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Pamela Rußmann

Brennend leben: Das Große im Kleinen erkennen

7. 8. 2009 - 11:00

Ich bin da konservativ

Ganz ehrlich: Alles muss ich nicht sehen. Textile Freizügigkeit und Dezenz sollten in Balance sein.

Es ist natürlich alles eine Frage des Standpunktes, wie immer im Leben. Aber von meinem Standpunkt aus hatte der frontale V-Ausschnitt des fröhlichen Kaftan-Verschnitts recht viel Zugang zu nackter Dekolletéehaut erlaubt, nämlich so viel, dass das vom schwedischen Textilimperium zwangsverarbeitete zentrale Mascherl des BHs deutlich zu sehen war. Ganz ehrlich – muss ich nicht sehen. Leider war das mein BH, der da hervorblitzte, als ich an mir selber heruntergeschaut habe, blöd nur, dass das sechs Stunden, nachdem ich den sommerlichen Stofftraum erstanden habe, passiert ist, jenseits der Kleiderstangen der Innenstadt, im Diesseits einer abendlichen Freiluftveranstaltung.
„Jössas“, durchzuckt es mich, „der Ausschnitt ist aber ganz schön arg, das hab ich im Geschäft gar nicht bemerkt.“ Gut, kann passieren, wenn man seine Fetzen prinzipiell ohne Anprobe kauft. N. und D. folgen meinem Blick. „Das ist mir beim Essen vorher schon aufgefallen, sexy!“ sagt N. seelenruhig. „Ich find das gut.“
Ich verschränke reflexartig die Arme vor der Brust, was den Effekt hat, dass sich das fluffige Baumwolle-Seiden-Gemisch wie ein Fallschirm aufbläht und noch mehr Innenleben freilegt.
„Mich darfst nicht fragen, ich bin da konservativ, bei mir ist das das Maximum“, zieht D. mit einer strengen Handbewegung die Grenze auf ihrem Top, eine Linie, die exakt von Oberkante Achselhöhle links bis Oberkante Achselhöhle rechts geht. "Außerdem nervt´s mich gewaltig, wenn mein Gegenüber den Weg ins Gesicht nicht findet, weil er ständig am Dekolletée klebt, das lenkt doch total ab."

Radio FM4

FM4 Sommerrevue, intim: Mirjam Unger und Esther Csapo sprechen mit Euch in der FM4 Sommerrevue (samstags ab 13 Uhr) zwischen 15 und 16 Uhr dieses Mal über das Körpergefühl im Sommer. Was zeigst du her und was nicht? Was ist ein modisches Statement, was nicht? Eure Meinung ist gefragt - entweder direkt hier ins Forum posten oder live in der Sendung anrufen - 0800 226 996.

„Also ich find ein gewölbtes Dekolletée schon schön“, werfe ich ein, „wenn man den sich vorsichtig hebenden Busenansatz sieht, ist doch spitze." Aber wahrscheinlich findet man ja immer das schön, was man selber nicht hat. In dem Punkt hat sich Billy Wilder nämlich leider getäuscht, als er mit Blick auf Audrey Hepburn prophezeite: „This girl, singlehandedly, may make bosoms a thing of the past.“

Textile Freizügigkeit und Dezenz müssen in Balance sein

Die sensiblen Nacktgebiete an Männerkörpern liegen offenbar gute anderthalb Meter südlicher als die der Frauen, denn am Abend zuvor, als ich mit der dreiköpfigen Männerrunde aus war und M. das Gespräch auf die Fashionsünden dieses Sommers brachte (wozu mir ad hoc nur der Name Ed Hardy einfiel), einigte man sich dort binnen Sekunden auf zwei absolute NoNos: 1. kurze Hosen und 2. FlipFlops. Bei Männern, wohlgemerkt. P. formulierte die Ausnahme: „Auf dem Weg ins Freibad sind sowohl Shorts als auch Sandalen sowie die Kombination aus beidem zulässig. Aber nur dann.“
Und natürlich ist es grad heiß, zu heiß für alles, aber die Konsequenz kann ja nicht sein, dass man halbnackt durch die Stadt flitzt. Es sei denn, man möchte ein eindeutiges Statement abgeben, wie unlängst jener sonnengeküsste Radfahrer, der das T-Shirt nachlässig durch die Gürtelschlaufen seiner Chino-Denims stopfte und mit nacktem Oberkörper umliegende Straßenverkehrsteilnehmerinnen blendete. Da bin ich durchaus tolerant.