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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

11. 8. 2009 - 17:44

Fußball-Journal '09-71.

Die Bundesliga ist eine Ausbildungsliga. Ein Gespräch mit dem Liga-Vorstand Georg Pangl, und ein nicht unbedingt zu erwartendes Commitment.

Georg Pangl (65-06), gebürtiger Burgenländer, war lange Jahre und in allen möglichen Bereichen beim ÖFB bis hin zum Teammanger, in der Folge dann auch bei der UEFA (etwa auch als Venue Director bei der Euro 2000), wo er 02-04 als Event-Manager Club-Competitions für den Ablauf von Champions League und UEFA-Cup verantwortlich war. Seit September 2004 ist er Vorstand, also Geschäftsführer der österreichischen Fußball-Bundesliga.

Zu Beginn erzähle ich Georg Pangl, warum ich dieser Tage mit ihm sprechen wollte.
Zum einen weil nicht nur mir anlässlich der Auftakt-Präsentationen von 1. Liga und Bundesliga die Diskrepanz zwischen der klaren Positionierung der zweiten Leistungsstufe (als dezidierte Ausbildungsliga) und der verwaschen-wenigsagenden Vorstellung der Bundesliga (als irgendwie nichts Konkretes) aufgefallen war. Und man sich schon hier ein deutlicheres Bekenntnis zu einer Ausbildungs-Philosophie im internationalen Rahmen gewünscht hätte.

Zum zweiten, weil im Umfeld des durchaus erfreulichen Transfers von Jimmy Hoffer zum prestigebeladenen Ex-Maradona-Club SSC Napoli vor allem von jenen Vereinen, die international spielen (Sturm, Austria, Rapid) und bei denen deshalb auch ein wenig genauer über die Club-Philosophie nachgedacht wird, ein in dieser Form bislang noch nicht gehörtes Bekenntnis zum Begriff des Ausbildungsvereins präsentiert wurde.

Was mich zur Frage führt, ob dieser kleine, aber wesentliche Fortschritt jetzt ein unabgesprochener Zufall ist oder nicht, und welche Zielen/Absichten da dahinterstecken.

Das Kind beim Namen nennen

Salzburg nehmen wir, nur falls sich jemand wundert, immer aus: deren Konzept ist ein grundlegend anderes. Alles Gesagte gilt für alle anderen, also 19 von 20 BL-Mitgliedern.

Pangl sagt, dass er da ausholen muss - und weil das Web ein Medium ohne Zeichen/Platzbeschränkung ist, passt das auch. Und er klärt zuerst einmal, dass der Liga-Vorstand als Zusammenspiel von Vereinen ein nicht sehr leicht zu bewegendes Konstrukt ist. Also keine Zentralmacht wie die ihm gut bekannte UEFA, die Vorgaben erarbeitet, an die sich diue Mitglieder dann zu halten hätten.
Und er erzählt von der vor zwei Jahren von der Liga ins Leben gerufenen Strategierunde (nicht zu verwechseln mit der etwa zeitgleich agierenden Zukunftswerkstatt des ÖFB), die an einer klaren Deklarierung der Liga gearbeitet hatte - was eben nicht so einfach ist, weil es gilt die verschiedenen Vereins-Interessen unter einen Hut zu bringen. Und die habe sich eigentlich hauptsächlich mit der Frage einer Gesundung der Liga-Strukturen von innen beschäftigt, also mit dem Nachwuchs und der Ausbildung - die dann letztlich (via Verkauf an die größeren Clubs und in die größeren Ligen) den Verein finanziert.

Alfred Hörtnagl (66-09), Tiroler, Ex-Teamspieler, Buchautor, seit Ende 06 Sportdirektor bei Rapid wo er bis dahin unerhörte Begriffe wie den der Nachhaltigkeit eingeführt hat.

Kurier-Oldie Wolfgang Winheim schrieb unlängst von der flächendeckenden 80er-Jahre-Plage, als Nachwuchs-Förder-Gelder für schreckliche Importe veruntreut wurden.

Und er erwähnt, nicht zufällig, den Namen Ali Hörtnagl als Antreiber hinter dieser Gruppe: "Hörtnagl hat das gut strukturiert, hat dem Kind einen Namen gegeben, hat sich auch der Unterstützung seines Präsidenten geschaffen."

Langsam merkt man, sagt Pangl, nach einer wenig rühmlichen Vergangenheit mit zuvielen planlos importierten mittelmäßigen Legionären und versäumter Jugendarbeit (der Übertritt der 17-jährigen Talente, mit denen Österreichs Clubs immer problemlos in der Weltspitze mitspielen können, in den Erwachsenenbereich klappt einfach nicht), dass man sich von da emanzipiert hätte, auch aus der Erfahrungen der eigenen Fehler: "Wir haben im ÖFB in den 80ern auch sehr kurzfristig gedacht, für uns waren Resultate und Nachwuchs-Turnier-Teilnahmen wichtiger als ein kontinuerlicher Aufbau. Ein falscher Weg."

Was nicht sichtbar ist, wird nicht medial transportiert

Erwin "Jimmy" Hoffer (87-04), nicht nach dem US-Mobster benannter Parsifal des heimischen Fußballs, wurde durch die U20-WM 07, seine Großfamilie und sein beim Angeln erlerntes Schweigen bekannt, ehe er von Roberto Donadoni nach Neapel geholt wurde.

Letzte Saison hätten die Transfers von jungen Shooting-Stars wie Korkmaz, Prödl oder Fuchs Hoffnung gemacht, nun bestätigt nicht nur der Hoffer-Transfer diesen Trend, auch die aktuellen Leistungsträger der Vereine (Jantscher, Beichler, Hölzl, Okotie, Dragovic, Junuzovic, Drazan, Pehlivan, Leitgeb etc) oder auch der Altersschnitt des aktuellen Teamkaders sprechen da eine deutliche Sprache.

