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Robert Rotifer London/Canterbury

Themsenstrandgut von der Metropole bis zur Mündung: Bier ohne Krone, Brot wie Watte und gesalzene Butter.

6. 8. 2009 - 10:54

Jobs for the poor boys

Rekrutierung in der Fußgängerzone. Normalität in England.

Es ist schon erstaunlich, wie schnell sich die subjektive Vorstellung von Normalität verändern kann.

Panzer auf der Canterbury High Street mit Passanten

Robert Rotifer

Natürlich fand ich den Panzer mitten auf der High Street von Canterbury an einem gewöhnlichen sommerlichen Einkaufssamstag auch nicht ganz normal, sonst hätte ich die Szene ja nicht fotografiert.

Panzer auf der Canterbury High Street mit Teenagerinnen

Robert Rotifer

Aber wie ich mir diese Bilder jetzt - nach zwei Wochen Österreichaufenthalt - so ansehe, wirken sie mit einem Mal richtiggehend absurd.

Da wird fröhlich geshoppt, Latte getrunken, geplaudert, Straßenmusik gespielt und Geld abgehoben, und mitten im Trubel, dort wo sonst das fahrbare Kinderkarussel steht, hat die britische Armee ihren Info-Stand samt Kriegsgerät aufgestellt.

Männer und Burschen mustern die ausgestellten Gewehre

Robert Rotifer

Toys for the boys

Die Rechnung geht auf: Viele junge Burschen und auch ein paar Männer, die über das brauchbare Alter schon hinaus sind, unterbrechen das Flanieren, folgen dem Glamour des Schießgeräts und lassen sich von den freundlichen Soldaten den Unterschied zwischen einer Maschinenpistole und einem Raketenwerfer erklären.

Informationsstand des Prince of Wales Royal Regiment mit interessierten Jugendlichen

Robert Rotifer

Man kann die Tötungsmaschinen anfassen, man kann ihr Gewicht fühlen, sie in der Hand wiegen. Und man kann sich an Ort und Stelle einschreiben für einen Vorsprechtermin bei der nächsten Garnison.

Soldat verkauft T-Shirts und Teehäferl mit Army-Logos

Robert Rotifer

Haben wir pink for girls noch in extra-small?

Seit ich am 18. Juli diese Rekrutierungsaktion anlässlich einer Homecoming Parade des Princess of Wales' Royal Regiment zur Feier der Heimkehr von 200 Soldaten fotografiert habe, sind in Afghanistan sieben ihrer Kameraden gefallen. Sie waren zwischen 20 und 35 Jahre alt.

Eine Woche vor der Parade waren bei einer einzigen Explosion sechs britische Soldaten gestorben, zwei darunter waren erst 18.

Insgesamt hat der Krieg in Afghanistan bisher 192 britische Opfer gefordert. Die Tendenz ist derzeit wieder steigend und hat lebhafte öffentliche Diskussionen über die Qualität der Ausrüstung ausgelöst.

Panzer in der Canterbury High Street mit PassantInnen

Robert Rotifer

Die Tatsache, dass diese Leute in den Krieg ziehen, während der Rest des Landes so tut, als wäre Frieden, ist dagegen ganz alltägliche Normalität.

Die britische Armee ist ein Berufsheer, und diese Boys tun nur ihren Job. Bist du jung und arbeitslos? Fühlst du dich gleich besser mit einem Gewehr in der Hand? Schreib dich ein, es ist Samstag, und die Sonne lacht.