Erstellt am: 6. 8. 2009 - 18:18 Uhr
Fußball-Journal '09-68.
Kleines Pro-Forma-Legionärs-Update:
Endlich - Marco Arnautovic (89-04) ist bei Inter. Das toppt nicht nur (finanziell) den eh schon superen Hoffer-Transfer, das macht auch richtig Hoffnung für die Zukunft. Dass nämlich ein gut spielender (und von mir aus auch in gewissem Rahmen verhaltensaufälliger) Arnautovic dafür sorgt, dass die Top-Vereine Europa sich die vielen guten jungen Österreicher krallen, die hierzulande bis zum Alter von 17 hervorragend ausgebildet werden und dann versickern (um da Rapid-Manager Kuhn aus einem Falter-Gespräch von unlängst sinngemäß zu zitieren).
Dass mit Ken Noel (91-01), einer, dem bei der immer noch viel zu verkrampft personalpolitisierenden Admira so ein Versicker-Schicksal gedroht hat, da zu Brescia in die Serie B geht: tollsuperklasse, jawollbittemehrdavon!
Auch schön: Dennis Kloser (91-05), Vorarlberger Talent, das bei St. Gallen in der Jugend den letzten Schliff bekam, ist der erste Österreicher in Dänemark, bei Esbjerg. Und auch die Tatsache, dass Mirnel Sadovic (84-05), bosnisch-österreichischer Doppelstaatsbürger, für das Testspiel der Bosnier gegen den Iran einberufen wurde, ist erfreulich.
Es hat damit zu tun, dass ich heute, vor dem Rausgehen in die Welt noch eine Folge von Life on Mars gesehen habe. Das ist die BBC-Serie, bei der ein Cop nach einem Unfall ins Koma fällt und/oder in den 70ern aufwacht und dort mit der steinzeitlichen Lebens- und Ermittlungspraxis umgehen muss.
Direkt danach der Kontroll-Blick in den Teletext und die irgendwie doch seltsam anmutende Meldung, dass der ÖFB-Teamchef Sebastian Prödl für den Kamerun-Kader nachnominiert habe. Das ist eine gute Nachricht, aber es widerspricht diametral dem, was Constantini gestern erzählt hat: Dass Prödl nicht fit sei und ihm deswegen am Telefon abgesagt habe - etwas, was ihm im Fall des ebenfalls nicht nominierten Pogatetz nicht gelungen wäre; also ein Telefon-Gespräch.
Heute nun ist Prödl wundergeheilt. Oder so. Ist ja auch wurscht.
Nun gefällt mir das.
Seine Meinung von gestern heute in den Mistkübel werfen und das Gegenteil behaupten - weil sich die Faktenlage geändert hat.
Es gefällt mir deshalb, weil die meisten Menschen mit sowas nicht umgehen können, es also höchst schwierig ist, derartige Turnarounds öffentlich zu verkaufen, es also Mut erfordert, den die meisten nicht besitzen, weshalb derlei so selten passiert.
Menschen hassen Überraschungen, sie hassen das Ungewohnte, sie hassen die Umstellung, den Verzicht auf das Vertraute. Menschen sind in ihrer Grund-Konzeption reaktionär. Das ist nicht böse, aber bloß die Ausgangs-Position zur lebenslangen Überwindung dieses Geburtsmakels.
Dietmar Constantini vertraut da nicht nur auf seinen Tiroler Bubencharme, es ist ihm, dem gefühlten Eh-nur-Interimstrainer, halt auch ein bisserl wurscht.
Didi, Chefplayer der "Generation Playstation"
Diese Vorgangsweise (nur das aktuellste Beispiel von dutzenden) zeigt aber auch, dass und wie er gefangen ist, in einer kurios anmutenden Diskrepanz zwischen Wollen und Können.
Constantini ist nämlich in seinem Handeln durchaus modern: schnell und anpassungsfähig.
Sein Umfeld, Arbeitgeber, Branche samt Medien, sind das tendenziell nicht. Der Fußball findet im wesentlichen im analogen Denken statt.
Constantini agiert aber quasi digital.