Noch dazu, sagt Pangl: "Früher haben wir uns Erfolge errangelt, heute erspielen wir sie uns."

Und dann spricht Pangl zwei für ihn entscheidende Punkte an.

"Der Erfolg der U20 in Kanada war die Initialzündung für Öffentlichkeit und Vereins-Verantwortliche. Da ist der Knoten geplatzt, seitdem denkt man um."

Export / Import:
Aus der Bundesliga, der obersten Spielklasse wurden heuer genau drei Spieler exportiert: neben Hoffer auch Taboga (nach Norwegen) und Hoheneder (nach Prag). Bei Öbster (New York?) ist der Fall nicht klar, Denis Berger ging einfach nur nach Deutschland zurück.
Selbst junge ausländische, hierzulande ausgebildete Spieler schaffen es kaum raus: Pa Saikou Kujabi aus Gambia (zum FSV Frankfurt) ist eigentlich der einzige, der sich's verbesserte).

Hingegen wurden von den 10 BL-Klubs wieder an die 20 ausländische Spieler reingeholt, für die die Liga entweder Endstation oder letzter Stopp vor dem Abstieg darstellt.

Bessere Exportzahlen gab es für die 1. Liga (6 Spieler), die Regionalligen (zumindest 4) und die Jugendabteilungen (zumindest 8). Diese Ligen/Bereiche sind im übrigen durch Legionärs-Quoten geschützt.

Und natürlich war das auch ein Produkt des medialen Transports: "Erst durch die Vorstellung dort wurden die Okoties und Hoffers und Prödls (und auch Gludovatz selber) zum Inbegriff des erfolgreichen Fußballers. Die hatten um 3 in der Früh ein paar Hunderttausend Zusschauer. Wär das in dieser Form nicht passiert, es wäre viel mühsamer gewesen so einen Bekanntsheitsgrad zu erreichen. Noch dazu für einen Nachwuchs-Bewerb, der sonst weder die Medien noch die Konsumenten interessiert."

Pangl hat recht: Was nicht sichtbar ist, wird nicht medial transportiert. Nur Erfolg und mediale Auftritte machen Leute bekannt, nur über diese Bekanntheit können dann auch Themen im Mainstream platziert werden.

Eben, sagt Pangl: "Seit ich da bin, hab ich immer wieder Nachwuchs-Themen angesprochen und um Aufmerksamkeit ersucht, auch aufgrund meiner Vergangenheit als ÖFB-Verantwortlicher. Aber: selbst wenn ich über die Strategie-Runden berichtet habe, in denen man sich deklariert, als Ausbildungs-Liga positioniert hat, war das für die wenigsten eine Geschichte wert. Das ist nicht so interessant, nicht transportierbar."

Strategisches Themensetting

Ich sag dann, dass ich das interessanterweise viel optimistischer sehe. Und natürlich reicht es nicht die Geschichte bei den (gern auch wankelmütigen) Vereinen zu lassen, weil auch Öffentlichkeit/Medien mitspielen müssen, damit die Diskussion ins Bewußtsein gelangt.

Der Begriff der Ausbildungs-Liga kann, wenn er von seinen Fürsprechern, den Hörtnagls, oder auch anderen Verantwortlichen kommuniziert wird, vor allem im Zusammenhang mit nachvollziehbaren Ereignissen (wie in diesem Fall der Hoffer-Transfer zu Napoli) durchaus eigenständig von allen aufgeschnappt und zerredet. Selbst wenn die Diskussionen dann teilweise unsinnig sind, das Thema ist gesetzt -> marketingtechnisch hat es funktioniert.

Stimmt, sagt Pangl, jetzt existiert das Wort Ausbildungs-Liga, sagt Pangl: "Bei uns ja schon seit mehreren Jahren, seit ich da bin."

Nicht in den Satzungen, sag' ich.

"Wenn sich alle einigen, es in die Zielvorgaben oder die Satzung reinzubringen - und es ist ja im Positionspapier der Strategie-Runde drinnen - ja! Bisher waren wir noch nicht soweit. Und sicher ist das ein Ansatz das noch mehr in den Köpfen alle Beteiligten, Vereinsvertreter, Medienvertreter, zu verankern, indem man das dort klipp und klar reinschreibt."

Ich bin ein wenig erstaunt über das offene Commitment, das sag ich ganz offen. Denn bislang hatten die öffentlichen Handlungen dem nicht entsprochen.
Offenbar ist/war man hinter den Kulissen weiter, als man sich einer strukturkonservativen Öffentlichkeit samt an Zusammenhängen desinteressierten Mainstream-Medien gegenüber zuzugeben traut.

Das Fußball-Journal 09 erscheint regelmäßig.

Siehe auch Journal 09-18, Gespräch mit Willi Ruttensteiner, technischer Direktor beim ÖFB.

Dann erzählt Georg Pangl von einer Studienreise, noch zu ÖFB-Zeiten, als er (mit Heinz Hochhauser) nach Frankreich gefahren ist, zu den europaweit führenden Ausbildungszentren. Dort gab es eine Charta, wo alle Vereine bestätigten, sich einer speziellen Ausbildungsphilosophie zu unterwerfen.
"Ich hab nach Rückkehr die Idee in die Gremien gebracht - und dort war die Reaktion: "Wos willst mit dem Bledsinn?!? Damals war die Zeit bei uns nicht reif. Heute würde das funktionieren. Das öffentliche Umdenken ist da."

Ich wünsch's ihm, mir, allen.