Erstellt am: 8. 8. 2009 - 23:00 Uhr
Journal '09: 8.8.
Ich habe keine Ahnung, ob alle, die das lesen, The Breakfast Club kennen. Nicht die gleichnamige, eh auch lustige ehemalige Madonna-Begleitband, sondern das Teenage-Drama von John Hughes mit dem David-Bowie-Vorwort, dem Keith-Forsey-Soundtrack, das am 24.3.1984 in einer High-School-Nachsitzer-Klasse spielt.
universal
Meine Generation musste ich nicht fragen - da wusste ich, alle haben ihn gesehen, den 5er-Gipfel an der Sherman High, der in die Leben der Jugend der Welt einschlug wie davor vielleicht Easy Rider oder die Leiden des jungen Werther.
Die Mitt/Enddreißiger musste ich auch nicht aktiv fragen.
Sie kamen, als vom Tod von John Hughes, dem Regisseur dieses und vier anderer Filme, die eine zwischen Seriosität und Spielerei pendelnde Anwaltschaft für die rebellische Kraft der jungen Generation war, ganz von selber mit ihren Erinnerungen an die Zeit, wo sie, viel zu jung, den wilden Film gesehen hatten, den ihnen die Älteren empfohlen hatten.
Und die Mitt/Endzwanziger überraschten mich dann mit unverlangt abgefeuerten Dialogzeilen aus diesem kleinen Kammerspiel - bis zu ihnen hat die Mund-Propaganda noch klar gereicht.
Der ewige Breakfast Club
Aber: Kann ein Teenager/AnfangsZwanziger noch irgendwas mit einem reinen Dialogfilm mit geringem Action/Sexanteil anfangen, der sich nicht konkret auf aktuelle Zustände bezieht, sondern das immer wiederkehrende Thema des Erwachsenwerdens und des Widerstands gegen das, was die alte Generation als Dogmen vorgibt, anspricht?
Und das einerseits deutlich und konkret (der Schulalltag kommt nicht vor, aber er wird indirekt über die Nachsitzerei der inhomogenen 5er-Gruppe am Samstag sehr gut, weil struktruell reflektiert), andererseits aber durchaus vage - was viel mit der Zeit und den wesentlichen vorherrschenden Mythen zu tun hat, mit Hesse, Castaneda, Prog & Punk, der New Wave in Musik und Style.
The Breakfast Club war nicht nur ein aktuelles Portrait von fünf Archetypen (the brain, eine Art Pre-Nerd, der athlete, der ewige Quarterback, a basket case, einer Art Pre-Slacker, die princess and the criminal) sondern hatte auch die entscheidende Zutat, die ihren Macher, John Hughes zur wichtigsten und stilprägenden Figur der Jugendkultur der Jahre 1985/1986 machte: die Musik.
Nicht dass der Soundtrack überragend war. Er brachte nur eine damals als obskur, englisch, düster und höchst indie verschrieene schottische Band ans Tageslicht des Mainstreams: die Simple Minds, die mit ihrer untypischen aber treibenden Ballade "Dont You Forget About Me" durch den Film einen Monster-Hit hatten, und heute locker davon und der Bierwerbung, die man aus "Belfast Child" gemacht hatte, ihre Villen finanzieren können.
Der König des Jugendfilms 1985/1986
Hughes war der erste, der aktuelle zeitgenössische, eine Spur zu upfronte Popmusik, in seine formal durchaus mainstreamigen Filme einbaute. Wohl weil er verstand, dass er damit die Unruhe, das Widerständische seiner Figuren am besten unterstützen und abbilden könnte).
Zum Brat Pack gehörten: Rob Lowe, Judd Nelson, Emilio Estevez, Anthony Michael Hall, Andrew McCarthy, Demi Moore, Judd Nelson, Molly Ringwald, Ally Sheedy, Matthew Broderick, assoziert waren auch Sean Penn, Charlie Sheen, James Spader, Robert Downey Jr., Jon Cryer, John Cusack, Kevin Bacon, Jami Gertz, Mary Stuart Masterson and Kiefer Sutherland. In den Outsiders waren auch noch Tom Cruise, C. Thomas Howell und Ralph Macchio.
Interessanterweise gab es zeitgleich auch eine Gruppe junger Literaten, die denselben Spitznamen bekamen: Jay McInerney, Bret Easton Ellis, Tama Janowitz und ein paar andere.
Die Verfilmungen ihrer durchwegs düsteren, eher hoffnungsarmen Bücher, z.B. Bright Lights Big City, Less Than Zero oder American Psycho setzten die Hughes-Reihe irgendwie fort.
Hughes kam an sich aus der National Lampoon-Schule, einem der Zentren des brachial-anarchischen Humors, für den Chevy Chase oder John Candy stehen, begann dann aber mit "Sixteen Candles" (1984) eine neue Version des damals brachliegenden Jugend-Film-Genres. Bereits der zweite Versuch, "Breakfast Club", ein radikales Manifest, brachte ihm und den Schauspielern (die zum Brat Pack gehörten, einer Gruppe junger Schauspieler, die erstmals in Coppolas Outsiders von 1983 auf den Plan traten, schnellen Weltruhm.
Danach folgte die etweas doofe Komödie "Weird Science", und 1986 noch zwei zentrale Werke: Pretty in Pink und Ferris Bueller's Day Off.
