Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Distant Heat Festival 2009"

Christian Pausch

Irrsinn, Island, Ingwer.

14. 8. 2009 - 15:19

Distant Heat Festival 2009

Eine einzigartige Techno-Party mitten in der Wüste Jordaniens.

Als Y. und ich unseren Flug nach Jordanien buchen, haben wir keinen Ahnung, was uns erwartet. In den muslimischen Ländern, die Y. bisher besucht hat, war an so etwas wie abends Ausgehen oder ähnliches überhaupt nicht zu denken, wir nehmen uns also vor Moscheen zu besichtigen, die Felsenstadt Petra und vielleicht auch noch einen Ausflug zum Heilschlamm am Toten Meer.

Als der Abflugtermin immer näher rückt, beginnen wir im Internet nach Dingen zu recherchieren, die nicht unbedingt dem üblichen Touristen-Programm entsprechen. Und siehe da, wir werden fündig. Genau in der Woche unseres Aufenthalts findet ein Festival in Jordanien statt. Ein Techno-Festival! Da müssen wir hin.

Distant Heat Festival von 23. bis 24. Juli in der Wüste Wadi Rum, steht da geschrieben. Ein Techno-Fest mitten in der Wüste? Sofort bemühe ich mich um Karten und komme dabei mit der Event-Managerin von Distant Heat in regen Mail-Kontakt: Julian Noursi.

Yalda Walter

2003 hat Julian Noursi zum ersten Mal einen kleinen Rave in der Wüste Wadi Rum veranstaltet. Damals hat sie DJ-Freunde aus Beirut eingeladen, die umsonst die Turntables bespielt haben. Das war ein Test, sagt sie heute, um zu sehen, ob sich die Wüstenumgebung und der Elektro-Sound vertragen und das Ganze vielleicht ausgebaut werden kann.

Mittlerweile ist das Distant Heat Festival zu einer kleinen Institution in Jordanien geworden. DJs aus aller Herren Länder haben in den letzten sechs Jahren die Felswände beschallt. Für Touristen wie uns ist das Festival aber immer noch ein Geheimtipp, zumindest hat keiner von unseren Freunden je davon gehört.

In der Hauptstadt Amman angekommen, wird uns schnell klar, dass Jordanien ein sehr offenes Land ist. Jüngere Frauen sind fast nie verschleiert, viele der Jugendlichen, die wir kennenlernen, trinken Alkohol und sehen darin keinen Bruch mit dem Islam. Die Gebetsrufe des Muezzin werden zwar respektiert, aber dass sich jemand wirklich zum Gebet hinkniet, erleben wir nur selten. Das Distant Heat ist jedem unserer jordanischen Bekanntschaften ein Begriff und jede/r Jugendliche in der Hauptstadt scheint schon Tickets dafür gekauft zu haben. Der diesjährige Headliner Armin van Buuren zieht die Massen an.

Yalda Walter

Als wir auf den Bus warten, der uns zum Festival bringen soll, sehen wir unzählige jordanische Jugendliche mit Armin van Buuren-Shirts, und auch jedes zweite Gespräch handelt von ihm. Und wir stellen fest, dass wir nicht die einzigen Ausländer sind, die zum Distant Heat fahren. Auf dem Busparkplatz lernen wir Karl und Adam aus den U.S.A kennen, Sofie aus Griechenland, eine Menge Holländer, Deutsche und sogar Österreicher.

Die Wüste Wadi Rum liegt im Süden des Landes, in der Nähe der Stadt Ma'an. Der Bus - gottseidank mit Klimaanlage - rast ohne anzuhalten mit uns und den anderen Festival-Hungrigen durchs Land. Und zwar wirklich fast durch ganz Jordanien. Vorbei an einsamen Schafhirten und Beduinen-Zelten, durch eine Landschaft, die als trocken und staubig am besten beschrieben ist.

jord

Yalda Walter

Yalda Walter

Als wir endlich ankommen, ist es schon längst dunkel. Wir steigen aus, und während wir unsere Füße in den warmen Wüstensand stecken, hören wir aus der Ferne schon die ersten Beats.

Bevor wir das Gelände betreten, klettern wir mit unseren neuen Freunden aus dem Bus auf eine riesige Sanddüne. Von dort aus haben wir einen großartigen Blick über das gesamte Festivalgelände und die riesigen Felswände, die mit Hunderten Scheinwerfern in allen erdenklichen Farbtönen beleuchtet und bestrahlt werden. Überall an den Wänden sieht man Menschen, die dort herumklettern, um ebenfalls von oben einen Überblick auf die Bühne und die Tanzfläche zu bekommen. Über uns scheint der Himmel endlos und übertrieben vollgestopft mit Sternen. Und als könnte man jeden von ihnen - so kitschig es auch klingt - einfach angreifen und in die Hand nehmen. Ein seltsam-gutes Gefühl.

jord

Christian Pausch

jord

Christian Pausch

Auf der Sanddüne hat sich auch ein kleiner Teil einer Beduinen-Familie getroffen, um dem Spektakel aus sicherer Entfernung beizuwohnen. Sofort verwickeln sie uns in ein Gespräch trotz der mangelnden Arabisch- bzw. Englisch-Kenntnisse. Als ich die Nomaden frage, was sie von diesem Festival hier in ihrer Wüste halten, bekomme ich eher zurückhaltende Antworten. Sie seien sehr gläubig und könnten es nicht gutheißen, dass sich die Menschen hier in ihrem Zuhause betrinken. Aber andererseits freuen sie sich auch, dass sie etwas zu sehen bekommen. Lange sitzen wir bei den freundlichen Männern im Sand und reden mit Händen und Füßen über dieses und jenes, und vergessen fast darauf endlich das Festivalgelände zu betreten.

jord

Yalda Walter

Kurz noch durch einen Security-Check und schon sind wir mitten drin im Geschehen. Der jordanische Trance-DJ Bee Bee legt gerade auf und das Publikum ist schon längst wild am Tanzen. Erst jetzt, wo wir so nahe sind, können wir die gewaltigen Steinfelsen richtig begreifen und die Mutigen von uns machen es den Jordaniern gleich und klettern hinauf, um sich den Blick von oben zu gönnen.

jord

Christian Pausch

Alles wartet auf Armin van Buuren und als er endlich auf die Bühne kommt, um seinen Mix aus eigenen Songs und Remixes von allerlei Indie-Hits zu spielen, wird das Soundsystem voll ausgelastet. Über vier Stunden geht sein Set und fast unbemerkt geht die Sonne über Wadi Rum auf.

Yalda Walter

jord

Christian Pausch

Um acht Uhr morgens holt uns der Bus wieder ab. Trotz komfortablen Doppelbetten in den bereitgestellten Zweimann-Beduinenzelten hat keiner geschlafen, alle schauen ziemlich fertig, aber auch unglaublich glücklich aus. Manche treten erschöpft den Heimweg an, aber viele machen sich noch auf den Weg zur Aftershowparty nach Aqaba am Roten Meer. Dort wird am Strand noch eine Nacht länger zu Techno, House und Elektro-Klängen getanzt, mit Blick auf die ägyptische und die israelische Küste.

Das Distant Heat hatte es wirklich in sich - nächstes Jahr gibt's wieder eins!