Strange Days" (1995), "The Weight of Water" (2000) und "K-19: The Widowmaker" (2002). Sie ist eine der wenigen Regisseurinnen, die sich im Genrefilm-Bereich etabliert haben und vor allem im Action- und Horrorfilm tätig sind. Bigelows Filme beschäftigen sich vorwiegend mit männlichen Figuren in extremen Situationen (Irak-Krieg, Extrem-Sport) oder mit extremen Konditionen (Vampirismus).
Filmfestival Venedig
Bigelow liebt ihre Männer am Rande des Nervenzusammenbruchs, hat sie schon immer: egal ob sie im schicken Surfer-Thriller "Point Break" (mit Keanu Reeves und Patrick Swayze) das Adrenalin im Extrem-Sport und der Kriminalität suchen, ob sie im Vampirwestern "Near Dark" den Lebenssaft zum Überleben brauchen (ein passendes Bild für alle Bigelow-Figuren) oder sich im unterschätzten Sci-Fi-Noir "Strange Days" in die Träume und Fantasien von Anderen schleichen. "The Hurt Locker" zeigt Kathryn Bigelow auf der Höhe ihrer Kunst, ist der bisherige Höhepunkt ihrer außergewöhnlichen Karriere.
Drogenkino
Bigelow, die von 1989 bis 1991 mit James Cameron, einem anderen Visionär des Actionkinos verheiratet war, gibt dem Zuseher nur ein paar einführende Worte mit, bevor die zweistündige Hölle losbricht:
War is a Drug
steht da vor einem auf der Leinwand. Später wird man verstehen, was sie damit gemeint hat, wie doppeldeutig dieses Zitat zu verstehen ist.
Concorde
Denn obwohl Bigelows "Hurt Locker" jedwedes politisches Bekenntnis verweigert, bezieht er implizit Stellung zum heuchlerischen Verhältnis zwischen Kriegsfilm und Zuschauer: man lässt sich vermittels konventioneller Unterhaltungsdramaturgien durch Schusswechsel und sonstige Action-Aufbauten schleppen, bekommt im Nachhinein die Botschaft rein gepfeffert, die das Werk zum – per se eine Paradoxie – Antikriegsfilm machen soll. Der Krieg als Droge für den Zuschauer, der trotz aller emotionaler Entrüstung immer wieder hinschauen muss: weil es knallt, blitzt und donnert, weil es zur Sache geht, existenziell ist. Der Krieg als Droge für ihre Figuren im "Hurt Locker": die Männer vom EOD (Explosive Ordnance Disposal), die in futuristisch anmutenden Schutzanzügen durch Straßenzüge, offene Felder spazieren und Bomben entschärfen müssen.
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Apocalypse Wow!
Bigelow beschäftigt sich im "Hurt Locker" nicht mit einer zusammenhängenden Geschichte: ihr Film spielt sich in diversen Spannungsminiaturen (deren Intensität sich bis ins Unerträgliche steigert) aus, zusammen gehalten wird er nur durch ein Gefühl für die fragile psychische Verfassung der Männer. Sergeant First Class William James (Jeremy Renner), Sergeant J. T. Sanborn (Anthony Mackie) und Spezialist Owen Eldridge (Brian Geraghty) werden nie studiert, ihre familiären oder emotionalen Hintergründe werden, wenn überhaupt, nur angerissen. Bigelow reduziert alles auf diese Situationen, auf die Momente am Rand des Wahnsinns, wenn die Männer durch die dystopischen Geröllhaufen steigen, wenn jeder Schritt den Tod bedeuten könnte, wenn sich unter dem Schutzanzug die Schweißperlen sammeln, jede plötzliche Bewegung die Bombe auslösen könnte.
Concorde
Es ist der dramaturgisch sparsamste Film von Bigelow: sie hat großes Vertrauen in das Ausgangsmaterial und Drehbuch des früheren "embedded journalist" Mark Boal, in die fiebrigen Bilder von Kameramann Barry Ackroyd, in ihre Darsteller, in sich selbst. Zu Recht. "The Hurt Locker" ist ein Meisterwerk.
Tickets zu gewinnen
Wer an der Verlosung der 90x2 Tickets für die FM4 Kinopremiere von "The Hurt Locker" teilnehmen will, muss nur die folgende Frage richtig beantworten: Ein Musiker, der gerne mal aufs T-Shirt verzichtet und ein Schauspieler, der in einer Serie die Hauptfigur "Flachzange" nennt spielen beide in einem von Kathryn Bigelows Filmen mit - wie ist der Titel dieses Films?
Die richtige Anwort ist "Point Break – Gefährliche Brandung".
Die GewinnerInnen sind via mail verständigt worden.
FM4 Kinopremiere
"The Hurt Locker" (OV) am Dienstag, 25.8.2009 um 20 Uhr im Artis International (Schultergasse 5, 1010 Wien)