Pretty in Pink, den er "nur" schrieb und produzierte (Regie führte Howard Deutch) ist wieder einmal ein Film für Hughes Diva Molly Ringwald, featuret Jon Cryer, den Bruder aus "Two and a half men", Andrew McCarthy, Harry Dean Stanton, James Spader oder Gina Gershon und ist eine reifere dramatischere Variante des Hughes-Topos von der Abbildung innerer jugendlicher Zerissenheit und Unsicherheit.
Und "Ferris macht blau", der Schulkschwänzer- und "Was will ich eigentlich vom Leben?"-Klassiker (mit Matthew Broderick) hat einen bis heute reichenden Impact. Keine Ahnung, warum einzelne Szenen oder Namen bis heute zitiert und refenziert werden, keine Ahnung, warum dieser sehr weiße Film so viele Nennungen im HipHop-Umfeld aufweisen kann.
Nach Ferris verlegte sich der als Teen-King verehrte Hughes plötzlich auf Familienfilme der Marke "She's Having a Baby", und nachdem er 1990 "Home Alone", also "Kevin allein zu Hause" schrieb und produzierte, war die Sache gegessen. Hughes spielte ab da in der Blockbuster-Liga, zog sich in die zweite Reihe zurück und produzierte kommerziell Erfolgreiches wie "101 Dalamatiner" oder "Home Alone 2" und 3.
Hughes und die Popmusik
Hughes wichtigste Zutat für die jugendkulturelle Dominanz der Jahre 85/6 war die clevere Auswahl der Musik. In zwei der fünf "Teen"-Filme spielte sie eine zentrale Rolle.
in Weird Science tauchen nicht nur damals nur Insidern bekannte englische Indie-Bands wie Killing Joke, General Public oder OMD auf, sondern auch die Punk-Supergroup The Lords of the New Church, Los Lobos und zwei für damalige Begriffe radikale L.A.-Bands, nämlich Oingo Boingo und Wall of Voodoo.
Oingo Boingo waren eine chaotische Ska vs Cab Calloway vs New Wave-Band rund um Danny Elfman.
Elfman schreibt heute gefühlte 50% aller Hollywood-Soundtracks.
Wall of Voodoo waren eine Bande von Kleinkriminellen, Junkies, Porn-Soundtrack-Composern und Pferdrennbahn-Wett-Profis, die eine gemeinsame Vision der Vermengung von an sich Unvereinbarem, von Country und Industrial Sounds pflegten und zu einer wüsten Vollendung führten, die aber nicht mehr als lokalen Ruhm nach sich zog, weshalb die meisten Mitglieder sich wieder in ihre angestammtern Berufe zurückzogen.
Der "Pretty in Pink" Soundtrack dreht sich um das gleichnamige Stück der Psychedelic Furs, einer als gefährlich geltenden englischen Post-Punk-Band mit Bowie-Einflüssen, die so amerikanisch klang, dass sie von den meisten Menschen für Amis gehalten wurde.
Der OST brachte neben den Furs auch die Smiths als auch Echo & the Bunnymen ins amerikanische Bewusstsein und enthielt auch Shellshock von "New Order"; allesamt Bands, die heute Legenden sind, um 1985 aber reiner und purer Underground waren, der sich maximal in obskuren Studentenradios oder der alten "Musicbox" wiederfand, aber bei 95% der Menschen einen "Drah den Schas o!"-Reflex nach sich zogen.
Pretty in Pink
rodi vigo
Dass Hughes, im Bewusstsein Mainstream-Filme zu fertigen, dort damals unerhörte Musik reinschüttete und noch dazu teilweise so deutlich in den Vordergrund stellte, sogar den Titel übernahm, zeigt, wie gut er über die damalige Bedeutung von aktueller Pop/Rockmusik Bescheid wusste.
Ihm war klar, dass nicht der Film, sondern die Musik die zentrale Leitkultur einer langsam global zusammenwachsenden Jugend war, also holte er sie in das hinein, was er zu machen verstand: Filme.
Der damit gesetzte Impact war enorm und wirkt bis heute nach. Letztlich ist jeder Werbeheini, der für seine Verkaufsspots Musik verwendet, die abseits jeglichen Mainstreams grast, ein Hughes-Imitator. Letztlich baut jeder mit einem riskanten Soundtrack gesegnete Film auf seinem Vorbild auf.
Es war also zu einem großen Teil die unerhörte und richtige Musik, die den Hughes-Filmen eine größere Wichtigkeit gab, als sie vielleicht haben. Heute ist das alles andersrum: Es sind unerhörte und richtige Bilder, die nicht ganz so wesentlicher Musik ein Gesicht geben.
Nutzloses Wissen am Schluss: Im echten Leben datete Molly Ringwald nicht den anstrengenden Judd Nelson, sondern Anthony Michael Hall, den nerdigen Schüchti.
Auf den "Breakfast Club", dieses Dialog-Drama, triftt das nicht zu: Da ist bloß die Anfangs- und Schlussmusik (eben: "Don't You ...") relevant, ein großer radikaler Aufschrei, der die durch die Läuterung der Proponenten zutiefst beeindruckten jugendlichen Zuschauer noch lange weiterbegleitet, wenn sie aus dem Kino in ihre Leben zurückkehren, weil es im Kopf nachhallt.
Don't you forget about this.