Erstellt am: 12. 8. 2009 - 17:05 Uhr
Für immer unendlich
Mit Begriffen wie "Ewigkeit" oder "Unendlichkeit" wird mitunter gar gern salopp umgegangen, wenn zum Beispiel manch ungeduldige Damen wie Herren wegen ein paar Minuten Wartezeit an der Supermarktkassa etwas wie "das dauert ja ewig" vor sich hin brummeln, um anschließend ein sonores "Kassa bittääää!" in den Raum zu schmettern. Nebenbei bemerkt sind das auch die gleichen Zeitgenossen, die einem gern vor lauter Ungeduld immer das Einkaufswagerl in den Rücken rammen.
Ein gewisser Stephen King schien da schon ein wenig mehr Ahnung zu haben, als der in einer seiner Kurzgeschichten Menschen durch einen sogenannten Teleporter steckte, die am anderen Ende nur dann heil ankamen, wenn man sie vorher in Schlaf versetzte. Im Wachzustand waren die Folgen eher fatal, denn entweder waren die Personen tot oder fielen dem Wahnsinn anheim und meinten die Ewigkeit gesehen zu haben.
![© Avalanche Records Das Plattencover von "Infinity", ein Wald mit grauem Himmel im Hintergrund.](../../v2static/storyimages/site/fm4/20090833/Jesu-infinity_big_body.jpg)
Avalanche Records
Ewigkeit oder Unendlichkeit auch nur annähernd beschreiben zu wollen sei hiermit einerseits gerne klugen Philosophinnen und Philosophen überlassen, wenn es aber andererseits noch einen gibt, der dem Gefühl der Unendlichkeit zumindest akustisch nahe kommen kann, so ist das niemand Geringerer als Justin K Broadrick, Mastermind von Jesu, dem Nachfolgeprojekt von Godflesh.
Ein Album, ein Song
Der hat mit seinem neuesten Werk namens "Infinity" zumindest nichts weniger geschaffen als die Antithese zu Ungeduld, Eile, TV-Kanäle Durchzappen oder in der Musikplaylist nach einer Spieldauer von 20 Sekunden zum nächsten Song zu springen, weil der davor ja schon so langweilig war. Das fast 50 Minuten schwere "Infinity" besteht nämlich aus genau einem Song.
Das mag manche vielleicht im ersten Moment abschrecken, wer sich aber darauf einlässt, wird reichlich belohnt, denn Gänsehautmomente gibt es viele. Sei es in für Jesu typischen Momenten, wenn Broadrick hymnische, von Elektronik untermalte Gesänge anstimmt oder in Momenten kathartischer Wutausbrüche, wenn plötzlich Doublekick-Drums nebst in den Kniekehlen hängende Gitarren einsetzen und Broadrick dazu wie weiland zu Godflesh Zeiten ins Mikrofon bellt. Mit beidem bringt er einen zum glücklichen Weinen.
Auf den Spuren der Vergangenheit
Genau das ist es auch, was die Stärke von "Infinity" ausmacht. Man verstehe mich nun bitte nicht als jenen alten sentimentalen Socken, der ich mitunter bin und der sich zugegebenermaßen an einer Auferstehung von Godflesh erfreuen würde. Godflesh ist und bleibt nach wie vor Vergangenheit und Jesu ist die Gegenwart. Broadrick hat aber seine Wurzeln wieder in diese Gegenwart integriert und seine bisherige (zumindest vermeintliche) Verweigerungshaltung aufgegeben. "Infinity" ist damit das wohl beste Stück Musik, das Justin K. Broadrick bisher geschaffen hat. Dieses Mal sogar im völligen Alleingang, denn alle Instrumente hat er selbst eingespielt. Möge das noch lange so weitergehen, am besten unendlich lange.
![© Justin K Broadrick](../../v2static/storyimages/site/fm4/20090833/band2_body.gif)
Justin K Broadrick
Jesu im House of Pain
Ungeduldige Freunde von Jesu müssen nicht mehr lange warten und dürfen Auszüge aus dem Album am Mittwoch, den 12. August 2009, ab 22 Uhr erhören. Hosianna.