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Mari Lang

Moderiert, beobachtet und probiert aus – neue Sportarten, Bücher und das Leben in der Ferne. Ist Ungarn-Fetischistin.

5. 8. 2009 - 18:04

"Keine schießwütige Polizei"

Der Fall des erschossenen 14-jährigen Einbrechers bringt erneut die Diskussion um den Schusswaffengebrauch der Polizei in Gang.

In der Nacht auf Mittwoch, 5. August 2009 ist ein 14-jähriger Einbrecher in einem Supermarkt in Krems a.d. Donau (NÖ) von Polizisten erschossen worden. Sein 16-jähriger mutmaßlicher Komplize wurde schwer verletzt. Einige Details zum Einsatzhergang wurden heute Mittag bei einer Pressekonferenz bekanntgegeben. So waren die Jugendlichen mit einem Schraubenzieher und einer Spitzhacke bewaffnet, als sie gegen 2.55 Uhr von zwei Streifenpolizisten entdeckt wurden. Die Ermittlungen laufen derzeit auf Hochtouren, aber viele Fragen sind noch offen.

Der Fall ist durchaus kein Einzelfall. Schon öfter ist es in Österreich zu Polizeieinsätzen mit tödlichen Folgen gekommen. Einige davon sind umstritten und haben immer wieder zu Diskussionen rund um den Einsatz von Schusswaffen bei der Polizei angeregt.

Polizei-Abspeerung bei Merkur Supermarkt

APA/HERBERT PFARRHOFER

So wird am 11. Jänner 2004 ein psychisch kranker Mann nach einer Amokfahrt in Wien von einem Polizisten erschossen. Das Verfahren gegen den Beamten wird von der Staatsanwaltschaft eingestellt, der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) stellt im Nachhinein allerdings fest, dass der Schusswaffengebrauch rechtswidrig war.

Am 14. August 2000 wird im Zuge der Fahndung nach einem flüchtigen Räuber ein unbeteiligter Motorradfahrer in Gars am Kamp von einem Gendarmeriebeamten getötet. Der Beamte kommt später wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen vor Gericht. Das Ersturteil lautet auf sechs Monate bedingte Freiheitsstrafe plus eine Geldstrafe.

Der Einsatz von Waffen ist im Waffengebrauchsgesetz aus dem Jahr 1969 eindeutig geregelt und nur zulässig, wenn weniger gefährliche Maßnahmen oder "verfügbare gelindere Mittel" ungeeignet scheinen oder wirkungslos sind. Außerdem muss er vorher deutlich angezeigt werden. Angewendet werden dürfe eine Waffe nur, um einen Menschen "angriffs-, widerstands- oder fluchtunfähig zu machen" und nicht, um zu töten. Grundsätzlich darf nur von der "am wenigsten gefährlichen, nach der jeweiligen Lage noch geeignet scheinenden Waffe Gebrauch gemacht werden" und der erwartende Schaden "nicht offensichtlich außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg" stehen.

Bei der Polizei wird während der Grundausbildung der Gebrauch der Waffe stundenlang trainiert. Auch im Zuge der Fortbildung, die jährlich etwa vier Stunden vorsieht. "Viel zu wenig", sagt Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich. "Ein professioneller Bodyguard gibt in etwa so viele Trainingsschüsse pro Woche ab, wie es ein normaler Streifenpolizist pro Jahr tut. Und es geht nicht nur um das präzise Treffen, sondern auch um die zugehörige Einsatztaktik. Da geht’s um üben, üben, üben."

Oberst Marius Gausterer hingegen meint, dass die reguläre Ausbildung der Polizisten durchaus ausreichend sei und sehr viel für das richtige Verhalten in Grenzsituationen getan werde. "Aber wir versuchen natürlich die Beamten und Beamtinnen immer auch Schwerpunktbezogen auf Vorfälle der letzten Jahre ganz speziell hinzuweisen und zu schulen."

Ob und welche Auswirkungen der aktuelle Fall aus Krems auf die Ausbildung von Polizisten haben wird, ist noch ungewiss. Vorerst gilt es einmal das Urteil der Staatsanwaltschaft abzuwarten. Pauschalurteile und ein gefühliges Urteil über die Guten und die Bösen sind jedenfalls nicht angebracht, meint Heinz Patzelt: "Weder ist unsere Polizei generell schießwütig – das wäre eine völlig unzutreffende Unterstellung. Noch ist es akzeptabel zu argumentieren, dass jeder, der in irgendeiner Form mit dem Gesetz in Konflikt kommt, damit rechnen muss, dass er dabei draufgeht. Das ist weder rechtsstaatlich noch menschenrechtskonform."