Erstellt am: 3. 8. 2009 - 16:50 Uhr
The Zeremony
Die Hand hebt an und wird zum Hubschrauber. Taschentücher rotieren über Köpfen. Dann geht alles ganz schnell, Christina schreitet über den am Gehsteig ausgerollten roten Teppich und fährt in der Straßenbahn davon. Männer, die sie vor einer Viertelstunde noch nie getroffen hatte, sprinten winkend hinterher. The Playground Meridian inszeniert für The Zeremony Minidramen, die kollektive Emotionalisierung, Reality Show-Elemente und Figurencharaktere zu gepackten zwanzig Minuten bündeln. Der Abschied wird "hart, emotional und psycholog-ich. Bitte ain-schnallen!".
Es geht lachtränenreich in eine höhere Liga. "We cry when you leave" verspricht die Agentur von The Playground Meridian.
Ich habe pendelnde Studenten oft um ihre Souveränität in Sachen Verabschieden beneidet. Kein Klammern an Koffer, die man auch alleine in Züge hieven könnte. Keine dritte und vierte Umarmung. Kein I was lookin' back to see if you were lookin' back at me to see me lookin' back at you. Contenance. Menschen in Wochenendbeziehungen, die sich Sonntagabend nicht auf Bahnsteigen voneinander trennen wollen, kann ich gut verstehen. So eine Gefühlsachterbahn zwischen Rolltreppe, zugigen Hallen und Waggonfenstern lässt sich schwer wöchentlich wiederholen.
Routiniertes Winken ist nur einer der Dienste, die The Playground Meridian zu bieten hat.
Radio FM4
The Playground Meridian ist keine Gruppe, sondern ein Zustand. Sophia Laggners Zustand für ihre Theaterarbeiten. Letztes Jahr organisierte die Grazerin ein Mini-Festival, zu dem sie ähnlich arbeitende Theatermacher und SchauspielerInnen einlud. Diese Spielwiese setzt sie diesen Sommer mit The Zeremony fort. Mit drei Schauspielerinnen und einem Kollegen aus Frankreich, Spanien und Österreich, getroffen und kennengelernt haben sie sich an der École Philippe Gaulier in Paris.
Verabschiedet wird, wer ihr Service in Anspruch nimmt und kostenfrei bucht. Meldet sich niemand an, formiert sich das Geschehen um einen Alleinreisenden. Oder sie schicken eine Passantin wie Christina auf eine Reise mit der Straßenbahn.
For those who leave
Warum eine Verabschiedungs- und nicht eine Willkommensagentur? "Der Abschied kann dramatischer ausfallen. Und außerdem: wenn man jemanden Fremden willkommen heißt, wie wird man ihn wieder los? Dann muss man sich erst wieder verabschieden", erklärt Sophia Laggner.
Eine virtuelle Foto-Love-Story einer Episode The Zeremony. Lieber einen Schritt zurücktreten, vor Ort macht das Spektakel schnell süchtig und ich ertappe mich, wie ich verzückt lächelnd einem Fremden nachwinke und zum Teletubby mutiere. Nochmal, nochmal. Ja, die Sache mit dem Loslassen ist keine leichte.
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The Zeremony findet unangekündigt an öffentlichen Plätzen in Graz statt. Der Hauptbahnhof ist ein guter Tipp. Drei Mal täglich wird jemand verabschiedet. Auf Wunsch auf Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch.
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The Zeremony im Rahmen des Internationalen Straßen- und Figurentheaters La Strada läuft bis 8. August in Graz.
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