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Susi Ondrušová

Preview / Review

17. 8. 2009 - 11:00

Copy. Do not paste.

Der ganz besondere Elternbesuch mit "Momma's Man".

Jeder zweite Gesprächsstoff wird mittels tragbarem Büroutensil mit Fakten bereichert (diesen hier z.b.), aber im Versuch, den Alltag Alltag sein zu lassen, wurde auf die Recherche zur Meinungsbildung verzichtet. Kino jetzt, Kino schnell. "What happens when you grow up but don´t want to leave home?" fragt Azazel Jacobs in "Momma´s Man".

Azazel Jacobs' Momma's Man

Das "you" ist ein "man", und in dem Fall ein "er" - der Autor selber. Die im Film von den realen Eltern dargestellten Erziehungsberechtigten sind zum Teil sprachlos, meinen es aber gut. Mit Müslirezepten zum Beispiel. 90 Minuten Fleischwolf und Mischmaschine. Ein Film zur inneren Krise. Jene Krise, bei der man von der Realität bis zur Lähmung gebeutelt wird. Und die Tage eben Zuhause verbringt: aus Mangel an räumlichen Trennwänden vorwiegend im Bett, dort wo man der Decke am nächsten ist. Dabei Verpflichtungen verdrängt, neue Zeitrechnung startet und zum Beispiel "verpasste Chancen" auf Hoffnungslücken untersucht, aufarbeitet oder wiederbelebt. Alles im Dienste der Selbstfindung.

Glas mit Tee

fm4 ond

Der Held im Film findet sich rücklings beim passiven Treppenflug. Das ultimative Bild für jemanden der "passiert" statt "macht" und deswegen eine der schönsten Szenen im Film, weil eben mit dem bis dahin vorherrschenden Un-Tempo gebrochen wird. Nächster Aufwachmoment: als in der sonst beherrschenden Film-Stille Musik erklingt. "The best thing you´ve ever done for me is to help me take my life less seriously" singen die Indigo Girls. Weisheit: "The less I seek my source for some definitive – the closer I am to fine"

Indigo Girls "Closer To Fine"

Natürlich besuche ich daraufhin meine Quelle "for some definitive": Ab in die Wohnung der Eltern. Die Krise zu benennen, heißt sie zu konfrontieren. Ob im Schlafanzug oder im Heldenkostüm. Die Fütterungsrituale sind die gleichen. Statt zehn Sorten Müsli gibt es vorzugsweise Vorspeise, Hauptspeise, Nachspeise und Kaffee. Um eine Entscheidung zu treffen, wird keine getroffen, also alles Servierte verzehrt. Gesprächsstoff bügelt sich von selbst: Verwandschafts-Updates mit dazugehöriger Fotoslideshow.

Glass mit Tee

fm4 ond

Erst als die Großeltern via Skype dazwischengeschaltet werden sollen, versuche ich der "Was machst du so?"-Aktualität zu entgehen und täusche vor, gleich ins Kino zu müssen. Am besten zu Azazel. Mutter interessiert sich für den Film, meint aber scherzhaft, dass ihr für ihre Rolle in meinem Drama eine Schauspielerin lieber wäre. Und ob ich Taschentücher brauche. Wenigstens sagt sie, was sie denkt. Sie wird mit einem Buch im Schoß vor meiner Zeit einschlafen.

Im Geiste liege ich in Embryonalstellung auf der Gästecouch. Brauche nur ein bisschen Zeit zum Nachdenken, was bedeutet nämlich dieses erwachsen und unabhängig sein? Das ist doch, wenn mir die Eltern beim Abschied einen 10er zustecken und ich auf die dazugehörige Ansage "Kauf dir ein Eis!" mit "Okay" antworte. In der U-Bahn lasse ich den Mantel des Tochterdaseins links liegen, neben mir nimmt ein Herr mit Wodka to go Platz, hinter mir eine Ehefrau die ihren Mann korrigiert, vor mir eine Mutter, die mit ihrem zahnlosen Baby Hebefiguren in der Luft vollführt. Auf und ab also. Die Stufen Richtung Ausgang finde ich, komme was wolle, torkle was solle.