Erstellt am: 6. 8. 2009 - 11:30 Uhr
Boys Toys
Ältere FM4-Hörer, vornehmlich männlichen Geschlechts, dürften sich vielleicht noch vage erinnern.
In einer Ära vor dem Anbeginn der Zeitrechnung, sagen wir mal in den siebziger und frühen achtziger Jahren, jedenfalls lange vor hitzigen Diskussionen um Gendermainstreaming und geschlechtersensible Kleinkindpädagogik, begannen Buben erstmals massiv mit Puppen zu spielen.
Wobei dieser Begriff assoziativ in eine falsche Richtung lenkt. Sagen wir besser Actionfiguren dazu.
Big Jim hieß das in deutschsprachigen Ländern wohl populärste Männchen aus Hartplastik, das zur Grundausstattung unzähliger Kinderzimmer gehörte. Mit einem kleinen Druckknopf auf dem Rücken konnte der durchtrainierte Kerl seinen rechten Arm in Bewegung versetzen und damit ein mitgeliefertes Brettchen zerschlagen oder Karate simulieren.
Ein echtes Hi-Tech-Wunder, irgendwie, für das Sammler heute ordentliche Preise zahlen.
birteff.com
Big Jim und seine coolen Freunde Big Jack, Big Josh, Big Jeff oder Dr. Steel verzauberten mit faszinierendem Zubehör, von diversen Outdoor-Utensilien bis zu Buschmessern, Pfeil und Bogen oder Äxten. Äußerst bodybuilderaffin gebaut, konnte man diesen Figuren einen Hang zum Martialischen nicht absprechen.
Dennoch zog die Firma Mattel, bekanntlich für das Phänomen Barbie verantwortlich, eine scharfe Grenze.
Das Big-Jim-Universum streifte die essentiellen Western-, Piraten-, Agenten- und Science-Fiction-Genres, verzichtete aber mit Blick auf den europäischen Markt auf eindeutige Militärverweise.
Im Ursprungsland der Actionfiguren sah die Sache ganz anders aus. 1964 entwickelte das amerikanische Unternehmen Hasbro ein neues Spielzeug für Jungen. "G.I. Joe" taufte man den kleinen Soldaten, der zunächst auf enorme firmeninterne Skepsis gestoßen war. Niemals würden sich Buben an Puppen heranwagen, ängstigten sich die Hasbro-Bosse.
Aber der Erfolg kam blitzschnell. Die male action figure mit der Army-Uniform und diversen Mini-Knarren legte den Grundstein für eine neue Spielzeugkategorie, brachte Bubenaugen im ganzen Land zum Leuchten und auch die von Vätern, Lehrern und Kalten Kriegern.
Hasbro
Zwar durchlebte das Produkt G.I. Joe viele Veränderungen und während des öffentlich eher negativ wahrgenommenen Vietnamkriegs wandte man sich sogar kurz vom Thema Militär ab. Aber letztlich prägte das schussbereite Hasbro-Männchen etliche amerikanische Jungs-Generationen.
Wirklich riesig wurde das Phänomen G.I. Joe in den Staaten, als es in den achtziger Jahren zu einer Kooperation mit dem Comicverlag Marvel kam.
Die Schöpfer von Spiderman & Co kreierten eine Mythologie rund um die Soldaten-Puppen, kreuzten den Militarismus mit dem Superheldengenre, erfanden Codenamen und besondere Fähigkeiten. TV-Cartoons und Computerspiele folgten dieser Neuinterpretation.
Und jetzt geht die Schlacht ums Kinderzimmer im Kino weiter. Nachdem mit den Transformers bereits eine höchst lukrative Franchise geschaffen wurde, die ebenfalls auf Hasbro-Figuren beruht, holen Hollywood und die Spielzeugindustrie zum nächsten Schlag aus.
UIP
Für "G.I. Joe - Rise Of The Cobra" schlüpfen Filmveteranen (Dennis Quaid), Celebrity-Ikonen (Sienna Miller), Comedystars (Marlon Wayans) und Indie-Hoffnungen (Joseph Gordon-Levitt) in die populären Uniformen.
Regisseur Stephen Sommers, der Mann hinter aalglatten Blockbustern wie "The Mummy" oder "Van Helsing", hatte im Vorfeld einige Gratwanderungen zu begehen. Superstarke Elitesoldaten, die für amerikanische Werte kämpfen, sind vielleicht in der Post-Bush-Ära nicht mehr die allerbeste Idee, ein gegenwartsgerechtes Update musste her.
Aus dem militaristischen Spielzeugkult wird auf der Leinwand nun ein poppiges, buntes und beinahe vollständig sinnfreies Spektakel.
Die Bösen sind abgehobene Superschurken ohne nähere politische Bezüge, die auch aus einem Austin-Powers-Streifen stammen könnten. Die diversen Helden aus dem G.I. Joe-Spezialteam wurden multikulturell und auch mit Hinblick auf weibliche Zielgruppen besetzt.
UIP
Aber auch wenn der Versuch, das ganze Armee-Tamtam etwas zurückzuschrauben, sympathisch ist und die Schauspieler ihre überlebensgroßen Rollen mit gehörigem Augenzwinkern anlegen - ein guter Film wird "G.I. Joe - Geheimauftrag Cobra" dadurch noch nicht.
Stephen Sommers inszeniert eine zwei Stunden lange Non-Stop-Actionorgie, deren Schauwert nicht annähernd an die Transformers-Konkurrenz anschließt. Wenigstens mit den Effekten kann der große Set-Diktator Michael Bay punkten, "G.I. Joe" sieht diesbezüglich schleißig aus. Viel ohrenbetäubender Lärm um nichts also.
Übrigens, keine Sorge, ein Big-Jim-Kinofilm ist nicht in Planung.