Der Kader der U21 fürs Quali-Spiel nächsten Mittwoch in Minsk:
Tor: Lukas Königshofer (Rapid), Wolfgang Schober (Salzburg)
Abwehr: Fabian Koch (Wacker), Georg Margreitter (LASK), Christopher Dibon (Admira), Christian Ramsebner (Neustadt), Anel Hadzic (Ried).
Mittelfeld: Julian Baumgartlinger (Austria), Stefan Ilsanker (Salzburg), Thomas Piermayr (LASK), Manuel Seidl (Mattersburg), Stefan Hierländer (Kärnten), Guido Burgstaller (Neustadt), Daniel Beichler, Haris Bukva (Sturm Graz).
Angriff: Athde Nuhiu (Kärnten), Benjamin Sulimani (Austria)
Georg Gravogl (St. Pölten)
Auf Abruf: David Schartner (Salzburg), Manuel Wallner (Austria), Dominic Pürcher (Hartberg), Mario Leitgeb, Patrick Salomon (A. Lustenau), Christoph Mattes (Admira), Robert Gruberbauer (St. Pölten), Matthias Lindner (Mattersburg), Julias Perstaller (Wacker).
Der U20-Kader für das Mittwoch-Länderspiel gegen die Schweiz
Tor: Markus Egger (Wattens), Heinz Lindner (Austria)
Abwehr: Maximilian Karner, Sebastian Radakovics (Salzburg), Jürgen Prutsch (Altach).
Mittelfeld: Stefan Schwab (Salzburg), Thomas Salamon (Mattersburg), Alexander Grünwald (Neustadt), Thomas Löffler (Wacker), Christian Haselberger (Austria), Marcel Holzmann, Christoph Kröpfl (Salzburg), Markus Obernosterer, Benjamin Pranter (Wacker), Leonhard Kaufmann (Kärnten), Thorsten Schick (Gratkorn), Thomas Hopfer (Admira), David Harrer (Austria),
Angriff: Deniz Mujic (Dornbirn), Julias Perstaller (Wacker),
Dieter Elsneg (Frosinone),
Auf Abruf: Pirmin Strasser (Pasching), Rifat Sen (Dornbirn ), Florian Hart (LASK), Andreas Simma (Altach), Kevin Hacker (Sturm), Marco Sahanek (Admira).
Die U19 (JG 91) macht ein Trainingslager in der Flachau mit:
Christian Petrovcic (GAK), Philip Petermann (Austria), Lukas Rath (Mattersburg), Ervin Bevab (FC Lustenau), Luca Tauschmann (Sturm), Marcel Büchel (Siena), Robert Gucher (Frosinone), Muhammed Ildiz (Rapid), Manuel Sutter (St. Gallen), Daniel Offenbacher (Salzburg), Michael Schimpelsberger (Twente), Marcel Ziegl (Ried), Philipp Huspek (Ried), Markus Pink (Kärnten), Attila Benjamin Varga (LASK), Miodrag Vukajlovic (Austria), Andreas Weimann (Aston Villa), Alexander Novak (Nürnberg).
An allen drei Kaden auffällig: wenige, teilweise echt zuwenige richtige Abwehrspieler. Alle müssen eigentliche Mittelfeldspieler umfunktionieren.
Das ist nicht nur lustig, weil der Hauptteil seiner Antrittsrede den damals von ihm für schuldig an der Misere ausgemachten Junge und Antriebslose der Generation Playstation war, und er sich damit innerhalb kurzer Zeit entweder drastisch widerspricht oder ungewollt gedreht hat.
Das ist auch ein bisserl tragisch, nein, eher dramatisch, obwohl, auch das nicht wirklich, vielleicht eher absurd, weil er die Tools und Mittel, die diese seine Handlungsweise sinnhaft nach außen kommunizieren würden, nicht kennt oder nicht wahrnimmt.
Alles klar?
Wenn nicht - das geht so:

öfb
Nachdem sich Constantini im März mit seiner "Naturberschn" vs. "Computer-Schwulis"-These weit aus dem Fenster gelehnt hatte, verhinderte ein schlauer Pressebeauftragter diesbezügliche kritische Nachfragen mit der Bitte, da doch bis nach dem ersten Trainingslager zu warten, wo der Praxistest stattfinden würde. Und tatsächlich: Seit dem ersten Realo-Umgang mit der jungen Generation, die selbstverständlich mit PC, Console, Telefon-Kompetenz etc. ausgestattet ist, war keine Rede mehr vom etwas almöhi-mäßigen Gepoltere von davor.
