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Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

2. 8. 2009 - 15:40

Die Ballermannisierung Berlins

Bei gewissen touristischen Aktivitäten kann einem schon mal ein distelmeyerisches: "Wohin mit dem Hass?" entfahren.

Der Sommer dauert dieses Jahr in Berlin immer nur einen Tag dann kühlt’s wieder ab, trotzdem flieht jetzt wer kann in den Urlaub oder aufs Land. Es sind die vielen Erlebnistouristen die den Sommer so schwierig machen – wir Einheimischen leiden immer mehr unter der fortschreitenden Ballermannnisierung Berlins.
Es ist ja müßig über Touristen zu schimpfen. London, Paris, Wien - europäische Hauptstädte ziehen halt Städtereisende an, man selbst schaut sich ja auch gerne andere Städte an und ist dann selber Tourist. Trotzdem entfährt einem immer wieder ein gereiztes tocotronisches "Gehen die Leute auf der Straße eigentlich absichtlich so langsam?" , wenn man in der Stadt hinter den staunenden Gruppenreisenden herschleichen muss.

Christiane Rösinger

Berlin Wall and Cold War Remnants"- Fat Tire -Tour

Wenn dann aber abends die organisierten Horden durch die Straßen grölen entfährt einem schon mal ein distelmeyerisches: "Wohin mit dem Hass?"
Denn leider beschränkt sich in Berlin die touristische Aktivität nicht auf Reichstag, Brandenburger Tor, Pergamonmuseum und Fernsehturm - der Sauf- und Erlebnistourismus ist allgegenwärtig. Die ungute touristische Dreifaltigkeit lässt sich mit den Anglizismen "Pub crawl", "Fat Tire Tour" und "Fun Bikes" umschreiben. Am harmlosesten sind noch die "Fat Tire Tours" das sind so Dreißiger -Gruppen auf seltsamen Rädern die laut klingelnd die Straßen blockieren. Durch einst geheime Ausgehquartiere in Mitte rollen jetzt "Fun-Bikes" das sind karusselartige Gefährte, die man aus Mallorca kennt. Sie werden kreisförmig mit 4-6 angetrunkenen Menschen besetzt, einer in der Mitte lenkt, die anderen treten.

Christiane Rösinger

Am Schlimmsten aber sind die "Pub Crawls", geführte Kneipentouren, gerne von Rucksacktouristen aus England und Skandinavien gebucht. Beim Pub Crawl zahlt man 12 oder 15 Euro und wird dafür mit der ganzen lauten pöbelnden Horde von Bar zu Bar geführt, unterwegs noch mit Schnaps versorgt bis man nur noch kriechen kann, wo dann auch der Name her kommt. Da kann man nur froh sein, wenn in der eigenen Straße noch keines der wöchentlich neu entstehenden "Hostels" aufgemacht hat, dessen Gäste jede Nacht grölend und mitunter auch sich übergebend nach Hause kriechen.

Aber man muss man einfach positiv denken: Bald ist der Sommer vorbei, es wird kühler und dann erledigen sich viele Probleme von selbst.