Erstellt am: 9. 8. 2009 - 06:00 Uhr
Song Zum Sonntag: Discovery
In Osaka I saw you last
Your face pressed up against the glass
Across the tracks you're looking at
As bullets pass behind your back
And I tried to catch your eye and then
Walk past ya as the train came in
But I missed ya there and lost my mind
(unverständlich)
Now I see that you fell asleep again
You've been riding this train since 2 AM
Like the circle of fifths you drew in school
The loop line takes you round and through
Osaka Loop Line
Die Osaka Loop Line ist eine ständig im Kreis fahrende Zuglinie um das Stadtzentrum. Wenn etwas Großstadtromantik besitzt, dann die Vorstellung, dass man jemandem, dem/der man kurz in einem vorbeifahrenden Zug in die Augen blickt, vielleicht mit einem aufkeimenden Interesse, mit hoher Wahrscheinlichkeit nie wieder begegnen wird. Nicht so in Osaka: Dort kann der/die Begehrte schon mal mit an die Festerscheiben gelehntem Kopf einschlafen und sich Stunden später am selben Ort wiederfinden. Und alles wiederholt sich, wie der Beat in einem Tanzstück, man braucht nicht verrückt zu werden.
Loop
Der Loop ist vielleicht die große Errungenschaft der Tanzmusik. Und seit Lee Perry seine Tapeloops zwecks Dubbing um Besenstiele gewickelt durchs Zimmer des Studios leitete, ist die Verfremdung, Verlangsamung und versetzte Wiederholung des Loops auch außerhalb von Dub versucht worden. Bei Discovery loopen sich in einem Song voller Wechsel und Änderungen dennoch immer wieder: eine laute, kurze White Noise Sequenz, Flitterkeyboardsounds, Blubbern, Handclap, eine dissonante E-Klavier-Improvisation, drei Strophen und - klar - eine süße kleine Melodie.
Discovery
showclix.com
Allein der Name: Ich fand ja den Namen Vampire Weekend nicht so gut, und über Ra Ra Riot brauchen wir uns nicht zu unterhalten, aber bei "Discovery" schwingt schön die Mystikverliebtheit der Disco-Ära mit, wo Bands, oder besser "Projekte", "Imagination", "Ganymed" oder "Eruption" hießen. Später auch "Stardust" und tatsächlich war das erste, was ich dachte, dass sich wohl nur angeberische Franzosen oder Bayern "Discovery" nennen würden (auch weil sie draufkommen, dass man es auch als "very Disco" lesen kann) - nicht aber junge, intellektuelle Amerikaner.
Die, um die es sich handelt, sind der Vampire Weekend Keyboarder Rostam Batmanglij (was für ein Name, schon wieder) und der Ra Ra Riot Sänger Wes Miles, die die Zeit zwischen den neuen Alben ihrer Wunderknaben-Bands nutzen, um eine ebenso experimentier- wie melodiefreundliche, gemütliche Sommerdiscomusik herzustellen.
cdn.pitchfork.com
Age Of Change
Man mag es für ungerecht halten, aber schon wieder tritt eine 80er-Referenz zu Tage: Diesmal ist es die vergessene Sample Pionier Band Age of Change aus Leeds, eine Konzept-Künstlergruppe, die ihren Krach-Pop mit ins umgekehrte gewendeten Kapitalismus-Slogans überschrieb ("You Can Live Forever With The Age of Change") und mit ihrem von den russischen Futuristen inspirierten und von der Designers Republic hergestellten optischen Konzept mehr KritikerInnen als HörerInnen begeisterten. So wurde die "Age of Change" außer für ein preisgekröntes Cover vor allem für ihre großartige, eckige und krachige Version von Princes "Kiss" bekannt. Und mit eben diesem machten sie in etwa das, was Discovery mit dem marmeladigen Schönpop ihrer Hauptbands machen: umdrehen, mit überraschenden Wechseln und Geräuschen verzerren, stehenlassen, zerhacken, dehnen, zumüllen und wieder freischaufeln. Discovery holen sie dann mit hohem Gesang und niedlich- bösen Lyrics wieder ins Marmeladeland der Stammbands heim.
Der Song zum Sonntag ist eine Kooperation zwischen FM4 und der Presse am Sonntag und erscheint hier wie dort, wo sich der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar der Kolumne annimmt.
Anders als die AoC, deren Sampler noch recht klein und teuer waren und die noch das gute alte Megaphon als Soundeffekt verwendeten, steht für Discovery eine nahezu ganz geschriebene Musikhistorie der Abstraktion und Verfremdung zur Verfügung, die seitdem stattgefunden hat. Vor allem ist es der die Vorstellung von Funkiness völlig verändernde Beat des Timbaland-R'n'B, aber auch Björk, Prefuse 73, die Indietronics von Postal Service und Safety Scissors, Shoegazer Lärmpop und Acid House. All das im Kopf, zauberten die beiden klugen Jungs eine Sommerplatte, mit der sie sich durchaus auf der gleichen weißen Ledercouch im Disco-Himmel wiederfinden könten, wie Passion Pit, das andere Boywonder des Dancepop 2009.