Im Gegenteil: Der neue Teamchef setzte verstärkt auf die junge Welle.
Und seitdem ist etwas zu beobachten, was es davor nicht gab. Davor war es unmöglich, dass ein ÖFB-Trainer von etwas Gesagtem oder Beschlossenen abrückte. Was bei den rituell einberufenen Veröffentlichungs-Verlautbarungen (einer hochanalogen Veranstaltung) rausging, war Gesetz.
Als sich etwa Vorgänger Brückner nicht mehr daran zu halten wagte (weil er es aus seinem, diesbezüglich eben sehr anderen Kulturkreis so gewohnt war), stieß das eine (von den Medienvertretern angestoßene, von der internen ÖFB-Opposition wohlwollend weitergetragene) Revolte an, die ihn letztlich zu Sturz brachte.
Constantini, Liebling der Medien, handelt nun ähnlich. Weil er weiß, dass es gegen ihn keine Revoltengefahr gibt, und weil er gelernt hat, dass die Überwindung alter Handlungsmuster ihm neue Freiheiten gibt, tut er es. Eher instinktiv.
Das Blöde dabei ist, dass der Teamchef dabei natürlich auf keines der dafür geeigneten Medien zurückgreift - weil er sie nicht wirklich kennt.
Deshalb ist er Sam Tyler, der in den 70ern gefangene Inspektor. Der wüßte zwar, wie es gehen würde, hat aber die Mittel und Tools nicht - also wendet er sein (moderndes) Denken quasi analog an.
Constantini handelt genauso, allerdings auf freiwilliger Basis, indem er auf den Einsatz von Dingen wie Mails etc. verzichtet.
Es war z.B. sehr Life on Mars-mäßig, als der Teamchef gestern erzählte, er würde Emmanuel Pogatetz telefonisch nicht erreichen, weswegen er eben keine Information habe, ganz lieb 70er-Jahre-mäßig-hilflos.
Moderne Kommunikations-Kultur
Nun haben die größeren Vereine und der ÖFB in den letzten paar Monaten echte Quantensprünge hinter sich gebracht, was den Einsatz der neuen Medien betrifft. Wenn z.B. die Austria-Seite gerade down ist, weil die ORF-Firewall spinnt und ich keine Zeit damit verschwenden will, irgendwelche Telefonnummern rauszufinden, dann schreibe ich den Twitter-Account des Clubs an, und bekomme innerhalb kürzester Zeit die bestmögliche Auskunft. Liga, Verband und (die größeren, und natürlich die klug geführten) Vereine sind nicht nur in den Social Networks bestens vertreten, ihre Kommunikations-Kultur ist insgesamt bereits im 21. Jahrhundert angekommen. Oder besser: die der Proponenten in diesen Organisationen, die bereits digital mitzudenken verstehen.

ötztalblog
Ich höre schon das Gewinsel: Das von einem Coach zu fordern ist zuviel verlangt, der muss drauf schauen, dass die schnell laufen und präzise passen.
Ja.
Aber da diese Lauf- und Pass-Maschinen auch Menschen sind, muss man sie genau dort abholen, bei ihrem Menschsein. Und da, zumindest bei den Unter30jährigen, das auch die moderne Kommunkations-Technik beinhaltet, ist ein Teamchef, der kapituliert, wenn sein Spieler nicht abhebt, natürlich eine Lachnummer.
Selbst wenn die Kultur seines Handelns mittlerweile eine schnelle und spontane ist, sich also vom alten sturen Happelismus, dessen Gültigkeitsdatum allerspätestens mit dem Jahrtausendwechsel erloschen war, bereits deutlich abhebt.
Das, was Constantini da durchaus exemplarisch vorführt, ist ein interessanter erster Schritt der Aufweichung eines erstarrten Systems, in dem digitale Analphabeten jungen und selbstbewussten Akteure eine neue Welt in alten Bildern, ein digitales Umfeld mit analogen Hilflosigkeiten zu erklären versuchen.
Aber eben nur ein erster Schritt.